Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ohne Ausnahme erloschen; verfassungsmäßig sind ihm keine verblie¬
ben, er besitzt keine anderen, als die ihm uoch die Erinnerung zollt
und die er sich durch seinen persönlichen Werth erwirbt," Herr Bü-
low-Cummcrow hat bekanntlich seine aristokratische Vorliebe immer
ganz offen zur Schau getragen. Seiner Behauptung gegenüber
versucht Ludwig Buhl in seiner Schrift: "Die Herrschaft des Ge-
burtö- und Bodenprivilegiumö in Preußen" durch eine historische Be¬
trachtung des Verlaufs der agrarischen Gesetzgebung und der Ent¬
wicklung der preußischen Verfassung eine richtige Schätzung sowohl
der Vorrechte, die der Adel eingebüßt hat, als derjenigen, die ihm ver¬
blieben sind, oder die er neu erworben hat, zu gewinnen. Er kommt
dann (S. 69) zu dem ganz entgegengesetzten Resultate: "daß der
Adel kein einziges seiner persönlichen Vorrechte verloren hat, und
daß, wenn er Verluste erlitten, diese nur sein Privilegium des großen
Grundbesitzes betroffen haben." Ferner: "daß dem Adel zwar die Er-
elusivität des großen Grundbesitzes genommen worden, daß aber dem
großen Grundbesitze alle wesentlichen Privilegien verblieben sind, und
daß sich auf der Grundlage des geöffneten, großen Grundbesitzes eine
neue Aristokratie gebildet hat, nämlich eine reine Boden-
aristok r a tie." Endlich: "daß der Geburtsadel durch die Klasse der
Standesherren einen ansehnlichen, mit sehr bedeutenden Privilegien
bevorzugten Zuwachs erhalten hat."

Es ist hier nicht unsere Sache, die politische Bedeutung des Adels
in Preußen speciell zu untersuchen und zu verfolgen, gewiß ist es, daß
noch ausschließliche Auszeichnungen und Begünstigungen mit ihm ver¬
bunden sind und daß dieselben äußere Ehre und äußeres Ansehen zur
Folge haben. So ist denn auch das aristokratische Element eine be¬
sondere und hervorragende Erscheinung in der Welt Berlins; es läßt
sich eben sowohl in seiner principiell-thätigen, als blos vegetativ-genie¬
ßenden Absicht erkennen? Trotz der Einbuße manchen Vorrechtes
ist ihm noch ein bedeutender Einfluß in der Staatsverwaltung geblie¬
ben und selbst Herr v. Bülow-Cummerow muß gestehen: "daß der zahl¬
reiche Adel in Preußen immer noch einen indirecten Einfluß auf das
Ganze habe." Dieser Einfluß tritt in der berliner Welt deutlich ge¬
nug hervor. Speciell macht sich hier besonders das märkische Adels-
thum geltend, welches Heine sehr richtig in den "ukermärkischen
Granden" charakteristrt und welches noch jüngst in der augsburger
Allgemeinen Zeitung so treffend dargestellt wurde. Die Bekleidung


ohne Ausnahme erloschen; verfassungsmäßig sind ihm keine verblie¬
ben, er besitzt keine anderen, als die ihm uoch die Erinnerung zollt
und die er sich durch seinen persönlichen Werth erwirbt," Herr Bü-
low-Cummcrow hat bekanntlich seine aristokratische Vorliebe immer
ganz offen zur Schau getragen. Seiner Behauptung gegenüber
versucht Ludwig Buhl in seiner Schrift: „Die Herrschaft des Ge-
burtö- und Bodenprivilegiumö in Preußen" durch eine historische Be¬
trachtung des Verlaufs der agrarischen Gesetzgebung und der Ent¬
wicklung der preußischen Verfassung eine richtige Schätzung sowohl
der Vorrechte, die der Adel eingebüßt hat, als derjenigen, die ihm ver¬
blieben sind, oder die er neu erworben hat, zu gewinnen. Er kommt
dann (S. 69) zu dem ganz entgegengesetzten Resultate: „daß der
Adel kein einziges seiner persönlichen Vorrechte verloren hat, und
daß, wenn er Verluste erlitten, diese nur sein Privilegium des großen
Grundbesitzes betroffen haben." Ferner: „daß dem Adel zwar die Er-
elusivität des großen Grundbesitzes genommen worden, daß aber dem
großen Grundbesitze alle wesentlichen Privilegien verblieben sind, und
daß sich auf der Grundlage des geöffneten, großen Grundbesitzes eine
neue Aristokratie gebildet hat, nämlich eine reine Boden-
aristok r a tie." Endlich: „daß der Geburtsadel durch die Klasse der
Standesherren einen ansehnlichen, mit sehr bedeutenden Privilegien
bevorzugten Zuwachs erhalten hat."

