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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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-- Die Polen siegen,-- rief sie und eilte in ihr Zimmer, um die Freu¬
denbotschaft noch ein Mal zu überlesen.-

-- Die Katze kann das Mausen nicht lassen!-- rief Heine,-- unddie
Franzosen sind glücklich, wenn es irgendwo eine Revolution, und wär's
in Peking, gibt, und gar gegen Rußland! ich glaube, wenn Luftballons
stabil wären, es verkaufen morgen dreißigtausend Pariser ihre Garde-
National-Uniform und fliegen nach Krakau.-- Wir sprachen lange
und kamen vom Hnnderisten in's Tausendste. Er frug mich, da ich
eben aus Italien kam, über mehrere italienische Städte, deren Ver¬
hältnisse und Politik, über Roms Schätze, die er leider nicht gesehen,
obgleich das Gerücht ganz ungegründet sei, daß ein Deutscher (er
meinte mit diesen trockenen Worten keinen Anderen als Börne) von
ihm schrieb, er habe Rom nicht besucht aus Furcht vor einigen ge¬
dungenen Stilettein

Ich erzählte ihm Manches vom italienischen Leben und Treiben,
von meinen sonstigen Reiseplänen, von meinen Hoffnungen, bald wieder
Deutschland zu sehen, und wie viele Deutsche in Paris mich darum
beneiden, weniger des Genusses als um des Stoffes willen, den jede
ähnliche Reise zu -- Neisenovellen und einbändigen Skizzen gibt.
-- Setzen Sie sich doch gütigst hier herüber,-- unterbrach er mich, -- ich
höre nicht auf dieser Seite. Ich beneide Sie auch, -- sagte er dann
mit einem rührend-ernsten Ton, den ich dann nie wieder von ihm hörte,
-- denke ich zurück, wie jung ich damals war, als ich das Alles so
schön gesehen, mit welcher Liebe ich es geschrieben und von welchen
elenden Recensenten ich herabgerissen wurde, dann sehe ich erst, welches
Glück ich immer gehabt habe und -- nimmer haben werde. -- Machen
Sie unsere Hoffnung nicht zu Schanden,-- rief ich, seine Hand innig
fassend; --was liegt auch an den scheelsüchtigen Urtheilen! Der edle
Hirsch hat immer die Meute unter sich, und je vollzähliger das Geweih,
desto eifriger die Hetze, desto lauter das Gebell. Deutschland erwartet,
wenn auch noch nicht Ihre Memoiren, doch wenigstens -- O, es ist
aus,-- unterbrach er mich wieder, schmerzlich lächelnd, -- es ist aus!
was soll ich mit einem halben Hirne anfangen, was mit einem halben
Herzen schreiben? Ich überlasse es den Andern,-- schloß er höhnisch
lächelnd und der ganze Heimische Egoismus schwamm in diesem Lächeln.
-- Es ist wahr,-- erwiederte ich etwas verletzt durch den Eigendünkel
dieses Mannes, der durch kleinliche Züge oft den großen Dichter ver¬
gessen machte, -- Sie haben es ihnen Allen, wenn auch nicht verdorben,
doch sehr erschwert; es erreicht Keiner die Prosa von Hüne, reden wir in


— Die Polen siegen,— rief sie und eilte in ihr Zimmer, um die Freu¬
denbotschaft noch ein Mal zu überlesen.-

— Die Katze kann das Mausen nicht lassen!— rief Heine,— unddie
Franzosen sind glücklich, wenn es irgendwo eine Revolution, und wär's
in Peking, gibt, und gar gegen Rußland! ich glaube, wenn Luftballons
stabil wären, es verkaufen morgen dreißigtausend Pariser ihre Garde-
National-Uniform und fliegen nach Krakau.— Wir sprachen lange
und kamen vom Hnnderisten in's Tausendste. Er frug mich, da ich
eben aus Italien kam, über mehrere italienische Städte, deren Ver¬
hältnisse und Politik, über Roms Schätze, die er leider nicht gesehen,
obgleich das Gerücht ganz ungegründet sei, daß ein Deutscher (er
meinte mit diesen trockenen Worten keinen Anderen als Börne) von
ihm schrieb, er habe Rom nicht besucht aus Furcht vor einigen ge¬
dungenen Stilettein

