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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Kaisers Leopold II. erhoben wurde, die vielleicht jetzt mehr als damals
drängten.

Zur Begründung ihrer hier ausgesprochenen festen Ueberzeugung
müssen sie zuvörderst auf die Worte des Patentes vom 6. April 1790
zurückgehen, welche dahin lauten:

"Die Wiedereinsetzung der, um einen beträchtlichen Theil ihrer Ein¬
künfte gebrachten Obrigkeiten in ihre rechtmäßigen Bezüge, ward uns
also einerseits zur Pflicht, andererseits fanden Wir dieselbe mit dem
Wohlstande der Unterthanen selbst innig verbunden, weil nur dadurch
das natürliche Band zwischen Herrn und Unterthan, woraus letzterem
so wesentliche Unterstützung in allen Umstanden zufließet, zum beiderseitig
gemeinschaftlichen Besten wieder hergestellt und befestigt werden kann/'

Die, Dominien haben, ungeachtet der sehr unvollkommenen Erfüll¬
ung obiger Ausicherung und ungeachtet der ungünstigsten Verhältnisse,
welche nachfolgten -- diesen Allerhöchsten Erwartungen entsprochen, denn
nur wenige wird der Vorwurf treffen können, daß sie den ihrer Obhut
und Verwaltung unterworfenen Gutsunterthanen in Fällen unverschul¬
deter Bedrängniß und Noth, Unterstützung verweigerten, daß sie ihre
verschiedenen Bedürfnisse, so weit sie darauf Einfluß nehmen durften,
und ihre Kräfte ausreichten, vernachlässigten; und daß sie von ihren ob¬
rigkeitlichen Befugnissen einen Mißbrauch machten.

Für die Wahrheit dieser Behauptung kann der Umstand das voll-
giltigste Zeugniß ablegen, daß noch einiges Vertrauen, noch einige An¬
hänglichkeit für diejenige Herrschaft vorhanden ist, welche alle Verord¬
nungen und höheren Befehle zu vollziehen hat, welche strafend und
verurtheilend auftreten, welche alle direkten und indirecten Steuern mit
unnachsichtlicher Strenge eintreiben, kurz, welche alle Bitterkeiten des
Lebens jenen Unterthanen empfinden lassen muß, die in den Kreisämtern
nur ihre bereitwilligen Vertreter gegen diese ihre Herrschaft erkennen, für
deren Ansprüche und Anforderungen im Zweifel, meistens die Ver¬
muthung der Unbilligkeit oder Ungerechtigkeit ausgesprochen wird.

Würde also dieses Gewicht nicht aufgewogen sein durch die unab-
weislichsten Ueberzeugungen vorwaltender Wohlthaten bei allen Gelegen¬
heiten, die, mehr als guten Rath, die Unterstützung und Hilfe erheischen;
so w-urbe bei eben dargestellten Verhältnissen alles Vertrauen schon längst
verschwunden und die Patrimonialgerichtsbarkeit zur Unmöglichkeit ge¬
worden sein.

Allerdings läßt der Wohlstand des Rufticalbesitzes Vieles zu wünschen
übrig; seine Befristung ist häusig zu gering, in andern Fällen spärlich
im Ertrage, in allen Fällen hoch belastet -- allein die darauf haftenden
Urbarialgiebigkeiten sind auf einen Zeitpunkt zurückzuführen, wo er zu
den Staatslasten nichts, oder nur sehr wenig beizusteuern hatte, und
es ist also nicht die Grundherrschaft, welche an seiner Ueberbürdung
Schuld trägt.

Wie diesen Mißverhaltnissen durch Auflösung des bestehenden Ver¬
bandes zwischen Obrigkeit und Unterthan, durch Aufhebung der Patri-


Kaisers Leopold II. erhoben wurde, die vielleicht jetzt mehr als damals
drängten.

Zur Begründung ihrer hier ausgesprochenen festen Ueberzeugung
müssen sie zuvörderst auf die Worte des Patentes vom 6. April 1790
zurückgehen, welche dahin lauten:

„Die Wiedereinsetzung der, um einen beträchtlichen Theil ihrer Ein¬
künfte gebrachten Obrigkeiten in ihre rechtmäßigen Bezüge, ward uns
also einerseits zur Pflicht, andererseits fanden Wir dieselbe mit dem
Wohlstande der Unterthanen selbst innig verbunden, weil nur dadurch
das natürliche Band zwischen Herrn und Unterthan, woraus letzterem
so wesentliche Unterstützung in allen Umstanden zufließet, zum beiderseitig
gemeinschaftlichen Besten wieder hergestellt und befestigt werden kann/'

Die, Dominien haben, ungeachtet der sehr unvollkommenen Erfüll¬
ung obiger Ausicherung und ungeachtet der ungünstigsten Verhältnisse,
welche nachfolgten — diesen Allerhöchsten Erwartungen entsprochen, denn
nur wenige wird der Vorwurf treffen können, daß sie den ihrer Obhut
und Verwaltung unterworfenen Gutsunterthanen in Fällen unverschul¬
deter Bedrängniß und Noth, Unterstützung verweigerten, daß sie ihre
verschiedenen Bedürfnisse, so weit sie darauf Einfluß nehmen durften,
und ihre Kräfte ausreichten, vernachlässigten; und daß sie von ihren ob¬
rigkeitlichen Befugnissen einen Mißbrauch machten.

Für die Wahrheit dieser Behauptung kann der Umstand das voll-
giltigste Zeugniß ablegen, daß noch einiges Vertrauen, noch einige An¬
hänglichkeit für diejenige Herrschaft vorhanden ist, welche alle Verord¬
nungen und höheren Befehle zu vollziehen hat, welche strafend und
verurtheilend auftreten, welche alle direkten und indirecten Steuern mit
unnachsichtlicher Strenge eintreiben, kurz, welche alle Bitterkeiten des
Lebens jenen Unterthanen empfinden lassen muß, die in den Kreisämtern
nur ihre bereitwilligen Vertreter gegen diese ihre Herrschaft erkennen, für
deren Ansprüche und Anforderungen im Zweifel, meistens die Ver¬
muthung der Unbilligkeit oder Ungerechtigkeit ausgesprochen wird.

Würde also dieses Gewicht nicht aufgewogen sein durch die unab-
weislichsten Ueberzeugungen vorwaltender Wohlthaten bei allen Gelegen¬
heiten, die, mehr als guten Rath, die Unterstützung und Hilfe erheischen;
so w-urbe bei eben dargestellten Verhältnissen alles Vertrauen schon längst
verschwunden und die Patrimonialgerichtsbarkeit zur Unmöglichkeit ge¬
worden sein.

Allerdings läßt der Wohlstand des Rufticalbesitzes Vieles zu wünschen
übrig; seine Befristung ist häusig zu gering, in andern Fällen spärlich
im Ertrage, in allen Fällen hoch belastet — allein die darauf haftenden
Urbarialgiebigkeiten sind auf einen Zeitpunkt zurückzuführen, wo er zu
den Staatslasten nichts, oder nur sehr wenig beizusteuern hatte, und
es ist also nicht die Grundherrschaft, welche an seiner Ueberbürdung
Schuld trägt.

Wie diesen Mißverhaltnissen durch Auflösung des bestehenden Ver¬
bandes zwischen Obrigkeit und Unterthan, durch Aufhebung der Patri-


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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/496>, abgerufen am 24.07.2024.