Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
IV.
Ans Wi"<".

Todte und Lebendige. -- Todte Kunst. -- Gluck. -- Clerirale Einsprüche. -- Die Mu¬
siker. -- Gerüchte über Lißt. -- Fürst Metternich. -- Die Akademie. -- Dem-
hordstei". -- Die Erklärung der Redactionen; Beleuchtung derselbe". -- Herr
von Pilat. --

Unsere Kirchhöfe sind um einen Denksteinreicher geworden; ich sage
absichtlich einen Denkstein --^ denn zu einem großen Denkmal für
irgend einen der herrlichen schaffenden Geister in Oesterreich, haben wir
es noch nicht gebracht; der Geist in der Kunst wird bei uns, nu Leben
wie im Tode, in einen Winkel gewiesen, man schreitet leicht und unbe-
ächtend über sein Andenken, wie über einen zersprungenen Grabstein hin,
was soll der Todte, den man nicht einmal mehr in einen Salon laden
kann, Um mit dem gefeierten Namen Eitelkeit zu treiben! Merkwürdig
ist es, daß die Kunst, die bei uns mehr vielleicht als anderswo, als
Dessert auf der Tafel des Lebensgenusses betrachtet wird, so wenig hohe,
einflußreiche Mäcene findet, daß, was sie wird und schafft, sie nur aus
und durch sich selbst erringt, daß es Niemanden gibt, von dem man sa¬
gen kann: er hat ein großes Talent der Welt und der Kunst erhalten,
er hat es gepflegt, gestützt, gehoben. Und daher kommt es auch, daß,
da die Gegenwart vergessen wird, die Leichensteine großer Todten auf
unsern Kirchhöfen zertrümmert liegen und würde jetzt nicht die Pietät
unter den jüngern Künstlern wach, wir hätten vielleicht in einigen Jah¬
ren nicht mehr gewußt, wo Beethoven's, Gluck's, Schubert's Reste ruhen,
so wie man kaum mehr den Platz weiß, wo Mozart schlaft. Und wie
viele andere herrliche Geister gibt es noch, die in Wien den letzten Kampf
gerungen und deren Grab wir nicht mehr kennen, auf daß ein dankba¬
reres Geschlecht einst dahinwalle. Aber wir haben auch Unglück mit
unfern Denkmälern, wenn wir auch schon einmal den Anlauf Nehmen,
irgend etwas dergleichen zu thun. Da war nun endlich seit einem Jahre
in zwei hiesigen Zeitschriften, den "Sonntagsblättern" von Dr. Franke
und der "Musi'kzeitung" von Dr. Schmidt, zu Beiträgen für Gluck's
Denkstein aufgefordert worden, da hatte Drevschok ein Concert dafür ge¬
geben, die Musikalienhandlung von Mechetti sich ebenfalls der Sache
thätig angenommen und endlich wird des großen Todten 132. Geburts¬
tag zur Enthüllung des Denksteins bestimmt. Da geschah es vor Allem,
daß man nicht öffentlich ankündigen durste, daß in der Paulinerkirche,
wo einst des großen Meisters sterbliche Hülle eingesegnet worden, das
mozart'sche Requiem aufgeführt werde, denn de^r Erzbischof von Wien
gestatter nicht, daß am Todestage eines Künstlers eine außerordentliche
kirchliche Feierlichkeit stattfinde -- und so mußte die ganze -Feierlich¬
keit im Stillen und nur ,nit ganz kurzen Einladungen abgemacht wer-



Aus merkwürdige Weise begegnen sich in derlei Ansichten der katholische
und der protestantische Clerus. In Stuttgart hat dieser Einspruch gethan, daß
bei der Einweihung von Schiller's Denkmal dle Glocken geläutet werde".
IV.
Ans Wi«<».

