Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.von den eigenen Bundesgenossen und so Gott will Befreiern gerissenen Die Engländer haben nichts von Helgoland, als Hummern. Sie von den eigenen Bundesgenossen und so Gott will Befreiern gerissenen Die Engländer haben nichts von Helgoland, als Hummern. Sie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0023" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183044"/> <p xml:id="ID_27" prev="#ID_26"> von den eigenen Bundesgenossen und so Gott will Befreiern gerissenen<lb/> Wunden mit seinen, eigenen Fleische flicken. Und wie uns diese Dänen,<lb/> seit wir ihnen, trotz ihres Sundzolls, trotz ihrer Doppelzüngigkeit in<lb/> den napoleonischen Kriegen, trotz ihres Verraths an den Hamburgern,<lb/> ihren zerfetzten Königsmantel so gutmüthig wieder zusammenstücken<lb/> halfen, unsere nachbarliche Huld gelohnt, davon singen von 1815<lb/> bis 1846 die Sperlinge ans den Dächern! Politisch sehen wir darum<lb/> nicht scheel, daß Helgoland englisch ist und John Bull die schönsten<lb/> Hummern zu seinem Porter verzehrt. Hätten sie zuletzt — doch wir<lb/> wollen nicht freveln; aber es lebt, spricht und fühlt sich frei in der<lb/> englischen Lust von Helgoland! Diese Luft ist so commode, so com-<lb/> fortable, man kann sich darin so strecken und dehnen, fast hätte ich<lb/> gesagt wälzen, wenn man nicht im Norden vom Wälzen in der freien<lb/> Luft Schnupfen bekäme. Wie engherzig sind die Staatsmänner, die<lb/> dem Norddeutschen die Luft der Freiheit nicht gönnen wollen! Wir<lb/> sind durch unser Klima und unsern gesammten Lebenszuschnitt schon<lb/> so vorsichtig, so ertremscheu, so an das politische und diätetische Stu¬<lb/> benleben gewöhnt, daß wir wahrlich mit einem Minimum von freige¬<lb/> gebener Lust, allenfalls um darin täglich eine Stunde spazieren zu<lb/> gehen, zufrieden gewesen wären.</p><lb/> <p xml:id="ID_28" next="#ID_29"> Die Engländer haben nichts von Helgoland, als Hummern. Sie<lb/> heben nicht einmal Recruten aus, blos Hummern. Das Necrutenmaß<lb/> eines Hummers ist achtzehn Zoll! hat er die, dann wandert er, ohne<lb/> einen Stellvertreter ausbringen zu dürfen, nach England, um dort<lb/> vom Kriegs« und andern Ministern, auch Jhro victorlösen Majestät,<lb/> Königin Victoria, oder jedem sonstigen Engländer, der ihn bezahlen<lb/> kann, verspeist zu werden. Und da es einmal HnmmerlooS ist, ver¬<lb/> speist zu werden, so resignirt sich der Hummer und lebt so glücklich<lb/> als englischer Unterthan, wie er vormals als Dänischer gelebt hat.<lb/> Denn er mußte empfinden, daß die dänische Regierung so gute Zähne<lb/> hatte und in ihn hineinbiß, als nun die englische. Und was von<lb/> Hummern nicht für voll angesehen wird, um unter einen englischen<lb/> Zahn zu kommen, das kommt unter deutsche, unter Hamburger, bremer<lb/> und hannöverische Zähne. Die deutschen Zähne sind sanft, wie die<lb/> deutschen Herzen, aber auch sie beißen. Deutsches Mitgefühl geht<lb/> bekanntlich weit, aber vor einer guten Mahlzeit hält es gewöhnlich<lb/> still, resignirt sich und beißt ein. Und doch hat der Hummer auch<lb/> da noch einen Trost, wo ihn Alles, wo ihn sogar das deutsche Mit¬<lb/> leid verläßt. Die Hummern, die vom deutschen Zahne verschont wer-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0023]
von den eigenen Bundesgenossen und so Gott will Befreiern gerissenen
Wunden mit seinen, eigenen Fleische flicken. Und wie uns diese Dänen,
seit wir ihnen, trotz ihres Sundzolls, trotz ihrer Doppelzüngigkeit in
den napoleonischen Kriegen, trotz ihres Verraths an den Hamburgern,
ihren zerfetzten Königsmantel so gutmüthig wieder zusammenstücken
halfen, unsere nachbarliche Huld gelohnt, davon singen von 1815
bis 1846 die Sperlinge ans den Dächern! Politisch sehen wir darum
nicht scheel, daß Helgoland englisch ist und John Bull die schönsten
Hummern zu seinem Porter verzehrt. Hätten sie zuletzt — doch wir
wollen nicht freveln; aber es lebt, spricht und fühlt sich frei in der
englischen Lust von Helgoland! Diese Luft ist so commode, so com-
fortable, man kann sich darin so strecken und dehnen, fast hätte ich
gesagt wälzen, wenn man nicht im Norden vom Wälzen in der freien
Luft Schnupfen bekäme. Wie engherzig sind die Staatsmänner, die
dem Norddeutschen die Luft der Freiheit nicht gönnen wollen! Wir
sind durch unser Klima und unsern gesammten Lebenszuschnitt schon
so vorsichtig, so ertremscheu, so an das politische und diätetische Stu¬
benleben gewöhnt, daß wir wahrlich mit einem Minimum von freige¬
gebener Lust, allenfalls um darin täglich eine Stunde spazieren zu
gehen, zufrieden gewesen wären.
Die Engländer haben nichts von Helgoland, als Hummern. Sie
heben nicht einmal Recruten aus, blos Hummern. Das Necrutenmaß
eines Hummers ist achtzehn Zoll! hat er die, dann wandert er, ohne
einen Stellvertreter ausbringen zu dürfen, nach England, um dort
vom Kriegs« und andern Ministern, auch Jhro victorlösen Majestät,
Königin Victoria, oder jedem sonstigen Engländer, der ihn bezahlen
kann, verspeist zu werden. Und da es einmal HnmmerlooS ist, ver¬
speist zu werden, so resignirt sich der Hummer und lebt so glücklich
als englischer Unterthan, wie er vormals als Dänischer gelebt hat.
Denn er mußte empfinden, daß die dänische Regierung so gute Zähne
hatte und in ihn hineinbiß, als nun die englische. Und was von
Hummern nicht für voll angesehen wird, um unter einen englischen
Zahn zu kommen, das kommt unter deutsche, unter Hamburger, bremer
und hannöverische Zähne. Die deutschen Zähne sind sanft, wie die
deutschen Herzen, aber auch sie beißen. Deutsches Mitgefühl geht
bekanntlich weit, aber vor einer guten Mahlzeit hält es gewöhnlich
still, resignirt sich und beißt ein. Und doch hat der Hummer auch
da noch einen Trost, wo ihn Alles, wo ihn sogar das deutsche Mit¬
leid verläßt. Die Hummern, die vom deutschen Zahne verschont wer-
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