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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Weil ich grade von der Steiermark rede, muß ich Ihnen noch be¬
merken, daß die Wolkenbrüche der letzten Woche die dortige Bahn auf
einige Meilen weit unfahrbar gemacht haben, daß Damme und Brücken
weggerissen sind, und der Schaden, abgesehen davon, daß die Bahnzüge
vielleicht ein paar Monate lang unterbrochen sein werden, sich fast auf
eine halbe Million beläuft. Sie werden fragen- "ist die Bahn so schlecht
gebaut?" -- Darüber werde ich Ihnen in einem der nächsten Briefe
Aufschluß geben und ein paar interessante Geschichtchen erzählen. O es
gäbe eine Chronique scandaleuse und Mysterien der Eisenbahnen, die gewiß
viele Leser und viele staunende Leser fänden! Die Direktion unserer
Nordbahn geht jetzt mit einer Idee um, welche für die Sicherheit der
Reisenden sehr wohlthätig wirken könnte. Sie will nämlich jedem Loko¬
motivführer, welcher ein Jahr lang seine Maschine ohne den geringsten
Unfall führt, 100 Fi. (5. M. Gratification geben, nach zehnjährigen
unfallfreien Führen Krhält er 1VW Fi. baar und eine Medaille, so wie
auch dann der Staat um eine Auszeichnung angegangen werden soll. Man
erwartet davon um so mehr, als man weiß, wieviel Geld in der Tasche und
ein Ehrenzeichen auf der Brust bei dem Volke wirken.

Die mysteriöse, vielbesprochene Geschichte des ungarischen Advocaten
Büky von Felsöbük, welcher rasch auseinander verschiedene Orden und
Ehrenzeichen bekam, die dann aber wieder angefochten wurden und Büky
als einen Betrüger dargestellt, hat endlich einen frappanten, aber ebenfalls
mysteriösen Aufschluß erreicht. Büky mußte aus Befehl der ungarischen
Hofcanzlei und des Preßburger Comitates folgende merkwürdige Erklä¬
rung unterzeichnen, die ich als höchst interessant in wörtlicher Ueber¬
setzung aus dem Ungarischen Ihnen hier beifüge-


"Mehrere ausländische und auch inländische deutsche und unga¬
rische Zeitschriften enthielten die voreilige Nachricht, daß Unterzeichneter
mit dein k. k. Kämmerer-Titel, so auch mit ausländischen Orden und
Ehrenzeichen, als dem Großkreuz des k. sicilianischen Se. Ferdinand-
Ordens, dem badischen Orden der Treue, dem französischen Orden des
Se. Ludwig, ferner mit dem Diplom der Pariser Academie geschmückt,
außerdem vom Könige der Franzosen namhaft beschenkt worden sei --
diese Nachrichten sind grundlose Erdichtungen, aber der Unterzeichnete,
auf Privatwegen durch falsche Berichte und schmeichelhafte Versprechungen
getäuscht, bediente sich derselben dennoch ohne hinlängliche Prüfung und
Vorsicht, nun aber, die Unwürdigkeit der eiteln Verführung ein¬
sehend, hofft Unterzeichneter durch diese Bekanntmachung dem Publicum
für sein hinfüro zu beobachtendes ernsthaftes und gesetztes Benehmen
Ladislaus Büky v. Felsöbük." Gewähr zu leisten.

Wenn man diese Erklärung genauer ansieht, erscheint sie sogleich als
eine abgezwungene; es geht aus ihr hervor, daß Büky nur ein Betro¬
gener ist, und weiß man nun, daß Büky zur Zeit, als jene geheimni߬
vollen Schriften in seine Hände kamen, nach Wien reiste und nach seiner
Rückkehr dieser Ordensregen auf ihn einstürzte, bedenkt man ferner, daß


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Weil ich grade von der Steiermark rede, muß ich Ihnen noch be¬
merken, daß die Wolkenbrüche der letzten Woche die dortige Bahn auf
einige Meilen weit unfahrbar gemacht haben, daß Damme und Brücken
weggerissen sind, und der Schaden, abgesehen davon, daß die Bahnzüge
vielleicht ein paar Monate lang unterbrochen sein werden, sich fast auf
eine halbe Million beläuft. Sie werden fragen- „ist die Bahn so schlecht
gebaut?" — Darüber werde ich Ihnen in einem der nächsten Briefe
Aufschluß geben und ein paar interessante Geschichtchen erzählen. O es
gäbe eine Chronique scandaleuse und Mysterien der Eisenbahnen, die gewiß
viele Leser und viele staunende Leser fänden! Die Direktion unserer
Nordbahn geht jetzt mit einer Idee um, welche für die Sicherheit der
Reisenden sehr wohlthätig wirken könnte. Sie will nämlich jedem Loko¬
motivführer, welcher ein Jahr lang seine Maschine ohne den geringsten
Unfall führt, 100 Fi. (5. M. Gratification geben, nach zehnjährigen
unfallfreien Führen Krhält er 1VW Fi. baar und eine Medaille, so wie
auch dann der Staat um eine Auszeichnung angegangen werden soll. Man
erwartet davon um so mehr, als man weiß, wieviel Geld in der Tasche und
ein Ehrenzeichen auf der Brust bei dem Volke wirken.

