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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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In dem ersten Aufsätze entwickelt Caspar den Einfluß der Witte¬
rung auf die Gesundheit und das Leben des Menschen. Es ist hier
viel interessantes Material zusammengetragen und manche seine Be¬
merkung eingestreut. Ein bemerkenswerthes Resultat nach Caspar
wäre es, daß der Einfluß des Luftdruckes auf das menschliche Leben
nicht in allen Jahreszeiten gleich ist. Caspar behauptet also einen
Einfluß der verschiedenen Jahreszeiten, als Ganzes genommen, aus die
Tätlichkeit der Krankheiten. In Bezug auf das Reisen der Kranken
in ein südliches Klima, sagt Caspar: "Ich habe sie gesehen, den Deut¬
schen, Engländer, Franzosen, Russen in Rom und Neapel, gesehen auch
jene auf den schönen Kirchhöfen in Marseille, in Pisa, in Nizza, auf
der Insel Malta und betrübende Betrachtungen anstellen müssen über
den Stand der Heilkunst und so viele bitter getäuschte Hoffnungen
von Hunderten von Familien." Für Berlin zeigte, nach Caspar, der
Januar den ungünstigsten und der December den günstigsten Gesund¬
heitszustand. Im Ganzen zählt man im Frühling die meisten und im
Sommer die wenigsten Todesfälle.

Alsdann folgt ein Aufsatz: "Versuche und Beobachtungen über
die Strangulationsmarke und den Erhängungstod." Hierauf die Bio¬
graphie eines firen Wahns. Hätte der Verfasser nicht am Schlüsse
seiner traurigen Erzählung an die verzweiflungsvolle Theorie Hein-
roths erinnert, wir hätten es gethan, so können wir uns nicht enthal¬
ten, das Schlußwort mitzutheilen: "Ist auch hier ein ursprünglicher
Abfall von Gott, Sünde gegeben? Ist das Wohlgefallen, ist ein, wie
es den Anschein hat, ganz flüchtiges Wohlgefallen, das der jugend¬
liche von N. beim Tanze für ein junges Mädchen saßt, etwa hier die
ursprüngliche Sünde?" Und: "Es bedarf nicht solcher Fälle, wie der
vorliegende, um die UnHaltbarkeit einer Lehre darzuthun, die die Quel¬
len der Naturwissenschaft am Hochaltare sucht und das dichterisch-
frömmelnde Gefühl da walten läßt, wo der empirisch-forschende, krt-
tisch-analysirende Verstand, wo die naturwissenschaftliche Beobachtung
ihre Rechte fordern."

Eine andere Abhandlung bietet Material über die Sterblichkeit
in der preußischen Armee. Nach Caspar ist das Verhältniß zu an¬
deren Armeen ein ganz besonders günstiges, keine andere Armee hätte
eine so geringe Sterblichkeit aufzuweisen. In den statistischen Vergleichen
mit englischen und französischen Truppen hätte Caspar allerdings zur
Erörterung sagen können, daß jene beiden Heere fortwährend KriegS-


GrmMen. Is4". 2z

In dem ersten Aufsätze entwickelt Caspar den Einfluß der Witte¬
rung auf die Gesundheit und das Leben des Menschen. Es ist hier
viel interessantes Material zusammengetragen und manche seine Be¬
merkung eingestreut. Ein bemerkenswerthes Resultat nach Caspar
wäre es, daß der Einfluß des Luftdruckes auf das menschliche Leben
nicht in allen Jahreszeiten gleich ist. Caspar behauptet also einen
Einfluß der verschiedenen Jahreszeiten, als Ganzes genommen, aus die
Tätlichkeit der Krankheiten. In Bezug auf das Reisen der Kranken
in ein südliches Klima, sagt Caspar: „Ich habe sie gesehen, den Deut¬
schen, Engländer, Franzosen, Russen in Rom und Neapel, gesehen auch
jene auf den schönen Kirchhöfen in Marseille, in Pisa, in Nizza, auf
der Insel Malta und betrübende Betrachtungen anstellen müssen über
den Stand der Heilkunst und so viele bitter getäuschte Hoffnungen
von Hunderten von Familien." Für Berlin zeigte, nach Caspar, der
Januar den ungünstigsten und der December den günstigsten Gesund¬
heitszustand. Im Ganzen zählt man im Frühling die meisten und im
Sommer die wenigsten Todesfälle.

