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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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das Brausen der Tannenwälder, das Leuchten der Glerscher und das
zitternde Thalgrün unseres Salzkammerguts. Hier versteht der Poet die
Wirkung des Ortes besser und tiefer als der Arzt und die Kranken
gehen geheilt, gekräftigt von bannen in-et^rv I", science. Ischl fehlt
nichts, um einer der ersten und berühmtesten Badeörter der Welt zu sein,
als daß einige französische Touristen oder im Nothfalle auch nur einige
der vielsing erigen und schlagfertigen Berliner Correspondenten hier einen
Sommer zubrachten; der Klassiker braucht einen Commentar, der Hafen
einen Leuchtthurm -- vonn, tout. Wie wenig leider die Regierung
für die Hebung und Verwahrung des reichen Schatzes thut, den die ge¬
segneten Heilquellen Oesterreichs dem Verkehre bringen und noch mehr
bringen könnten, ist in Ischl, wie in Carlsbad, in Gastein wie in Töp-
litz zu studiren. Während in Communal- und Provinzialdingen Alles
von der Regierung ausgehen und abhängig sein muß, sind die Badeorte
allein so glücklich eine Art 8k!kAovori>om<zod zu besitzen, hier allein läßt
man den Grundsatz bestehen aicko lui. et Jo viel t'iliävr". Fast Alles
muß von der Commune und von einigen Enthusiasten und wohlthätigen
Reichen ausgehen. So hat z. B. im Laufe des Sommers ein Wolken¬
bruch die Verbindung nach Gmunden zwei Tage unterbrochen und die
Nothwendigkeit die Straße höher anzulegen, ist deutlicher als je geworden.
Möge einer unserer trefflichen Prinzen, die doch Ischl zu ihrem Lieblinge
gemacht haben, ein gutes Wort für uns Alle einlegen, denen seit vier
bis fünfJahren Ischl ein Bedürfniß geworden, damit der künftige Som¬
mer unser Campanerthal neubelebt und gesichert findet.

Bis jetzt ist übrigens Ischl mehr ein K-ins- 8ouci für die aristokra¬
tische Welt als für die Mittelstände gewesen. Mit Ausnahme des Kai¬
sers und der Kaiserin war diesen Sommer fast der ganze Wiener Hof
hier und auch -- der regelmäßige Gast, die verwittwete Napoleonidin:
Marie Louise! Alle diese Herrschaften wohnten sehr bescheiden, da die
Anwesenheit der Königinnen von Preußen und Sachsen und der Gro߬
fürstin Helene, die Räume sehr in Anspruch nahmen und ihnen aus
Courtoisie und Gastfreundschaft das Beste eingeräumt wurde. Außer
diesen hohen Gästen und ihrem Gefolge bestand die Badegesellschaft fast
nur aus einigen Engländern und vielen Wienern und Ungarn. Franzo¬
sen und Gäste aus Mitteldeutschland sind hier weiße Naben. Erstere
würden hier auch schlecht wegkommen, da die Jschler sich noch nicht bis
zu Meidingers Grammaire emporgeschwungen haben. So z, B. ist es
charakteristisch, daß das hiesige Beamtcnpersonale, als es dem Großfürsten
Michael vorgestellt wurde, von ihm bald wieder entlassen ward, weil nur
Einer darunter war, der französisch verstand*).' Die literarische Welt
war durch Fürst Schwarzenberg (den Lanzknecht) Zedlitz und Hammer-
Purgstall vertreten; die Künstlerwelt durch Ernst, Wilmers, Dessauer und
den Maler Pollak aus Rom. Im Ganzen ist die Zahl der Gaste alle
Jahre im Zunehmen; die Preise sind überhaupt sehr mäßig und nur



*) Sollte der Großfürst nicht deutsch verstehen?

das Brausen der Tannenwälder, das Leuchten der Glerscher und das
zitternde Thalgrün unseres Salzkammerguts. Hier versteht der Poet die
Wirkung des Ortes besser und tiefer als der Arzt und die Kranken
gehen geheilt, gekräftigt von bannen in-et^rv I», science. Ischl fehlt
nichts, um einer der ersten und berühmtesten Badeörter der Welt zu sein,
als daß einige französische Touristen oder im Nothfalle auch nur einige
der vielsing erigen und schlagfertigen Berliner Correspondenten hier einen
Sommer zubrachten; der Klassiker braucht einen Commentar, der Hafen
einen Leuchtthurm — vonn, tout. Wie wenig leider die Regierung
für die Hebung und Verwahrung des reichen Schatzes thut, den die ge¬
segneten Heilquellen Oesterreichs dem Verkehre bringen und noch mehr
bringen könnten, ist in Ischl, wie in Carlsbad, in Gastein wie in Töp-
litz zu studiren. Während in Communal- und Provinzialdingen Alles
von der Regierung ausgehen und abhängig sein muß, sind die Badeorte
allein so glücklich eine Art 8k!kAovori>om<zod zu besitzen, hier allein läßt
man den Grundsatz bestehen aicko lui. et Jo viel t'iliävr». Fast Alles
muß von der Commune und von einigen Enthusiasten und wohlthätigen
Reichen ausgehen. So hat z. B. im Laufe des Sommers ein Wolken¬
bruch die Verbindung nach Gmunden zwei Tage unterbrochen und die
Nothwendigkeit die Straße höher anzulegen, ist deutlicher als je geworden.
Möge einer unserer trefflichen Prinzen, die doch Ischl zu ihrem Lieblinge
gemacht haben, ein gutes Wort für uns Alle einlegen, denen seit vier
bis fünfJahren Ischl ein Bedürfniß geworden, damit der künftige Som¬
mer unser Campanerthal neubelebt und gesichert findet.

