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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Dieses allerhöchste Hofdecret hatte zur Folge, daß in der ständi¬
schen Versammlung im December 1845, ein besonderes Comite ernannt
worden ist, -- "dem die Berathung von wohlüberdachten Vorschlägen,
"auf welche wirksame und ehrerbietige Art die Stände die bedrohte
"Integrität ihrer hergebrachten Rechte und Privilegien zu schützen ver¬
möchten, auferlegt wurde." -- Was meine unmaßgebliche Ansicht
anbelangt, so bin ich der vollen Ueberzeugung, daß dieser Vorbehalt,
welcher in den Worten der Einleitung zur erneuerten Landesordnung:
"auch dabei Uns nicht allein die königliche Macht, solche
"unsere Landesordnung zu mehren, zu ändern, z>u bes¬
sern und was sonst das lvAl8 lerenlllle mit sich bringt
vorbehalten" -- gefunden wird -- auf die Integrität der ständi¬
schen Rechte und Privilegien gar keinen Einfluß äußern könne.

Wie aus der Geschichte zu ersehen ist, verdankt Böhmen seine
Vereinigung zu einem Staate der freien Wahl und Unterwerfung der
Mächtigen des Landes unter ein Oberhaupt, das anfänglich bei be¬
sondern Veranlassungen und Kriegen, später zur fortdauernden Sicher¬
heit für die Lebensdauer ernannt worden war. Da durch solche Un¬
terwerfung ein jeder der Mächtigen seine Rechtssphäre freiwillig ver¬
kleinerte, so machte er, wie natürlich, nach seinen speciellen Verhält¬
nissen verschiedene Bedingungen und Vorbehalte, die sich bald wegen
Gleichmäßigkeit der Interessen zu einer völligen Gleichartigkeit gestal¬
teten. Bei der formellen Uebertragung der Rechte der Regierung von
Seite der Unterthanen (der Krönung), übernahmen die neuen Herr¬
scher die Pflicht der Aufrechthaltung der ausdrücklich oder stillschwei¬
gend eingegangenen Bedingungen und die feierliche Angelobung der¬
selben bildete der Krönuugseid. Und so erscheinen König und
Stände (im Namen der Nation) als die beiden PaciScenten, die stän¬
dischen Rechte und Privilegien als die Bedingung der Existenz des
Staatsverbandes und keiner der Theile kann sich ohne widerrechtliche
Verletzung der Rechte des andern Theils weder von den übernomme¬
nen Pflichten losbinden, noch die Rechte desselben beeinträchtigen.

Daß dieses Verhältniß auch nach der Einführung der Erbfolge,
wie die später noch erfolgten Herrscherwahlen darthun, und selbst nach¬
dem Ferdinand II. sein Erbkönigreich Böhmen wiederum mit dem
Schwerte unter seine Gewalt und Gehorsam gebracht -- verblieben
ist, beweist der noch bestehende Krönungseid und die Krönungsceremo¬
nien, welche im Gegentheile zu einem nichtssagenden Pomp, zu einer
zweckwidrigen Bebürdung der Unterthanen herabsenken mußten. So


Dieses allerhöchste Hofdecret hatte zur Folge, daß in der ständi¬
schen Versammlung im December 1845, ein besonderes Comite ernannt
worden ist, — „dem die Berathung von wohlüberdachten Vorschlägen,
„auf welche wirksame und ehrerbietige Art die Stände die bedrohte
„Integrität ihrer hergebrachten Rechte und Privilegien zu schützen ver¬
möchten, auferlegt wurde." — Was meine unmaßgebliche Ansicht
anbelangt, so bin ich der vollen Ueberzeugung, daß dieser Vorbehalt,
welcher in den Worten der Einleitung zur erneuerten Landesordnung:
„auch dabei Uns nicht allein die königliche Macht, solche
„unsere Landesordnung zu mehren, zu ändern, z>u bes¬
sern und was sonst das lvAl8 lerenlllle mit sich bringt
vorbehalten" — gefunden wird — auf die Integrität der ständi¬
schen Rechte und Privilegien gar keinen Einfluß äußern könne.

Wie aus der Geschichte zu ersehen ist, verdankt Böhmen seine
Vereinigung zu einem Staate der freien Wahl und Unterwerfung der
Mächtigen des Landes unter ein Oberhaupt, das anfänglich bei be¬
sondern Veranlassungen und Kriegen, später zur fortdauernden Sicher¬
heit für die Lebensdauer ernannt worden war. Da durch solche Un¬
terwerfung ein jeder der Mächtigen seine Rechtssphäre freiwillig ver¬
kleinerte, so machte er, wie natürlich, nach seinen speciellen Verhält¬
nissen verschiedene Bedingungen und Vorbehalte, die sich bald wegen
Gleichmäßigkeit der Interessen zu einer völligen Gleichartigkeit gestal¬
teten. Bei der formellen Uebertragung der Rechte der Regierung von
Seite der Unterthanen (der Krönung), übernahmen die neuen Herr¬
scher die Pflicht der Aufrechthaltung der ausdrücklich oder stillschwei¬
gend eingegangenen Bedingungen und die feierliche Angelobung der¬
selben bildete der Krönuugseid. Und so erscheinen König und
Stände (im Namen der Nation) als die beiden PaciScenten, die stän¬
dischen Rechte und Privilegien als die Bedingung der Existenz des
Staatsverbandes und keiner der Theile kann sich ohne widerrechtliche
Verletzung der Rechte des andern Theils weder von den übernomme¬
nen Pflichten losbinden, noch die Rechte desselben beeinträchtigen.

Daß dieses Verhältniß auch nach der Einführung der Erbfolge,
wie die später noch erfolgten Herrscherwahlen darthun, und selbst nach¬
dem Ferdinand II. sein Erbkönigreich Böhmen wiederum mit dem
Schwerte unter seine Gewalt und Gehorsam gebracht — verblieben
ist, beweist der noch bestehende Krönungseid und die Krönungsceremo¬
nien, welche im Gegentheile zu einem nichtssagenden Pomp, zu einer
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/84>, abgerufen am 24.07.2024.