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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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wehen, los zu sein, findet Gefallen an der neuen Schöpfung, der Russe
versteht es, Würste zu werfen nach den Speckseiten der Intendanz, der
gedrückten Kritik sich leibeigen zu machen, welche früher die kleinsten
Uebelstände scharf und bitter rügte, und jetzt so wunderbar gutherzig ge¬
worden ist. Selbst kleine leipziger Blatter sind in russischem Engage¬
ment.

Galonnirte Billeteurs, lackirte Thüren, ein Sonnenaufgang von Gro-
pius, der auch als Untergang zu gebrauchen, das sind die Flitterherrlich-
keiten, die man uns brachte, im Austausche für das Solide und Treff¬
liche, das man uns nahm und noch wird nehmen, wenn mon sattelfe¬
ster geworden, wenn man die ultimn" "808 und >1<>>"me" "Kos glücklich
überwände. Bei aller Unzufriedenheit im Publicum gelangt doch kein
abfalliges Urtheil zur gedruckten Oeffentlichkeit, sind doch die bisherigen
Urtheilsorgane in Theatralibus wohlgezähmt, die Censur würde min¬
deres Hinderniß sein, denn diese -- man muß es lobend anerkennen --
gewahrt öffentliche Besprechung mancher Verhältnisse willig, bleibt nur
Tendenz und Interesse der Regierung unberührt. So hat die Censur
ganz kürzlich die Veröffentlichung manchen zu engherzigen Gebahrens
mit dem Vermögen böhmischer Sparcasse, unbeanstandet passirt.
Wiewohl der Präsident des Guberniums als gleichzeitiger ObercurcUor
der Sparcasse, sich dabei betheiligt haben konnte, so wurden die Ver¬
hältnisse des Badeortes Teplitz ungehindert in der prager politischen Zei¬
tung besprochen, und der starre, exclusiv aristokratische Sinn der fürst¬
lichen Familie tadelnd berührt, welche zu Teplitz obrigkeitliche Rechte übt,
und auch hier war der Präsident des Guberniums ganz unmittelbar be-
theiligt. Die öffentliche Meinung bricht sich Bahn, zur Zeit noch auf
schmalem, steilem Pfade, doch dieses wird und muß zum raschen Schie¬
nenwege werden.

Ihr geschätztes Blatt hat uns jüngst mit gerechter Anerkennung be¬
richtet, wie großherzig sich unsere Stande bei letzter Steuerrepartition des
armen Bauers angenommen und ihn in der Steuerlast erleichtert haben,
doch darf der Welt die Notiz ebenso wenig vorenthalten bleiben, daß je¬
ner Beschluß nur durch Stimmenmehrheit zu Stande gekommen, nach¬
dem die gesammte standisch berechtigte Geistlichkeit, im Vereine mit nur
einem Gliede des Freiherrnstandes -- Heil dir, Blume der Ritterschaft!
-- den Antrag mächtig bekämpft Halle. Diese hochkirchliche Opposition,
wo es galt, den armen Bauer, -- an sich gering -- zu subleviren,
darf dem Richtbeil der Geschichte nicht entzogen werden. Ist das etwa
die christliche Milde im Chorrock? Ist solcher Deutung die canonische
Anordnung fähig, nach welcher der Priester schuldig ist, ein Drittheil
seiner Prabende der Kirche, ein Drittheil den Armen, und nur ein Drit¬
theil sich zuzuwenden? Von aparten Interesse mußte es sein, dieses
Gesetz mit jener Opposition in canonischer Dissertation, tridentinisch in
E ---w--. inklang zwangen zu hören.


wehen, los zu sein, findet Gefallen an der neuen Schöpfung, der Russe
versteht es, Würste zu werfen nach den Speckseiten der Intendanz, der
gedrückten Kritik sich leibeigen zu machen, welche früher die kleinsten
Uebelstände scharf und bitter rügte, und jetzt so wunderbar gutherzig ge¬
worden ist. Selbst kleine leipziger Blatter sind in russischem Engage¬
ment.

Galonnirte Billeteurs, lackirte Thüren, ein Sonnenaufgang von Gro-
pius, der auch als Untergang zu gebrauchen, das sind die Flitterherrlich-
keiten, die man uns brachte, im Austausche für das Solide und Treff¬
liche, das man uns nahm und noch wird nehmen, wenn mon sattelfe¬
ster geworden, wenn man die ultimn« »808 und >1<>>»me» »Kos glücklich
überwände. Bei aller Unzufriedenheit im Publicum gelangt doch kein
abfalliges Urtheil zur gedruckten Oeffentlichkeit, sind doch die bisherigen
Urtheilsorgane in Theatralibus wohlgezähmt, die Censur würde min¬
deres Hinderniß sein, denn diese — man muß es lobend anerkennen —
gewahrt öffentliche Besprechung mancher Verhältnisse willig, bleibt nur
Tendenz und Interesse der Regierung unberührt. So hat die Censur
ganz kürzlich die Veröffentlichung manchen zu engherzigen Gebahrens
mit dem Vermögen böhmischer Sparcasse, unbeanstandet passirt.
Wiewohl der Präsident des Guberniums als gleichzeitiger ObercurcUor
der Sparcasse, sich dabei betheiligt haben konnte, so wurden die Ver¬
hältnisse des Badeortes Teplitz ungehindert in der prager politischen Zei¬
tung besprochen, und der starre, exclusiv aristokratische Sinn der fürst¬
lichen Familie tadelnd berührt, welche zu Teplitz obrigkeitliche Rechte übt,
und auch hier war der Präsident des Guberniums ganz unmittelbar be-
theiligt. Die öffentliche Meinung bricht sich Bahn, zur Zeit noch auf
schmalem, steilem Pfade, doch dieses wird und muß zum raschen Schie¬
nenwege werden.

Ihr geschätztes Blatt hat uns jüngst mit gerechter Anerkennung be¬
richtet, wie großherzig sich unsere Stande bei letzter Steuerrepartition des
armen Bauers angenommen und ihn in der Steuerlast erleichtert haben,
doch darf der Welt die Notiz ebenso wenig vorenthalten bleiben, daß je¬
ner Beschluß nur durch Stimmenmehrheit zu Stande gekommen, nach¬
dem die gesammte standisch berechtigte Geistlichkeit, im Vereine mit nur
einem Gliede des Freiherrnstandes — Heil dir, Blume der Ritterschaft!
— den Antrag mächtig bekämpft Halle. Diese hochkirchliche Opposition,
wo es galt, den armen Bauer, — an sich gering — zu subleviren,
darf dem Richtbeil der Geschichte nicht entzogen werden. Ist das etwa
die christliche Milde im Chorrock? Ist solcher Deutung die canonische
Anordnung fähig, nach welcher der Priester schuldig ist, ein Drittheil
seiner Prabende der Kirche, ein Drittheil den Armen, und nur ein Drit¬
theil sich zuzuwenden? Von aparten Interesse mußte es sein, dieses
Gesetz mit jener Opposition in canonischer Dissertation, tridentinisch in
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/182>, abgerufen am 24.07.2024.