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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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ansässig gemacht haben, wo sie Steuern bezahlen und alle vom Staate
ihnen auferlegten Abgaben redlich entrichten, daß sie dort, wo sie Pflich¬
ten leisten, auch Rechte beanspruchen, Rechte, die nur darauf gehen,
Beschäftigung und Erwerb zu finden? Nicht blos die Handwerker,
sondern selbst die gewöhnlichen Handarbeiter haben, und zwar seit dem
Brande, den herübergeholten Engländern überall weichen müssen, wo
es anhaltend etwas zu verdienen gab. Der Hamburger mußte dar¬
ben, wo der Engländer oft seineu doppelten Verdienst einstrich. Und
warum holte man englische Arbeiter und englische Handwerker herüber?
Zufolge alter, verrosteter, längst durch deutschen Fleiß, durch deutsche
Geschicklichkeit unhaltbar gewordener Vorurtheile. Eine jesuitische Fe¬
der wollte die supplicirenden Handwerker dadurch in einem Localblatte
offenbar zurecht und zurückweisen, indem sie sich darauf berief, daß
man Münchener Maler nach London, italienische Künstler nach Paris
gerufen, daß deutsche Musiker in London vor den englischen geschätzt
würden. Darauf muß man ernstlich erwidern, daß Kunst und Hand¬
werk durchaus verschiedene Dinge sind, daß Beide auf wesentlich ver¬
schiedenen Gesetzen und Bedingungen beruhen, daß man eher hundert
tüchtige Handwerker, selbst in Deutschland, als einen tüchtigen Maler
finden kann. ES ist kaum glaublich, daß ein denkender Mann mit
solchen Beispielen die Hamburger Handwerker zurückschrecken wollen
kann; zurückschrecken, wo eben ein Ingenieur aus englischer Schule
die nutzlosen siete wirklich angelegt hat, wodurch Millionen verschwen¬
det worden, während Hamburger Baukünstler und Wasserbaumeister,
solchen Erfolg, solche nutzlose Arbeit vorhersagend und darthuend, für
einsichtslos und unfähig erklärt wurden, dergleichen zu würdigen. Die
Handelspolitik mag ihre Sache noch so eng und dankbar mit und ge¬
gen England betreiben, um sich zu bereichern, nur darf der Nichthan¬
deltreibende, der Handwerker nicht darunter leiden sollen.

Der Handel, soweit er hier in Betracht kommt, hat eine gewisse
Einseitigkeit, Gemächlichkeit und Behaglichkeit; es ist unendlich viel
leichter und ergiebiger, mit bequem gelegenen Fabricaten zu handeln,
sie zu vertreiben, als selbst zu fabriciren, das zu solchem Handel Nö¬
thige zu leisten; allein wer sagt denn, daß Hamburg sich selbst auch
nicht erheben soll in Hinsicht des Handwerks, der Industrie und Fa¬
brikation, daß es nicht selbstständig mit in Concurrenz treten kann und
soll? -- Welchen Flor könnte Hamburg noch außer seinem Handel
haben, wenn es selbst mitarbeiten und Fabriken halten wollte. Aber,


ansässig gemacht haben, wo sie Steuern bezahlen und alle vom Staate
ihnen auferlegten Abgaben redlich entrichten, daß sie dort, wo sie Pflich¬
ten leisten, auch Rechte beanspruchen, Rechte, die nur darauf gehen,
Beschäftigung und Erwerb zu finden? Nicht blos die Handwerker,
sondern selbst die gewöhnlichen Handarbeiter haben, und zwar seit dem
Brande, den herübergeholten Engländern überall weichen müssen, wo
es anhaltend etwas zu verdienen gab. Der Hamburger mußte dar¬
ben, wo der Engländer oft seineu doppelten Verdienst einstrich. Und
warum holte man englische Arbeiter und englische Handwerker herüber?
Zufolge alter, verrosteter, längst durch deutschen Fleiß, durch deutsche
Geschicklichkeit unhaltbar gewordener Vorurtheile. Eine jesuitische Fe¬
der wollte die supplicirenden Handwerker dadurch in einem Localblatte
offenbar zurecht und zurückweisen, indem sie sich darauf berief, daß
man Münchener Maler nach London, italienische Künstler nach Paris
gerufen, daß deutsche Musiker in London vor den englischen geschätzt
würden. Darauf muß man ernstlich erwidern, daß Kunst und Hand¬
werk durchaus verschiedene Dinge sind, daß Beide auf wesentlich ver¬
schiedenen Gesetzen und Bedingungen beruhen, daß man eher hundert
tüchtige Handwerker, selbst in Deutschland, als einen tüchtigen Maler
finden kann. ES ist kaum glaublich, daß ein denkender Mann mit
solchen Beispielen die Hamburger Handwerker zurückschrecken wollen
kann; zurückschrecken, wo eben ein Ingenieur aus englischer Schule
die nutzlosen siete wirklich angelegt hat, wodurch Millionen verschwen¬
det worden, während Hamburger Baukünstler und Wasserbaumeister,
solchen Erfolg, solche nutzlose Arbeit vorhersagend und darthuend, für
einsichtslos und unfähig erklärt wurden, dergleichen zu würdigen. Die
Handelspolitik mag ihre Sache noch so eng und dankbar mit und ge¬
gen England betreiben, um sich zu bereichern, nur darf der Nichthan¬
deltreibende, der Handwerker nicht darunter leiden sollen.