Es ist hier nicht unsere Sache, die politische Bedeutung des Adels
in Preußen speciell zu untersuchen und zu verfolgen, gewiß ist es, daß
noch ausschließliche Auszeichnungen und Begünstigungen mit ihm ver¬
bunden sind und daß dieselben äußere Ehre und äußeres Ansehen zur
Folge haben. So ist denn auch das aristokratische Element eine be¬
sondere und hervorragende Erscheinung in der Welt Berlins; es läßt
sich eben sowohl in seiner principiell-thätigen, als blos vegetativ-genie¬
ßenden Absicht erkennen? Trotz der Einbuße manchen Vorrechtes
ist ihm noch ein bedeutender Einfluß in der Staatsverwaltung geblie¬
ben und selbst Herr v. Bülow-Cummerow muß gestehen: „daß der zahl¬
reiche Adel in Preußen immer noch einen indirecten Einfluß auf das
Ganze habe." Dieser Einfluß tritt in der berliner Welt deutlich ge¬
nug hervor. Speciell macht sich hier besonders das märkische Adels-
thum geltend, welches Heine sehr richtig in den „ukermärkischen
Granden" charakteristrt und welches noch jüngst in der augsburger
Allgemeinen Zeitung so treffend dargestellt wurde. Die Bekleidung


