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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Buchhändler, welche so wenig ihren Stand achteten, daß ihnen jedes
Mittel recht war, um Gewinn zu machen. Ich blieb dabei, ich wollte
dereinst nur gediegene Manuscripte annehmen. Sah ich, wie so oft
junge Schriftsteller, die noch keinen Namen in der literarischen Welt
hatten, mit guten Werken von den Verlegern schnöde zurückgewiesen
wurden, so faßte ich schon damals den Entschluß, bei allen Manu-
scripten, die man mir zusenden würde, nur auf den Inhalt, und nicht
auf die berühmten oder unberühmter Namen ihrer Verfasser zu sehen.
Ich will den Leser nicht mit den Schicksalen, die ich während meiner
Lehrjahre erfuhr, langweilen, sondern nur sagen, daß auch ich die
Wahrheit des Sprüchwortes erfuhr: "Lehrjahre sind keine Herrenjahre ;"
und daß ich in dem Alter von vierundzwanzig Jahren, mit einem Ver¬
mögen von zehntausend Thalern, eine Verlagsbuchhandlung eröffnete.

Es eristirte in meinem Geburtsorte bereits seit drei Jahren eine
Theaterzeitschrift, die von einem tüchtigen und gebildeten Manne redi-
girt wurde. Diesem war es aber immer noch nicht gelungen, sich
Bahn zu brechen; die Zahl seiner Abonnenten war so gering, daß die
Einnahme kaum zur Bestreitung der Druckkoften hinreichte, vielweniger
dem Redacteur etwas abwarf. Es hatte sich deshalb auch kein Ver¬
leger zu dieser Zeitschrift gefunden, da es sich obendrein etliche litera¬
rische Straßenjungen angelegen sein ließen, den tüchtigen Redacteur
mit Koth zu werfen, was denn bei einem großen Theile des Publi-
cums, der solche ergötzliche Schauspiele einer gründlichen Forschung
vorzog, großen Anklang fand.

Ich las einige Nummern dieser Zeitschrift und fand darin gründ¬
liche und unparteiische Kritiken. Sogleich entschloß ich mich, den
Verlag derselben zu übernehmen, und versprach dem Redacteur ein
jährliches Honorar von vierhundert Thalern. Ich hatte die feste
Ueberzeugung, daß das Gute sich früher oder später Bahn brechen
würde durch all' den Schutt des Schlechten, der es zu begraben
drohte. Das Unternehmen begann. Ich ließ Probenummern drucken,
und wandte Alles an, um die Zahl der Abonnenten zu vermehren.
Doch der Neid der Redacteure anderer Thenterblätter wandte Alles
an, um mich zu Grunde zu richten; er konnte der guten Sache nichts
anhaben, drum machte er Persönlichkeiten lächerlich. Mein Redacteur
hatte zum Unglück Gesinnung: er lobte gute Leistungen, und tadelte
die schlechten ohne Rücksicht auf berühmte Namen, und so hatte er
bald nicht nur beinah sämmtliche andere Zeitschriften, sondern auch
Viele Mitglieder der Bühne gegen sich. Kurz das Unternehmen alß-


Buchhändler, welche so wenig ihren Stand achteten, daß ihnen jedes
Mittel recht war, um Gewinn zu machen. Ich blieb dabei, ich wollte
dereinst nur gediegene Manuscripte annehmen. Sah ich, wie so oft
junge Schriftsteller, die noch keinen Namen in der literarischen Welt
hatten, mit guten Werken von den Verlegern schnöde zurückgewiesen
wurden, so faßte ich schon damals den Entschluß, bei allen Manu-
scripten, die man mir zusenden würde, nur auf den Inhalt, und nicht
auf die berühmten oder unberühmter Namen ihrer Verfasser zu sehen.
Ich will den Leser nicht mit den Schicksalen, die ich während meiner
Lehrjahre erfuhr, langweilen, sondern nur sagen, daß auch ich die
Wahrheit des Sprüchwortes erfuhr: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre ;"
und daß ich in dem Alter von vierundzwanzig Jahren, mit einem Ver¬
mögen von zehntausend Thalern, eine Verlagsbuchhandlung eröffnete.

Es eristirte in meinem Geburtsorte bereits seit drei Jahren eine
Theaterzeitschrift, die von einem tüchtigen und gebildeten Manne redi-
girt wurde. Diesem war es aber immer noch nicht gelungen, sich
Bahn zu brechen; die Zahl seiner Abonnenten war so gering, daß die
Einnahme kaum zur Bestreitung der Druckkoften hinreichte, vielweniger
dem Redacteur etwas abwarf. Es hatte sich deshalb auch kein Ver¬
leger zu dieser Zeitschrift gefunden, da es sich obendrein etliche litera¬
rische Straßenjungen angelegen sein ließen, den tüchtigen Redacteur
mit Koth zu werfen, was denn bei einem großen Theile des Publi-
cums, der solche ergötzliche Schauspiele einer gründlichen Forschung
vorzog, großen Anklang fand.

Ich las einige Nummern dieser Zeitschrift und fand darin gründ¬
liche und unparteiische Kritiken. Sogleich entschloß ich mich, den
Verlag derselben zu übernehmen, und versprach dem Redacteur ein
jährliches Honorar von vierhundert Thalern. Ich hatte die feste
Ueberzeugung, daß das Gute sich früher oder später Bahn brechen
würde durch all' den Schutt des Schlechten, der es zu begraben
drohte. Das Unternehmen begann. Ich ließ Probenummern drucken,
und wandte Alles an, um die Zahl der Abonnenten zu vermehren.
Doch der Neid der Redacteure anderer Thenterblätter wandte Alles
an, um mich zu Grunde zu richten; er konnte der guten Sache nichts
anhaben, drum machte er Persönlichkeiten lächerlich. Mein Redacteur
hatte zum Unglück Gesinnung: er lobte gute Leistungen, und tadelte
die schlechten ohne Rücksicht auf berühmte Namen, und so hatte er
bald nicht nur beinah sämmtliche andere Zeitschriften, sondern auch
Viele Mitglieder der Bühne gegen sich. Kurz das Unternehmen alß-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/537>, abgerufen am 24.07.2024.