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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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den Commissionen, zum Beispiele die über Schiedsgerichte ward mit
Wehklagen empfangen, mit Wehklagen, daß dergleichen unpassende und
langweilige Erörterungen über mögliche Gesetze wieder vorkommen soll¬
ten. Die also Wehklagenden waren aber voraussichtlich das einzig
sichere Contingent für die nächste Versammlung, wahrscheinlich gar die
Majorität, welche durch sofortigen Beschluß die einzig möglichen in¬
haltsvollen Debatten ablehnen, der nächsten Versammlung also den
letzten Ankergrund entziehen konnte.

So war ein Bankerutt an Personen, ein Bankerutt an Inhalt
in Aussicht, und die Majorität der Commission -- Dr. Kühne war
verreist -- sah sich nunmehr genöthigt, wenn sie nicht im höheren
Sinne des Wortes gewissenlos eine sogenannte Vertretung der deut¬
schen Literatur dem nur zu wahrscheinlichen Spotte preisgeben wollte,
die Vertagung der zweiten Schriftsteller-Versammlung in's Auge zu
fassen. Sie konnte sich nun, da jegliche Unterstützung von außen, von
den vielen Hunderten deutscher Schriftsteller gänzlich ausblieb, -- sie
kounte sich nun im Grunde nicht mehr verläugnen, daß bei dem jetzigen
Stande der Dinge eine wirkliche deutsche Schriststellerversammlung eine
Unmöglichkeit geworden uno daß es wie in andern mit ausgebreiteter
Literatur gerüsteten Ländern nur eine Vereinigung von Schriftstellern
nach Fächern und Klassen geben könne.

Jetzt trat denn auch die Majorität der Commission zum ersten
Male mit dieser Ansicht vor den Literatenverein. Ein Moment war
noch hinzugekommen, ihr auch noch den letzten Schimmer von Aussicht
für Weimar auszulöschen. Eine Nachricht von dort hatte folgender¬
maßen gelautet: Der Chef des Ministeriums beschwert sich, daß man
nicht officiell anfrage, ob und was für eine Versammlung in Weimar
gehalten werden solle. Eine solche officielle Anfrage sei überall uner¬
läßlich, wo sich eine öffentlich geladene größere Versammlung von
außen her zusammenfinden wolle, um mehrtägige Berathung zu halten.
Die Anfrage aber, welche das Conn6-Mitglied Herr Dr. Kühne vor
Monaten an ihn gerichtet, sei nur gesprächsweise, nicht officiell ge¬
schehen und habe sich auf einen Anschluß auf die Herderfeier bezogen.
Diese Herderfeier, nicht von der Negierung, sondern vom Herrn Kanz¬
ler Mütter ausgehend, sei keineswegs sicher und es sei vielmehr wahr¬
scheinlich, daß sie nicht stattfinden könne, da der Regierung die Vorbe¬
reitungen zu einem Herderdenkmal durchaus nicht so weit gelangt er¬
schienen, um hinreichende Veranlassung für eine Grundsteinlegung zu
bieten. Eine besondere Versammlung von Schriftstellern in Weimar


den Commissionen, zum Beispiele die über Schiedsgerichte ward mit
Wehklagen empfangen, mit Wehklagen, daß dergleichen unpassende und
langweilige Erörterungen über mögliche Gesetze wieder vorkommen soll¬
ten. Die also Wehklagenden waren aber voraussichtlich das einzig
sichere Contingent für die nächste Versammlung, wahrscheinlich gar die
Majorität, welche durch sofortigen Beschluß die einzig möglichen in¬
haltsvollen Debatten ablehnen, der nächsten Versammlung also den
letzten Ankergrund entziehen konnte.

So war ein Bankerutt an Personen, ein Bankerutt an Inhalt
in Aussicht, und die Majorität der Commission — Dr. Kühne war
verreist — sah sich nunmehr genöthigt, wenn sie nicht im höheren
Sinne des Wortes gewissenlos eine sogenannte Vertretung der deut¬
schen Literatur dem nur zu wahrscheinlichen Spotte preisgeben wollte,
die Vertagung der zweiten Schriftsteller-Versammlung in's Auge zu
fassen. Sie konnte sich nun, da jegliche Unterstützung von außen, von
den vielen Hunderten deutscher Schriftsteller gänzlich ausblieb, — sie
kounte sich nun im Grunde nicht mehr verläugnen, daß bei dem jetzigen
Stande der Dinge eine wirkliche deutsche Schriststellerversammlung eine
Unmöglichkeit geworden uno daß es wie in andern mit ausgebreiteter
Literatur gerüsteten Ländern nur eine Vereinigung von Schriftstellern
nach Fächern und Klassen geben könne.