Die mysteriöse, vielbesprochene Geschichte des ungarischen Advocaten
Büky von Felsöbük, welcher rasch auseinander verschiedene Orden und
Ehrenzeichen bekam, die dann aber wieder angefochten wurden und Büky
als einen Betrüger dargestellt, hat endlich einen frappanten, aber ebenfalls
mysteriösen Aufschluß erreicht. Büky mußte aus Befehl der ungarischen
Hofcanzlei und des Preßburger Comitates folgende merkwürdige Erklä¬
rung unterzeichnen, die ich als höchst interessant in wörtlicher Ueber¬
setzung aus dem Ungarischen Ihnen hier beifüge-


„Mehrere ausländische und auch inländische deutsche und unga¬
rische Zeitschriften enthielten die voreilige Nachricht, daß Unterzeichneter
mit dein k. k. Kämmerer-Titel, so auch mit ausländischen Orden und
Ehrenzeichen, als dem Großkreuz des k. sicilianischen Se. Ferdinand-
Ordens, dem badischen Orden der Treue, dem französischen Orden des
Se. Ludwig, ferner mit dem Diplom der Pariser Academie geschmückt,
außerdem vom Könige der Franzosen namhaft beschenkt worden sei —
diese Nachrichten sind grundlose Erdichtungen, aber der Unterzeichnete,
auf Privatwegen durch falsche Berichte und schmeichelhafte Versprechungen
getäuscht, bediente sich derselben dennoch ohne hinlängliche Prüfung und
Vorsicht, nun aber, die Unwürdigkeit der eiteln Verführung ein¬
sehend, hofft Unterzeichneter durch diese Bekanntmachung dem Publicum
für sein hinfüro zu beobachtendes ernsthaftes und gesetztes Benehmen
Ladislaus Büky v. Felsöbük." Gewähr zu leisten.

Wenn man diese Erklärung genauer ansieht, erscheint sie sogleich als
eine abgezwungene; es geht aus ihr hervor, daß Büky nur ein Betro¬
gener ist, und weiß man nun, daß Büky zur Zeit, als jene geheimni߬
vollen Schriften in seine Hände kamen, nach Wien reiste und nach seiner
Rückkehr dieser Ordensregen auf ihn einstürzte, bedenkt man ferner, daß


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[0441] Weil ich grade von der Steiermark rede, muß ich Ihnen noch be¬ merken, daß die Wolkenbrüche der letzten Woche die dortige Bahn auf einige Meilen weit unfahrbar gemacht haben, daß Damme und Brücken weggerissen sind, und der Schaden, abgesehen davon, daß die Bahnzüge vielleicht ein paar Monate lang unterbrochen sein werden, sich fast auf eine halbe Million beläuft. Sie werden fragen- „ist die Bahn so schlecht gebaut?" — Darüber werde ich Ihnen in einem der nächsten Briefe Aufschluß geben und ein paar interessante Geschichtchen erzählen. O es gäbe eine Chronique scandaleuse und Mysterien der Eisenbahnen, die gewiß viele Leser und viele staunende Leser fänden! Die Direktion unserer Nordbahn geht jetzt mit einer Idee um, welche für die Sicherheit der Reisenden sehr wohlthätig wirken könnte. Sie will nämlich jedem Loko¬ motivführer, welcher ein Jahr lang seine Maschine ohne den geringsten Unfall führt, 100 Fi. (5. M. Gratification geben, nach zehnjährigen unfallfreien Führen Krhält er 1VW Fi. baar und eine Medaille, so wie auch dann der Staat um eine Auszeichnung angegangen werden soll. Man erwartet davon um so mehr, als man weiß, wieviel Geld in der Tasche und ein Ehrenzeichen auf der Brust bei dem Volke wirken. Die mysteriöse, vielbesprochene Geschichte des ungarischen Advocaten Büky von Felsöbük, welcher rasch auseinander verschiedene Orden und Ehrenzeichen bekam, die dann aber wieder angefochten wurden und Büky als einen Betrüger dargestellt, hat endlich einen frappanten, aber ebenfalls mysteriösen Aufschluß erreicht. Büky mußte aus Befehl der ungarischen Hofcanzlei und des Preßburger Comitates folgende merkwürdige Erklä¬ rung unterzeichnen, die ich als höchst interessant in wörtlicher Ueber¬ setzung aus dem Ungarischen Ihnen hier beifüge- „Mehrere ausländische und auch inländische deutsche und unga¬ rische Zeitschriften enthielten die voreilige Nachricht, daß Unterzeichneter mit dein k. k. Kämmerer-Titel, so auch mit ausländischen Orden und Ehrenzeichen, als dem Großkreuz des k. sicilianischen Se. Ferdinand- Ordens, dem badischen Orden der Treue, dem französischen Orden des Se. Ludwig, ferner mit dem Diplom der Pariser Academie geschmückt, außerdem vom Könige der Franzosen namhaft beschenkt worden sei — diese Nachrichten sind grundlose Erdichtungen, aber der Unterzeichnete, auf Privatwegen durch falsche Berichte und schmeichelhafte Versprechungen getäuscht, bediente sich derselben dennoch ohne hinlängliche Prüfung und Vorsicht, nun aber, die Unwürdigkeit der eiteln Verführung ein¬ sehend, hofft Unterzeichneter durch diese Bekanntmachung dem Publicum für sein hinfüro zu beobachtendes ernsthaftes und gesetztes Benehmen Ladislaus Büky v. Felsöbük." Gewähr zu leisten. Wenn man diese Erklärung genauer ansieht, erscheint sie sogleich als eine abgezwungene; es geht aus ihr hervor, daß Büky nur ein Betro¬ gener ist, und weiß man nun, daß Büky zur Zeit, als jene geheimni߬ vollen Schriften in seine Hände kamen, nach Wien reiste und nach seiner Rückkehr dieser Ordensregen auf ihn einstürzte, bedenkt man ferner, daß 58-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/441>, abgerufen am 24.07.2024.