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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Stück in Leipzig den Vorwurf machte, es liebäugle zu sehr mit Preußen,
während man in Berlin darüber spöttelte, daß es z" sehr mit einem
allgemeinen Deutschland coguetlire. Den besten Mittelweg hat Oester¬
reich eingeschlagen, es hat das Stück ganz und gar verboten und ist des
einen wie des andern Vorwurfes quitt,

-- Uebtrsehungslnstigen Verlagshandlungen können wir ein pikan¬
tes Buch empfehlen, das starrn Absatz in Deutschland finden wird; es
ist dies ein so eben erschienenes Werk von dem französischen Fechtmei¬
ster Grisier: I)"" -"-me" el. it" "luci. Grisier ist nicht nur der erste Fecht¬
künstler in Paris, sonder" wahrscheinlich der erste in ganz Europa. Es
lebt kein zweiter Mann, der bei so vielen Duellen zu Rathe gezogen
wurde, als Grisier. Sein Buch zerfallt in zwei Abtheilungen; die eine
ist eine Geschichte des Duells von den ältesten Zeiten bis auf die Ge¬
genwart, wobei namentlich eine Menge Thatsachen erzählt werden, die eben
so piquant als lehrreich für Denjenigen sind, der ein Mal in der un¬
glücklichen Lage ist, mit den Waffen in der Hand Genugthuung für eine
Beleidigung geben oder fordern zu müssen. Die zweite Hälfte ist eine
Waffen- und Fechttheorie. In Deutschland sind die Duelle mit dem
Stoßdegen glücklicherweise selten und nur noch auf zwei oder drei Uni¬
versitäten gebräuchlich; glücklicherweise! denn die deutsche Methode zu
stoßen ist eine brutale. Die deutschen Fechtmeister nennen die französische
Stoßart perfide, sie ist freilich fintenreicher, aber weniger lebensgefährlich ;
der deutsche Stoß geht von vorn herein darauf los, den Gegner
durch und durch zu spießen, der französische, flinker aber minder heftig,
will zunächst verwunden. Die Opfer der französischen Stoßduelle ver¬
halten sich zu den deutschen vielleicht nur wie drei zu acht. Die ganze
pariser Studentenschaft zahlt in den letzten zehn Jahren kaum so viel
Opfer, wie das kleine I"', Wenn es schon ein Mal Duelle geben
muß, so wäre es wünschenswert, daß Grisiers Methode mehr Eingang
in Deutschland fände. Das gri'siersche Werk ist übrigens mit Zeichnun¬
gen von Beaumont und mit einer Einleitung von Alerander Dumas
ausgestattet.

-- Ein Freund schreibt uns aus Wien! Ich habe mir, Ihrem
Wunsche zufolge, alle mögliche Mühe gegeben, den, Ursprung des Ge¬
rüchts von dem Selbstmorde des Liguorianer Priors auf die Spur zu
- ich war jedoch nicht glücklich. Die Geschichte ist in der That
ein Mährchen, aber ein Mährchen, das von bedeutenden Personen ge¬
glaubt und wiedererzählt wurde und dadurch einigen Correspondenten als
authentisch erscheinen mochte. Die Liguorianer sind, wie Ihnen be¬
kannt, bei den mittlern und höhern Ständen sehr verhaßt; ihre finstere,
schwerfällige Tracht, ihr menschenscheues Wesen, das so auffallend von
der lebenshcitern Freundlichkeit unserer hiesigen Weltgeistlichkeit absticht,
sowie der Umstand, daß ihr Kloster mit seinen geheimnißvollen Mauern
in einem der belebtesten Stadttheile sich befindet, erregen fortdauernd die
Phantasie der wiener Bevölkerung zu den abenteuerlichsten Geschichten,


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Stück in Leipzig den Vorwurf machte, es liebäugle zu sehr mit Preußen,
während man in Berlin darüber spöttelte, daß es z» sehr mit einem
allgemeinen Deutschland coguetlire. Den besten Mittelweg hat Oester¬
reich eingeschlagen, es hat das Stück ganz und gar verboten und ist des
einen wie des andern Vorwurfes quitt,

— Uebtrsehungslnstigen Verlagshandlungen können wir ein pikan¬
tes Buch empfehlen, das starrn Absatz in Deutschland finden wird; es
ist dies ein so eben erschienenes Werk von dem französischen Fechtmei¬
ster Grisier: I)«« -»-me« el. it» «luci. Grisier ist nicht nur der erste Fecht¬
künstler in Paris, sonder» wahrscheinlich der erste in ganz Europa. Es
lebt kein zweiter Mann, der bei so vielen Duellen zu Rathe gezogen
wurde, als Grisier. Sein Buch zerfallt in zwei Abtheilungen; die eine
ist eine Geschichte des Duells von den ältesten Zeiten bis auf die Ge¬
genwart, wobei namentlich eine Menge Thatsachen erzählt werden, die eben
so piquant als lehrreich für Denjenigen sind, der ein Mal in der un¬
glücklichen Lage ist, mit den Waffen in der Hand Genugthuung für eine
Beleidigung geben oder fordern zu müssen. Die zweite Hälfte ist eine
Waffen- und Fechttheorie. In Deutschland sind die Duelle mit dem
Stoßdegen glücklicherweise selten und nur noch auf zwei oder drei Uni¬
versitäten gebräuchlich; glücklicherweise! denn die deutsche Methode zu
stoßen ist eine brutale. Die deutschen Fechtmeister nennen die französische
Stoßart perfide, sie ist freilich fintenreicher, aber weniger lebensgefährlich ;
der deutsche Stoß geht von vorn herein darauf los, den Gegner
durch und durch zu spießen, der französische, flinker aber minder heftig,
will zunächst verwunden. Die Opfer der französischen Stoßduelle ver¬
halten sich zu den deutschen vielleicht nur wie drei zu acht. Die ganze
pariser Studentenschaft zahlt in den letzten zehn Jahren kaum so viel
Opfer, wie das kleine I"', Wenn es schon ein Mal Duelle geben
muß, so wäre es wünschenswert, daß Grisiers Methode mehr Eingang
in Deutschland fände. Das gri'siersche Werk ist übrigens mit Zeichnun¬
gen von Beaumont und mit einer Einleitung von Alerander Dumas
ausgestattet.

— Ein Freund schreibt uns aus Wien! Ich habe mir, Ihrem
Wunsche zufolge, alle mögliche Mühe gegeben, den, Ursprung des Ge¬
rüchts von dem Selbstmorde des Liguorianer Priors auf die Spur zu
- ich war jedoch nicht glücklich. Die Geschichte ist in der That
ein Mährchen, aber ein Mährchen, das von bedeutenden Personen ge¬
glaubt und wiedererzählt wurde und dadurch einigen Correspondenten als
authentisch erscheinen mochte. Die Liguorianer sind, wie Ihnen be¬
kannt, bei den mittlern und höhern Ständen sehr verhaßt; ihre finstere,
schwerfällige Tracht, ihr menschenscheues Wesen, das so auffallend von
der lebenshcitern Freundlichkeit unserer hiesigen Weltgeistlichkeit absticht,
sowie der Umstand, daß ihr Kloster mit seinen geheimnißvollen Mauern
in einem der belebtesten Stadttheile sich befindet, erregen fortdauernd die
Phantasie der wiener Bevölkerung zu den abenteuerlichsten Geschichten,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/231>, abgerufen am 24.11.2024.