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0207" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183228"/>
          <p xml:id="ID_564" prev="#ID_563"> ohne Ausnahme erloschen; verfassungsmäßig sind ihm keine verblie¬<lb/>
ben, er besitzt keine anderen, als die ihm uoch die Erinnerung zollt<lb/>
und die er sich durch seinen persönlichen Werth erwirbt," Herr Bü-<lb/>
low-Cummcrow hat bekanntlich seine aristokratische Vorliebe immer<lb/>
ganz offen zur Schau getragen. Seiner Behauptung gegenüber<lb/>
versucht Ludwig Buhl in seiner Schrift: &#x201E;Die Herrschaft des Ge-<lb/>
burtö- und Bodenprivilegiumö in Preußen" durch eine historische Be¬<lb/>
trachtung des Verlaufs der agrarischen Gesetzgebung und der Ent¬<lb/>
wicklung der preußischen Verfassung eine richtige Schätzung sowohl<lb/>
der Vorrechte, die der Adel eingebüßt hat, als derjenigen, die ihm ver¬<lb/>
blieben sind, oder die er neu erworben hat, zu gewinnen. Er kommt<lb/>
dann (S. 69) zu dem ganz entgegengesetzten Resultate: &#x201E;daß der<lb/>
Adel kein einziges seiner persönlichen Vorrechte verloren hat, und<lb/>
daß, wenn er Verluste erlitten, diese nur sein Privilegium des großen<lb/>
Grundbesitzes betroffen haben." Ferner: &#x201E;daß dem Adel zwar die Er-<lb/>
elusivität des großen Grundbesitzes genommen worden, daß aber dem<lb/>
großen Grundbesitze alle wesentlichen Privilegien verblieben sind, und<lb/>
daß sich auf der Grundlage des geöffneten, großen Grundbesitzes eine<lb/>
neue Aristokratie gebildet hat, nämlich eine reine Boden-<lb/>
aristok r a tie." Endlich: &#x201E;daß der Geburtsadel durch die Klasse der<lb/>
Standesherren einen ansehnlichen, mit sehr bedeutenden Privilegien<lb/>
bevorzugten Zuwachs erhalten hat."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_565" next="#ID_566"> Es ist hier nicht unsere Sache, die politische Bedeutung des Adels<lb/>
in Preußen speciell zu untersuchen und zu verfolgen, gewiß ist es, daß<lb/>
noch ausschließliche Auszeichnungen und Begünstigungen mit ihm ver¬<lb/>
bunden sind und daß dieselben äußere Ehre und äußeres Ansehen zur<lb/>
Folge haben. So ist denn auch das aristokratische Element eine be¬<lb/>
sondere und hervorragende Erscheinung in der Welt Berlins; es läßt<lb/>
sich eben sowohl in seiner principiell-thätigen, als blos vegetativ-genie¬<lb/>
ßenden Absicht erkennen? Trotz der Einbuße manchen Vorrechtes<lb/>
ist ihm noch ein bedeutender Einfluß in der Staatsverwaltung geblie¬<lb/>
ben und selbst Herr v. Bülow-Cummerow muß gestehen: &#x201E;daß der zahl¬<lb/>
reiche Adel in Preußen immer noch einen indirecten Einfluß auf das<lb/>
Ganze habe." Dieser Einfluß tritt in der berliner Welt deutlich ge¬<lb/>
nug hervor. Speciell macht sich hier besonders das märkische Adels-<lb/>
thum geltend, welches Heine sehr richtig in den &#x201E;ukermärkischen<lb/>
Granden" charakteristrt und welches noch jüngst in der augsburger<lb/>
Allgemeinen Zeitung so treffend dargestellt wurde.  Die Bekleidung</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0207] ohne Ausnahme erloschen; verfassungsmäßig sind ihm keine verblie¬ ben, er besitzt keine anderen, als die ihm uoch die Erinnerung zollt und die er sich durch seinen persönlichen Werth erwirbt," Herr Bü- low-Cummcrow hat bekanntlich seine aristokratische Vorliebe immer ganz offen zur Schau getragen. Seiner Behauptung gegenüber versucht Ludwig Buhl in seiner Schrift: „Die Herrschaft des Ge- burtö- und Bodenprivilegiumö in Preußen" durch eine historische Be¬ trachtung des Verlaufs der agrarischen Gesetzgebung und der Ent¬ wicklung der preußischen Verfassung eine richtige Schätzung sowohl der Vorrechte, die der Adel eingebüßt hat, als derjenigen, die ihm ver¬ blieben sind, oder die er neu erworben hat, zu gewinnen. Er kommt dann (S. 69) zu dem ganz entgegengesetzten Resultate: „daß der Adel kein einziges seiner persönlichen Vorrechte verloren hat, und daß, wenn er Verluste erlitten, diese nur sein Privilegium des großen Grundbesitzes betroffen haben." Ferner: „daß dem Adel zwar die Er- elusivität des großen Grundbesitzes genommen worden, daß aber dem großen Grundbesitze alle wesentlichen Privilegien verblieben sind, und daß sich auf der Grundlage des geöffneten, großen Grundbesitzes eine neue Aristokratie gebildet hat, nämlich eine reine Boden- aristok r a tie." Endlich: „daß der Geburtsadel durch die Klasse der Standesherren einen ansehnlichen, mit sehr bedeutenden Privilegien bevorzugten Zuwachs erhalten hat." Es ist hier nicht unsere Sache, die politische Bedeutung des Adels in Preußen speciell zu untersuchen und zu verfolgen, gewiß ist es, daß noch ausschließliche Auszeichnungen und Begünstigungen mit ihm ver¬ bunden sind und daß dieselben äußere Ehre und äußeres Ansehen zur Folge haben. So ist denn auch das aristokratische Element eine be¬ sondere und hervorragende Erscheinung in der Welt Berlins; es läßt sich eben sowohl in seiner principiell-thätigen, als blos vegetativ-genie¬ ßenden Absicht erkennen? Trotz der Einbuße manchen Vorrechtes ist ihm noch ein bedeutender Einfluß in der Staatsverwaltung geblie¬ ben und selbst Herr v. Bülow-Cummerow muß gestehen: „daß der zahl¬ reiche Adel in Preußen immer noch einen indirecten Einfluß auf das Ganze habe." Dieser Einfluß tritt in der berliner Welt deutlich ge¬ nug hervor. Speciell macht sich hier besonders das märkische Adels- thum geltend, welches Heine sehr richtig in den „ukermärkischen Granden" charakteristrt und welches noch jüngst in der augsburger Allgemeinen Zeitung so treffend dargestellt wurde. Die Bekleidung

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/207
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/207>, abgerufen am 24.07.2024.