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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Alters her gewohnt, in ihren Straßen zur Frühjahrs- und Herbst-
zeit durch dicke Kothschichte, zur Zeit des Winters über Schnee- oder
Eisrutschbahnen, während der Sommerhitze in Staubwolken zu wan¬
dern, die europäischen Großstädter sind ferner gewohnt, in ihren Rinn¬
steinen ein Ablager aller Küchenabfälle, in ihren Höfen die sonstigen
Haushaltsüberbleibsel zu erblicken. Sie empfangen regelmäßig durch
Auge und Nase die Eindrücke einer gemächlichen, gewöhnlich das Ta¬
geslicht nicht scheltenden Fortbewegung dieser Abfälle; deren Gährung
gleichzeitig wesentlich dazu beiträgt, die Besorgniß einer Uebervölkerung
zu minder". Die Aborte der Großstädter sind regelmäßig Gegenstände
einer der Gesundheit höchst nachtheiligen Abneigung für die Benutzen¬
den, des Schreckens für die Dienstleute; der Freude nur für -- nacht¬
eilige und Düngersabrikanten.

Nur in wenigen Städten bis jetzt hat man zu verbergen gesucht,
was Gesicht und Geruch auf das Empfindlichste verletzt, was die ur¬
sprüngliche Quelle vielen Siechthums und mannichfacher Unfälle ist.
Das für Hamburg entworfene und, ungeachtet der verschiedenartig¬
sten Anfeindungen, durch die unwiderstehliche Gewalt des gesunden
Sinns und praktischen Blicks der großen Mehrzahl der Bürger und
die Festigkeit der Behörden in's Leben getretene umfassende System
unterirdischer siete hat den Zweck, durch vollständige Abführung
aller Flüssigkeiten und sonstigen Abfälle, die Beseitigung der obigen
Nachtheile zu bewirken. Also

1) Die völlige AbWässerung der Häuser, Keller, Höfe der Stadt;
2) Die Trockenlegung und Reinhaltung der Oberfläche der Straßen;
3) Die Entfernung der durch Abfluß der bisherigen siete in die
Schifffahrtscanäle, entstehenden großen Unzuträglichkeiten.

Die Sielanlagen Hamburgs sind (soweit für jetzt beabsichtigt)
seit etwa 2 Jahren vollendet, und wer die Absicht hat, die Wahrheit
zu erforschen, so wie den guten Willen sie offen zu bekennen, der steige
in die siete Hamburgs hinab. Man wird sich überzeugen, daß sie
ihren Beruf vollständig erfüllen, denn sie entwässern Untergrund
und Keller, halten die Canäle für die Schifffahrt rein, haben die
Schlammkisten und Hasenmoore entbehrlich gemacht, haben Ausflüsse
der Aborte und Küchen in die Rinnsteine entfernt, den Straßenkoth
beseitigt, die Querrimisteine und den öffeiltlicheilUnrathtrailsport überflüs¬
sig gemacht u. s. w. Die Wahrheit der W-leer clnsets in allen Stockwerken ist
keine der unwichtigsten Folgen der neuen Sielanlagen gewesen. "Die neuen
siete haben, nach dem eigenen Geständnisse ihrer heftigsten früheren


Alters her gewohnt, in ihren Straßen zur Frühjahrs- und Herbst-
zeit durch dicke Kothschichte, zur Zeit des Winters über Schnee- oder
Eisrutschbahnen, während der Sommerhitze in Staubwolken zu wan¬
dern, die europäischen Großstädter sind ferner gewohnt, in ihren Rinn¬
steinen ein Ablager aller Küchenabfälle, in ihren Höfen die sonstigen
Haushaltsüberbleibsel zu erblicken. Sie empfangen regelmäßig durch
Auge und Nase die Eindrücke einer gemächlichen, gewöhnlich das Ta¬
geslicht nicht scheltenden Fortbewegung dieser Abfälle; deren Gährung
gleichzeitig wesentlich dazu beiträgt, die Besorgniß einer Uebervölkerung
zu minder». Die Aborte der Großstädter sind regelmäßig Gegenstände
einer der Gesundheit höchst nachtheiligen Abneigung für die Benutzen¬
den, des Schreckens für die Dienstleute; der Freude nur für — nacht¬
eilige und Düngersabrikanten.