Jetzt trat denn auch die Majorität der Commission zum ersten
Male mit dieser Ansicht vor den Literatenverein. Ein Moment war
noch hinzugekommen, ihr auch noch den letzten Schimmer von Aussicht
für Weimar auszulöschen. Eine Nachricht von dort hatte folgender¬
maßen gelautet: Der Chef des Ministeriums beschwert sich, daß man
nicht officiell anfrage, ob und was für eine Versammlung in Weimar
gehalten werden solle. Eine solche officielle Anfrage sei überall uner¬
läßlich, wo sich eine öffentlich geladene größere Versammlung von
außen her zusammenfinden wolle, um mehrtägige Berathung zu halten.
Die Anfrage aber, welche das Conn6-Mitglied Herr Dr. Kühne vor
Monaten an ihn gerichtet, sei nur gesprächsweise, nicht officiell ge¬
schehen und habe sich auf einen Anschluß auf die Herderfeier bezogen.
Diese Herderfeier, nicht von der Negierung, sondern vom Herrn Kanz¬
ler Mütter ausgehend, sei keineswegs sicher und es sei vielmehr wahr¬
scheinlich, daß sie nicht stattfinden könne, da der Regierung die Vorbe¬
reitungen zu einem Herderdenkmal durchaus nicht so weit gelangt er¬
schienen, um hinreichende Veranlassung für eine Grundsteinlegung zu
bieten. Eine besondere Versammlung von Schriftstellern in Weimar


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[0524] den Commissionen, zum Beispiele die über Schiedsgerichte ward mit Wehklagen empfangen, mit Wehklagen, daß dergleichen unpassende und langweilige Erörterungen über mögliche Gesetze wieder vorkommen soll¬ ten. Die also Wehklagenden waren aber voraussichtlich das einzig sichere Contingent für die nächste Versammlung, wahrscheinlich gar die Majorität, welche durch sofortigen Beschluß die einzig möglichen in¬ haltsvollen Debatten ablehnen, der nächsten Versammlung also den letzten Ankergrund entziehen konnte. So war ein Bankerutt an Personen, ein Bankerutt an Inhalt in Aussicht, und die Majorität der Commission — Dr. Kühne war verreist — sah sich nunmehr genöthigt, wenn sie nicht im höheren Sinne des Wortes gewissenlos eine sogenannte Vertretung der deut¬ schen Literatur dem nur zu wahrscheinlichen Spotte preisgeben wollte, die Vertagung der zweiten Schriftsteller-Versammlung in's Auge zu fassen. Sie konnte sich nun, da jegliche Unterstützung von außen, von den vielen Hunderten deutscher Schriftsteller gänzlich ausblieb, — sie kounte sich nun im Grunde nicht mehr verläugnen, daß bei dem jetzigen Stande der Dinge eine wirkliche deutsche Schriststellerversammlung eine Unmöglichkeit geworden uno daß es wie in andern mit ausgebreiteter Literatur gerüsteten Ländern nur eine Vereinigung von Schriftstellern nach Fächern und Klassen geben könne. Jetzt trat denn auch die Majorität der Commission zum ersten Male mit dieser Ansicht vor den Literatenverein. Ein Moment war noch hinzugekommen, ihr auch noch den letzten Schimmer von Aussicht für Weimar auszulöschen. Eine Nachricht von dort hatte folgender¬ maßen gelautet: Der Chef des Ministeriums beschwert sich, daß man nicht officiell anfrage, ob und was für eine Versammlung in Weimar gehalten werden solle. Eine solche officielle Anfrage sei überall uner¬ läßlich, wo sich eine öffentlich geladene größere Versammlung von außen her zusammenfinden wolle, um mehrtägige Berathung zu halten. Die Anfrage aber, welche das Conn6-Mitglied Herr Dr. Kühne vor Monaten an ihn gerichtet, sei nur gesprächsweise, nicht officiell ge¬ schehen und habe sich auf einen Anschluß auf die Herderfeier bezogen. Diese Herderfeier, nicht von der Negierung, sondern vom Herrn Kanz¬ ler Mütter ausgehend, sei keineswegs sicher und es sei vielmehr wahr¬ scheinlich, daß sie nicht stattfinden könne, da der Regierung die Vorbe¬ reitungen zu einem Herderdenkmal durchaus nicht so weit gelangt er¬ schienen, um hinreichende Veranlassung für eine Grundsteinlegung zu bieten. Eine besondere Versammlung von Schriftstellern in Weimar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/524>, abgerufen am 24.07.2024.