Alsdann folgt ein Aufsatz: „Versuche und Beobachtungen über
die Strangulationsmarke und den Erhängungstod." Hierauf die Bio¬
graphie eines firen Wahns. Hätte der Verfasser nicht am Schlüsse
seiner traurigen Erzählung an die verzweiflungsvolle Theorie Hein-
roths erinnert, wir hätten es gethan, so können wir uns nicht enthal¬
ten, das Schlußwort mitzutheilen: „Ist auch hier ein ursprünglicher
Abfall von Gott, Sünde gegeben? Ist das Wohlgefallen, ist ein, wie
es den Anschein hat, ganz flüchtiges Wohlgefallen, das der jugend¬
liche von N. beim Tanze für ein junges Mädchen saßt, etwa hier die
ursprüngliche Sünde?" Und: „Es bedarf nicht solcher Fälle, wie der
vorliegende, um die UnHaltbarkeit einer Lehre darzuthun, die die Quel¬
len der Naturwissenschaft am Hochaltare sucht und das dichterisch-
frömmelnde Gefühl da walten läßt, wo der empirisch-forschende, krt-
tisch-analysirende Verstand, wo die naturwissenschaftliche Beobachtung
ihre Rechte fordern."

Eine andere Abhandlung bietet Material über die Sterblichkeit
in der preußischen Armee. Nach Caspar ist das Verhältniß zu an¬
deren Armeen ein ganz besonders günstiges, keine andere Armee hätte
eine so geringe Sterblichkeit aufzuweisen. In den statistischen Vergleichen
mit englischen und französischen Truppen hätte Caspar allerdings zur
Erörterung sagen können, daß jene beiden Heere fortwährend KriegS-


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[0175] In dem ersten Aufsätze entwickelt Caspar den Einfluß der Witte¬ rung auf die Gesundheit und das Leben des Menschen. Es ist hier viel interessantes Material zusammengetragen und manche seine Be¬ merkung eingestreut. Ein bemerkenswerthes Resultat nach Caspar wäre es, daß der Einfluß des Luftdruckes auf das menschliche Leben nicht in allen Jahreszeiten gleich ist. Caspar behauptet also einen Einfluß der verschiedenen Jahreszeiten, als Ganzes genommen, aus die Tätlichkeit der Krankheiten. In Bezug auf das Reisen der Kranken in ein südliches Klima, sagt Caspar: „Ich habe sie gesehen, den Deut¬ schen, Engländer, Franzosen, Russen in Rom und Neapel, gesehen auch jene auf den schönen Kirchhöfen in Marseille, in Pisa, in Nizza, auf der Insel Malta und betrübende Betrachtungen anstellen müssen über den Stand der Heilkunst und so viele bitter getäuschte Hoffnungen von Hunderten von Familien." Für Berlin zeigte, nach Caspar, der Januar den ungünstigsten und der December den günstigsten Gesund¬ heitszustand. Im Ganzen zählt man im Frühling die meisten und im Sommer die wenigsten Todesfälle. Alsdann folgt ein Aufsatz: „Versuche und Beobachtungen über die Strangulationsmarke und den Erhängungstod." Hierauf die Bio¬ graphie eines firen Wahns. Hätte der Verfasser nicht am Schlüsse seiner traurigen Erzählung an die verzweiflungsvolle Theorie Hein- roths erinnert, wir hätten es gethan, so können wir uns nicht enthal¬ ten, das Schlußwort mitzutheilen: „Ist auch hier ein ursprünglicher Abfall von Gott, Sünde gegeben? Ist das Wohlgefallen, ist ein, wie es den Anschein hat, ganz flüchtiges Wohlgefallen, das der jugend¬ liche von N. beim Tanze für ein junges Mädchen saßt, etwa hier die ursprüngliche Sünde?" Und: „Es bedarf nicht solcher Fälle, wie der vorliegende, um die UnHaltbarkeit einer Lehre darzuthun, die die Quel¬ len der Naturwissenschaft am Hochaltare sucht und das dichterisch- frömmelnde Gefühl da walten läßt, wo der empirisch-forschende, krt- tisch-analysirende Verstand, wo die naturwissenschaftliche Beobachtung ihre Rechte fordern." Eine andere Abhandlung bietet Material über die Sterblichkeit in der preußischen Armee. Nach Caspar ist das Verhältniß zu an¬ deren Armeen ein ganz besonders günstiges, keine andere Armee hätte eine so geringe Sterblichkeit aufzuweisen. In den statistischen Vergleichen mit englischen und französischen Truppen hätte Caspar allerdings zur Erörterung sagen können, daß jene beiden Heere fortwährend KriegS- GrmMen. Is4«. 2z

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/175>, abgerufen am 24.07.2024.