Nur in wenigen Städten bis jetzt hat man zu verbergen gesucht,
was Gesicht und Geruch auf das Empfindlichste verletzt, was die ur¬
sprüngliche Quelle vielen Siechthums und mannichfacher Unfälle ist.
Das für Hamburg entworfene und, ungeachtet der verschiedenartig¬
sten Anfeindungen, durch die unwiderstehliche Gewalt des gesunden
Sinns und praktischen Blicks der großen Mehrzahl der Bürger und
die Festigkeit der Behörden in's Leben getretene umfassende System
unterirdischer siete hat den Zweck, durch vollständige Abführung
aller Flüssigkeiten und sonstigen Abfälle, die Beseitigung der obigen
Nachtheile zu bewirken. Also

1) Die völlige AbWässerung der Häuser, Keller, Höfe der Stadt;
2) Die Trockenlegung und Reinhaltung der Oberfläche der Straßen;
3) Die Entfernung der durch Abfluß der bisherigen siete in die
Schifffahrtscanäle, entstehenden großen Unzuträglichkeiten.

Die Sielanlagen Hamburgs sind (soweit für jetzt beabsichtigt)
seit etwa 2 Jahren vollendet, und wer die Absicht hat, die Wahrheit
zu erforschen, so wie den guten Willen sie offen zu bekennen, der steige
in die siete Hamburgs hinab. Man wird sich überzeugen, daß sie
ihren Beruf vollständig erfüllen, denn sie entwässern Untergrund
und Keller, halten die Canäle für die Schifffahrt rein, haben die
Schlammkisten und Hasenmoore entbehrlich gemacht, haben Ausflüsse
der Aborte und Küchen in die Rinnsteine entfernt, den Straßenkoth
beseitigt, die Querrimisteine und den öffeiltlicheilUnrathtrailsport überflüs¬
sig gemacht u. s. w. Die Wahrheit der W-leer clnsets in allen Stockwerken ist
keine der unwichtigsten Folgen der neuen Sielanlagen gewesen. "Die neuen
siete haben, nach dem eigenen Geständnisse ihrer heftigsten früheren


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[0054] Alters her gewohnt, in ihren Straßen zur Frühjahrs- und Herbst- zeit durch dicke Kothschichte, zur Zeit des Winters über Schnee- oder Eisrutschbahnen, während der Sommerhitze in Staubwolken zu wan¬ dern, die europäischen Großstädter sind ferner gewohnt, in ihren Rinn¬ steinen ein Ablager aller Küchenabfälle, in ihren Höfen die sonstigen Haushaltsüberbleibsel zu erblicken. Sie empfangen regelmäßig durch Auge und Nase die Eindrücke einer gemächlichen, gewöhnlich das Ta¬ geslicht nicht scheltenden Fortbewegung dieser Abfälle; deren Gährung gleichzeitig wesentlich dazu beiträgt, die Besorgniß einer Uebervölkerung zu minder». Die Aborte der Großstädter sind regelmäßig Gegenstände einer der Gesundheit höchst nachtheiligen Abneigung für die Benutzen¬ den, des Schreckens für die Dienstleute; der Freude nur für — nacht¬ eilige und Düngersabrikanten. Nur in wenigen Städten bis jetzt hat man zu verbergen gesucht, was Gesicht und Geruch auf das Empfindlichste verletzt, was die ur¬ sprüngliche Quelle vielen Siechthums und mannichfacher Unfälle ist. Das für Hamburg entworfene und, ungeachtet der verschiedenartig¬ sten Anfeindungen, durch die unwiderstehliche Gewalt des gesunden Sinns und praktischen Blicks der großen Mehrzahl der Bürger und die Festigkeit der Behörden in's Leben getretene umfassende System unterirdischer siete hat den Zweck, durch vollständige Abführung aller Flüssigkeiten und sonstigen Abfälle, die Beseitigung der obigen Nachtheile zu bewirken. Also 1) Die völlige AbWässerung der Häuser, Keller, Höfe der Stadt; 2) Die Trockenlegung und Reinhaltung der Oberfläche der Straßen; 3) Die Entfernung der durch Abfluß der bisherigen siete in die Schifffahrtscanäle, entstehenden großen Unzuträglichkeiten. Die Sielanlagen Hamburgs sind (soweit für jetzt beabsichtigt) seit etwa 2 Jahren vollendet, und wer die Absicht hat, die Wahrheit zu erforschen, so wie den guten Willen sie offen zu bekennen, der steige in die siete Hamburgs hinab. Man wird sich überzeugen, daß sie ihren Beruf vollständig erfüllen, denn sie entwässern Untergrund und Keller, halten die Canäle für die Schifffahrt rein, haben die Schlammkisten und Hasenmoore entbehrlich gemacht, haben Ausflüsse der Aborte und Küchen in die Rinnsteine entfernt, den Straßenkoth beseitigt, die Querrimisteine und den öffeiltlicheilUnrathtrailsport überflüs¬ sig gemacht u. s. w. Die Wahrheit der W-leer clnsets in allen Stockwerken ist keine der unwichtigsten Folgen der neuen Sielanlagen gewesen. "Die neuen siete haben, nach dem eigenen Geständnisse ihrer heftigsten früheren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/54>, abgerufen am 24.07.2024.