Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.Die Kabalen, die der Direktor Carl dem armen Pokorny spielt, sind Aus allem diesem können Sie ersehen, daß die Directionen unserer steht die Kunst, schön und sinnig zuzuhören und selbst mitzuwirken, während so
viele ihrer Kolleginnen mit dem letzten Worte, mit dem letzten Ton ihrer redne¬ rischen oder musikalischen Phrase ihre Aufgabe gelöst zu haben glauben. -- Jenny Lind sängt da an, wo Andere aufhören. Herr Haitzinger mit guten Erinnerungen an" früherer Zeit sang an ihrer Seite den Elwin. Arme Amiria, armer Elwin!" Die Kabalen, die der Direktor Carl dem armen Pokorny spielt, sind Aus allem diesem können Sie ersehen, daß die Directionen unserer steht die Kunst, schön und sinnig zuzuhören und selbst mitzuwirken, während so
viele ihrer Kolleginnen mit dem letzten Worte, mit dem letzten Ton ihrer redne¬ rischen oder musikalischen Phrase ihre Aufgabe gelöst zu haben glauben. — Jenny Lind sängt da an, wo Andere aufhören. Herr Haitzinger mit guten Erinnerungen an« früherer Zeit sang an ihrer Seite den Elwin. Arme Amiria, armer Elwin!" <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0279" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182702"/> <p xml:id="ID_785"> Die Kabalen, die der Direktor Carl dem armen Pokorny spielt, sind<lb/> zahl- und beispiellos, Carl ist ein eingeteuftlter Mephisto, und Pokorny<lb/> ist — kein Faust, unter andern hat die Lind, noch während sie in Ber¬<lb/> lin war, einen anonymen Brief erhalten, worin man sie warnte, nach<lb/> Wien zu kommen, indem Pokorny nicht im Stande sei, ihr das ausge¬<lb/> setzte Spielhonorar zu bezahlen. Der gute Herr Pokorny erläßt in den<lb/> Zeitschriften Erklärungen über Erklärungen, allein bei ihm heißt es nicht,<lb/> I«; se.)-Jo o'vin l'iwmmo, denn er selbst ist ein herzensguter Mann, wah¬<lb/> rend die Erklärungen in der Regel herzlich schlecht ausfallen, auch kann<lb/> der Styl hier nicht den Mann bedeuten, da der Mann diese Erklärun¬<lb/> gen nicht selbst stylisirt.</p><lb/> <p xml:id="ID_786" next="#ID_787"> Aus allem diesem können Sie ersehen, daß die Directionen unserer<lb/> hiesigen Theater, im guten oder im Übeln Sinne, rührig und unterneh¬<lb/> mend sind und doch werden Sie hier den Namen unseres ersten Theaters<lb/> vermissen: des Burgtheaters. In diesem Teich steht das Wasser lau¬<lb/> warm, wie vor zwei Jahren, keine frische Strömung bringt Leben hinein<lb/> und nur Birchpfeifferische Fische werden da noch gefangen. Es ist dop¬<lb/> pelt und dreifach ungeschickt, um den mildesten Ausdruck zu brauchen,<lb/> wenn die heutige Nummer der Theatcrzeitung ein langes, eben so schüler¬<lb/> haftes als unzeitiges Gedicht an den Grafen Moritz Dietrichstein „zum<lb/> Jahrestage des Antritts seiner hohen Würde" bringt; denn erstens ist eine<lb/> solche Speichelleckerei des Herrn Bauerle (die Reimerei ist nicht unter¬<lb/> schrieben, gehört also der Redaction an) ungeziemend. Herr Bäuerle thut<lb/> sich was drauf zu Gute, daß er zu allen Geburth- und Namenstagen<lb/> der Mitglieder unserer kaiserlichen Familie Gratulationsvcrse in seinem<lb/> Blatte offerirt. Worin besteht aber die Auszeichnung, die Herr Bäuerle<lb/> den Allerhöchsten Personen zu Theil werden läßt, wenn die Muse der<lb/> Theaterzeitung sich in Begeisterung setzt für alle Würdenträger des Hofes?<lb/> Eben so ist es abgeschmackt, bei Gelegenheit einer solchen Huldigung, von<lb/> der „hohen Würde" desjenigen zu sprechen, dem man die Verse darbringt.