Bis jetzt ist übrigens Ischl mehr ein K-ins- 8ouci für die aristokra¬
tische Welt als für die Mittelstände gewesen. Mit Ausnahme des Kai¬
sers und der Kaiserin war diesen Sommer fast der ganze Wiener Hof
hier und auch — der regelmäßige Gast, die verwittwete Napoleonidin:
Marie Louise! Alle diese Herrschaften wohnten sehr bescheiden, da die
Anwesenheit der Königinnen von Preußen und Sachsen und der Gro߬
fürstin Helene, die Räume sehr in Anspruch nahmen und ihnen aus
Courtoisie und Gastfreundschaft das Beste eingeräumt wurde. Außer
diesen hohen Gästen und ihrem Gefolge bestand die Badegesellschaft fast
nur aus einigen Engländern und vielen Wienern und Ungarn. Franzo¬
sen und Gäste aus Mitteldeutschland sind hier weiße Naben. Erstere
würden hier auch schlecht wegkommen, da die Jschler sich noch nicht bis
zu Meidingers Grammaire emporgeschwungen haben. So z, B. ist es
charakteristisch, daß das hiesige Beamtcnpersonale, als es dem Großfürsten
Michael vorgestellt wurde, von ihm bald wieder entlassen ward, weil nur
Einer darunter war, der französisch verstand*).' Die literarische Welt
war durch Fürst Schwarzenberg (den Lanzknecht) Zedlitz und Hammer-
Purgstall vertreten; die Künstlerwelt durch Ernst, Wilmers, Dessauer und
den Maler Pollak aus Rom. Im Ganzen ist die Zahl der Gaste alle
Jahre im Zunehmen; die Preise sind überhaupt sehr mäßig und nur



*) Sollte der Großfürst nicht deutsch verstehen?
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[0558] das Brausen der Tannenwälder, das Leuchten der Glerscher und das zitternde Thalgrün unseres Salzkammerguts. Hier versteht der Poet die Wirkung des Ortes besser und tiefer als der Arzt und die Kranken gehen geheilt, gekräftigt von bannen in-et^rv I», science. Ischl fehlt nichts, um einer der ersten und berühmtesten Badeörter der Welt zu sein, als daß einige französische Touristen oder im Nothfalle auch nur einige der vielsing erigen und schlagfertigen Berliner Correspondenten hier einen Sommer zubrachten; der Klassiker braucht einen Commentar, der Hafen einen Leuchtthurm — vonn, tout. Wie wenig leider die Regierung für die Hebung und Verwahrung des reichen Schatzes thut, den die ge¬ segneten Heilquellen Oesterreichs dem Verkehre bringen und noch mehr bringen könnten, ist in Ischl, wie in Carlsbad, in Gastein wie in Töp- litz zu studiren. Während in Communal- und Provinzialdingen Alles von der Regierung ausgehen und abhängig sein muß, sind die Badeorte allein so glücklich eine Art 8k!kAovori>om<zod zu besitzen, hier allein läßt man den Grundsatz bestehen aicko lui. et Jo viel t'iliävr». Fast Alles muß von der Commune und von einigen Enthusiasten und wohlthätigen Reichen ausgehen. So hat z. B. im Laufe des Sommers ein Wolken¬ bruch die Verbindung nach Gmunden zwei Tage unterbrochen und die Nothwendigkeit die Straße höher anzulegen, ist deutlicher als je geworden. Möge einer unserer trefflichen Prinzen, die doch Ischl zu ihrem Lieblinge gemacht haben, ein gutes Wort für uns Alle einlegen, denen seit vier bis fünfJahren Ischl ein Bedürfniß geworden, damit der künftige Som¬ mer unser Campanerthal neubelebt und gesichert findet. Bis jetzt ist übrigens Ischl mehr ein K-ins- 8ouci für die aristokra¬ tische Welt als für die Mittelstände gewesen. Mit Ausnahme des Kai¬ sers und der Kaiserin war diesen Sommer fast der ganze Wiener Hof hier und auch — der regelmäßige Gast, die verwittwete Napoleonidin: Marie Louise! Alle diese Herrschaften wohnten sehr bescheiden, da die Anwesenheit der Königinnen von Preußen und Sachsen und der Gro߬ fürstin Helene, die Räume sehr in Anspruch nahmen und ihnen aus Courtoisie und Gastfreundschaft das Beste eingeräumt wurde. Außer diesen hohen Gästen und ihrem Gefolge bestand die Badegesellschaft fast nur aus einigen Engländern und vielen Wienern und Ungarn. Franzo¬ sen und Gäste aus Mitteldeutschland sind hier weiße Naben. Erstere würden hier auch schlecht wegkommen, da die Jschler sich noch nicht bis zu Meidingers Grammaire emporgeschwungen haben. So z, B. ist es charakteristisch, daß das hiesige Beamtcnpersonale, als es dem Großfürsten Michael vorgestellt wurde, von ihm bald wieder entlassen ward, weil nur Einer darunter war, der französisch verstand*).' Die literarische Welt war durch Fürst Schwarzenberg (den Lanzknecht) Zedlitz und Hammer- Purgstall vertreten; die Künstlerwelt durch Ernst, Wilmers, Dessauer und den Maler Pollak aus Rom. Im Ganzen ist die Zahl der Gaste alle Jahre im Zunehmen; die Preise sind überhaupt sehr mäßig und nur *) Sollte der Großfürst nicht deutsch verstehen?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/558>, abgerufen am 24.07.2024.