Ich erzählte ihm Manches vom italienischen Leben und Treiben,
von meinen sonstigen Reiseplänen, von meinen Hoffnungen, bald wieder
Deutschland zu sehen, und wie viele Deutsche in Paris mich darum
beneiden, weniger des Genusses als um des Stoffes willen, den jede
ähnliche Reise zu — Neisenovellen und einbändigen Skizzen gibt.
— Setzen Sie sich doch gütigst hier herüber,— unterbrach er mich, — ich
höre nicht auf dieser Seite. Ich beneide Sie auch, — sagte er dann
mit einem rührend-ernsten Ton, den ich dann nie wieder von ihm hörte,
— denke ich zurück, wie jung ich damals war, als ich das Alles so
schön gesehen, mit welcher Liebe ich es geschrieben und von welchen
elenden Recensenten ich herabgerissen wurde, dann sehe ich erst, welches
Glück ich immer gehabt habe und — nimmer haben werde. — Machen
Sie unsere Hoffnung nicht zu Schanden,— rief ich, seine Hand innig
fassend; —was liegt auch an den scheelsüchtigen Urtheilen! Der edle
Hirsch hat immer die Meute unter sich, und je vollzähliger das Geweih,
desto eifriger die Hetze, desto lauter das Gebell. Deutschland erwartet,
wenn auch noch nicht Ihre Memoiren, doch wenigstens — O, es ist
aus,— unterbrach er mich wieder, schmerzlich lächelnd, — es ist aus!
was soll ich mit einem halben Hirne anfangen, was mit einem halben
Herzen schreiben? Ich überlasse es den Andern,— schloß er höhnisch
lächelnd und der ganze Heimische Egoismus schwamm in diesem Lächeln.
— Es ist wahr,— erwiederte ich etwas verletzt durch den Eigendünkel
dieses Mannes, der durch kleinliche Züge oft den großen Dichter ver¬
gessen machte, — Sie haben es ihnen Allen, wenn auch nicht verdorben,
doch sehr erschwert; es erreicht Keiner die Prosa von Hüne, reden wir in


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[0345] — Die Polen siegen,— rief sie und eilte in ihr Zimmer, um die Freu¬ denbotschaft noch ein Mal zu überlesen.- — Die Katze kann das Mausen nicht lassen!— rief Heine,— unddie Franzosen sind glücklich, wenn es irgendwo eine Revolution, und wär's in Peking, gibt, und gar gegen Rußland! ich glaube, wenn Luftballons stabil wären, es verkaufen morgen dreißigtausend Pariser ihre Garde- National-Uniform und fliegen nach Krakau.— Wir sprachen lange und kamen vom Hnnderisten in's Tausendste. Er frug mich, da ich eben aus Italien kam, über mehrere italienische Städte, deren Ver¬ hältnisse und Politik, über Roms Schätze, die er leider nicht gesehen, obgleich das Gerücht ganz ungegründet sei, daß ein Deutscher (er meinte mit diesen trockenen Worten keinen Anderen als Börne) von ihm schrieb, er habe Rom nicht besucht aus Furcht vor einigen ge¬ dungenen Stilettein Ich erzählte ihm Manches vom italienischen Leben und Treiben, von meinen sonstigen Reiseplänen, von meinen Hoffnungen, bald wieder Deutschland zu sehen, und wie viele Deutsche in Paris mich darum beneiden, weniger des Genusses als um des Stoffes willen, den jede ähnliche Reise zu — Neisenovellen und einbändigen Skizzen gibt. — Setzen Sie sich doch gütigst hier herüber,— unterbrach er mich, — ich höre nicht auf dieser Seite. Ich beneide Sie auch, — sagte er dann mit einem rührend-ernsten Ton, den ich dann nie wieder von ihm hörte, — denke ich zurück, wie jung ich damals war, als ich das Alles so schön gesehen, mit welcher Liebe ich es geschrieben und von welchen elenden Recensenten ich herabgerissen wurde, dann sehe ich erst, welches Glück ich immer gehabt habe und — nimmer haben werde. — Machen Sie unsere Hoffnung nicht zu Schanden,— rief ich, seine Hand innig fassend; —was liegt auch an den scheelsüchtigen Urtheilen! Der edle Hirsch hat immer die Meute unter sich, und je vollzähliger das Geweih, desto eifriger die Hetze, desto lauter das Gebell. Deutschland erwartet, wenn auch noch nicht Ihre Memoiren, doch wenigstens — O, es ist aus,— unterbrach er mich wieder, schmerzlich lächelnd, — es ist aus! was soll ich mit einem halben Hirne anfangen, was mit einem halben Herzen schreiben? Ich überlasse es den Andern,— schloß er höhnisch lächelnd und der ganze Heimische Egoismus schwamm in diesem Lächeln. — Es ist wahr,— erwiederte ich etwas verletzt durch den Eigendünkel dieses Mannes, der durch kleinliche Züge oft den großen Dichter ver¬ gessen machte, — Sie haben es ihnen Allen, wenn auch nicht verdorben, doch sehr erschwert; es erreicht Keiner die Prosa von Hüne, reden wir in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/345>, abgerufen am 24.07.2024.