<lb/> Der Poet, der den Mann in seinem Werth besingt, ist ein Poet, der<lb/> Reimer, der die hohe Würde besingt, gehört unter die Schmeichler. Der Schrei¬<lb/> ber dieses, der den Grafen Dietrichstcin als liebenswürdigen Cavalier,<lb/> als enthusiastischen Kunstfreund und als hochgebildeten Mann verehrt, hat<lb/> die Ueberzeugung, daß Niemand über die Unschicklichkeit solcher öffent¬<lb/> lichen Speichelleckereien tiefer entrüstet ist, als er selbst. Zudem muß ich<lb/> obgleich ein Verehrer der Persönlichkeit des Herrn Grafen doch frei<lb/> heraus bekennen, daß wir keine Veranlassung finden, an dem Jahrestage,<lb/> an welchem der Herr Graf die Leitung des Burgtheaters übernommen,<lb/> Oden und Dithyramben zu singen. Wir haben viel von dem Aufschwung</p><lb/> <note xml:id="FID_17" prev="#FID_16" place="foot"> steht die Kunst, schön und sinnig zuzuhören und selbst mitzuwirken, während so<lb/> viele ihrer Kolleginnen mit dem letzten Worte, mit dem letzten Ton ihrer redne¬<lb/> rischen oder musikalischen Phrase ihre Aufgabe gelöst zu haben glauben. — Jenny<lb/> Lind sängt da an, wo Andere aufhören. Herr Haitzinger mit guten Erinnerungen<lb/> an« früherer Zeit sang an ihrer Seite den Elwin. Arme Amiria, armer Elwin!"</note><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0279]
Die Kabalen, die der Direktor Carl dem armen Pokorny spielt, sind
zahl- und beispiellos, Carl ist ein eingeteuftlter Mephisto, und Pokorny
ist — kein Faust, unter andern hat die Lind, noch während sie in Ber¬
lin war, einen anonymen Brief erhalten, worin man sie warnte, nach
Wien zu kommen, indem Pokorny nicht im Stande sei, ihr das ausge¬
setzte Spielhonorar zu bezahlen. Der gute Herr Pokorny erläßt in den
Zeitschriften Erklärungen über Erklärungen, allein bei ihm heißt es nicht,
I«; se.)-Jo o'vin l'iwmmo, denn er selbst ist ein herzensguter Mann, wah¬
rend die Erklärungen in der Regel herzlich schlecht ausfallen, auch kann
der Styl hier nicht den Mann bedeuten, da der Mann diese Erklärun¬
gen nicht selbst stylisirt.
Aus allem diesem können Sie ersehen, daß die Directionen unserer
hiesigen Theater, im guten oder im Übeln Sinne, rührig und unterneh¬
mend sind und doch werden Sie hier den Namen unseres ersten Theaters
vermissen: des Burgtheaters. In diesem Teich steht das Wasser lau¬
warm, wie vor zwei Jahren, keine frische Strömung bringt Leben hinein
und nur Birchpfeifferische Fische werden da noch gefangen. Es ist dop¬
pelt und dreifach ungeschickt, um den mildesten Ausdruck zu brauchen,
wenn die heutige Nummer der Theatcrzeitung ein langes, eben so schüler¬
haftes als unzeitiges Gedicht an den Grafen Moritz Dietrichstein „zum
Jahrestage des Antritts seiner hohen Würde" bringt; denn erstens ist eine
solche Speichelleckerei des Herrn Bauerle (die Reimerei ist nicht unter¬
schrieben, gehört also der Redaction an) ungeziemend. Herr Bäuerle thut
sich was drauf zu Gute, daß er zu allen Geburth- und Namenstagen
der Mitglieder unserer kaiserlichen Familie Gratulationsvcrse in seinem
Blatte offerirt. Worin besteht aber die Auszeichnung, die Herr Bäuerle
den Allerhöchsten Personen zu Theil werden läßt, wenn die Muse der
Theaterzeitung sich in Begeisterung setzt für alle Würdenträger des Hofes?
Eben so ist es abgeschmackt, bei Gelegenheit einer solchen Huldigung, von
der „hohen Würde" desjenigen zu sprechen, dem man die Verse darbringt.
Der Poet, der den Mann in seinem Werth besingt, ist ein Poet, der
Reimer, der die hohe Würde besingt, gehört unter die Schmeichler. Der Schrei¬
ber dieses, der den Grafen Dietrichstcin als liebenswürdigen Cavalier,
als enthusiastischen Kunstfreund und als hochgebildeten Mann verehrt, hat
die Ueberzeugung, daß Niemand über die Unschicklichkeit solcher öffent¬
lichen Speichelleckereien tiefer entrüstet ist, als er selbst. Zudem muß ich
obgleich ein Verehrer der Persönlichkeit des Herrn Grafen doch frei
heraus bekennen, daß wir keine Veranlassung finden, an dem Jahrestage,
an welchem der Herr Graf die Leitung des Burgtheaters übernommen,
Oden und Dithyramben zu singen. Wir haben viel von dem Aufschwung
steht die Kunst, schön und sinnig zuzuhören und selbst mitzuwirken, während so
viele ihrer Kolleginnen mit dem letzten Worte, mit dem letzten Ton ihrer redne¬
rischen oder musikalischen Phrase ihre Aufgabe gelöst zu haben glauben. — Jenny
Lind sängt da an, wo Andere aufhören. Herr Haitzinger mit guten Erinnerungen
an« früherer Zeit sang an ihrer Seite den Elwin. Arme Amiria, armer Elwin!"
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