Der Handel, soweit er hier in Betracht kommt, hat eine gewisse
Einseitigkeit, Gemächlichkeit und Behaglichkeit; es ist unendlich viel
leichter und ergiebiger, mit bequem gelegenen Fabricaten zu handeln,
sie zu vertreiben, als selbst zu fabriciren, das zu solchem Handel Nö¬
thige zu leisten; allein wer sagt denn, daß Hamburg sich selbst auch
nicht erheben soll in Hinsicht des Handwerks, der Industrie und Fa¬
brikation, daß es nicht selbstständig mit in Concurrenz treten kann und
soll? — Welchen Flor könnte Hamburg noch außer seinem Handel
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[0436] ansässig gemacht haben, wo sie Steuern bezahlen und alle vom Staate ihnen auferlegten Abgaben redlich entrichten, daß sie dort, wo sie Pflich¬ ten leisten, auch Rechte beanspruchen, Rechte, die nur darauf gehen, Beschäftigung und Erwerb zu finden? Nicht blos die Handwerker, sondern selbst die gewöhnlichen Handarbeiter haben, und zwar seit dem Brande, den herübergeholten Engländern überall weichen müssen, wo es anhaltend etwas zu verdienen gab. Der Hamburger mußte dar¬ ben, wo der Engländer oft seineu doppelten Verdienst einstrich. Und warum holte man englische Arbeiter und englische Handwerker herüber? Zufolge alter, verrosteter, längst durch deutschen Fleiß, durch deutsche Geschicklichkeit unhaltbar gewordener Vorurtheile. Eine jesuitische Fe¬ der wollte die supplicirenden Handwerker dadurch in einem Localblatte offenbar zurecht und zurückweisen, indem sie sich darauf berief, daß man Münchener Maler nach London, italienische Künstler nach Paris gerufen, daß deutsche Musiker in London vor den englischen geschätzt würden. Darauf muß man ernstlich erwidern, daß Kunst und Hand¬ werk durchaus verschiedene Dinge sind, daß Beide auf wesentlich ver¬ schiedenen Gesetzen und Bedingungen beruhen, daß man eher hundert tüchtige Handwerker, selbst in Deutschland, als einen tüchtigen Maler finden kann. ES ist kaum glaublich, daß ein denkender Mann mit solchen Beispielen die Hamburger Handwerker zurückschrecken wollen kann; zurückschrecken, wo eben ein Ingenieur aus englischer Schule die nutzlosen siete wirklich angelegt hat, wodurch Millionen verschwen¬ det worden, während Hamburger Baukünstler und Wasserbaumeister, solchen Erfolg, solche nutzlose Arbeit vorhersagend und darthuend, für einsichtslos und unfähig erklärt wurden, dergleichen zu würdigen. Die Handelspolitik mag ihre Sache noch so eng und dankbar mit und ge¬ gen England betreiben, um sich zu bereichern, nur darf der Nichthan¬ deltreibende, der Handwerker nicht darunter leiden sollen. Der Handel, soweit er hier in Betracht kommt, hat eine gewisse Einseitigkeit, Gemächlichkeit und Behaglichkeit; es ist unendlich viel leichter und ergiebiger, mit bequem gelegenen Fabricaten zu handeln, sie zu vertreiben, als selbst zu fabriciren, das zu solchem Handel Nö¬ thige zu leisten; allein wer sagt denn, daß Hamburg sich selbst auch nicht erheben soll in Hinsicht des Handwerks, der Industrie und Fa¬ brikation, daß es nicht selbstständig mit in Concurrenz treten kann und soll? — Welchen Flor könnte Hamburg noch außer seinem Handel haben, wenn es selbst mitarbeiten und Fabriken halten wollte. Aber,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/436>, abgerufen am 24.07.2024.