Todte und Lebendige. — Todte Kunst. — Gluck. — Clerirale Einsprüche. — Die Mu¬
siker. — Gerüchte über Lißt. — Fürst Metternich. — Die Akademie. — Dem-
hordstei». — Die Erklärung der Redactionen; Beleuchtung derselbe». — Herr
von Pilat. —

Unsere Kirchhöfe sind um einen Denksteinreicher geworden; ich sage
absichtlich einen Denkstein —^ denn zu einem großen Denkmal für
irgend einen der herrlichen schaffenden Geister in Oesterreich, haben wir
es noch nicht gebracht; der Geist in der Kunst wird bei uns, nu Leben
wie im Tode, in einen Winkel gewiesen, man schreitet leicht und unbe-
ächtend über sein Andenken, wie über einen zersprungenen Grabstein hin,
was soll der Todte, den man nicht einmal mehr in einen Salon laden
kann, Um mit dem gefeierten Namen Eitelkeit zu treiben! Merkwürdig
ist es, daß die Kunst, die bei uns mehr vielleicht als anderswo, als
Dessert auf der Tafel des Lebensgenusses betrachtet wird, so wenig hohe,
einflußreiche Mäcene findet, daß, was sie wird und schafft, sie nur aus
und durch sich selbst erringt, daß es Niemanden gibt, von dem man sa¬
gen kann: er hat ein großes Talent der Welt und der Kunst erhalten,
er hat es gepflegt, gestützt, gehoben. Und daher kommt es auch, daß,
da die Gegenwart vergessen wird, die Leichensteine großer Todten auf
unsern Kirchhöfen zertrümmert liegen und würde jetzt nicht die Pietät
unter den jüngern Künstlern wach, wir hätten vielleicht in einigen Jah¬
ren nicht mehr gewußt, wo Beethoven's, Gluck's, Schubert's Reste ruhen,
so wie man kaum mehr den Platz weiß, wo Mozart schlaft. Und wie
viele andere herrliche Geister gibt es noch, die in Wien den letzten Kampf
gerungen und deren Grab wir nicht mehr kennen, auf daß ein dankba¬
reres Geschlecht einst dahinwalle. Aber wir haben auch Unglück mit
unfern Denkmälern, wenn wir auch schon einmal den Anlauf Nehmen,
irgend etwas dergleichen zu thun. Da war nun endlich seit einem Jahre
in zwei hiesigen Zeitschriften, den „Sonntagsblättern" von Dr. Franke
und der „Musi'kzeitung" von Dr. Schmidt, zu Beiträgen für Gluck's
Denkstein aufgefordert worden, da hatte Drevschok ein Concert dafür ge¬
geben, die Musikalienhandlung von Mechetti sich ebenfalls der Sache
thätig angenommen und endlich wird des großen Todten 132. Geburts¬
tag zur Enthüllung des Denksteins bestimmt. Da geschah es vor Allem,
daß man nicht öffentlich ankündigen durste, daß in der Paulinerkirche,
wo einst des großen Meisters sterbliche Hülle eingesegnet worden, das
mozart'sche Requiem aufgeführt werde, denn de^r Erzbischof von Wien
gestatter nicht, daß am Todestage eines Künstlers eine außerordentliche
kirchliche Feierlichkeit stattfinde — und so mußte die ganze -Feierlich¬
keit im Stillen und nur ,nit ganz kurzen Einladungen abgemacht wer-



Aus merkwürdige Weise begegnen sich in derlei Ansichten der katholische
und der protestantische Clerus. In Stuttgart hat dieser Einspruch gethan, daß
bei der Einweihung von Schiller's Denkmal dle Glocken geläutet werde».
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0141" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183162"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> IV.<lb/>
Ans Wi«&lt;».</head><lb/>
            <note type="argument"> Todte und Lebendige. &#x2014; Todte Kunst. &#x2014; Gluck. &#x2014; Clerirale Einsprüche. &#x2014; Die Mu¬<lb/>
siker. &#x2014; Gerüchte über Lißt. &#x2014; Fürst Metternich. &#x2014; Die Akademie. &#x2014; Dem-<lb/>
hordstei». &#x2014; Die Erklärung der Redactionen; Beleuchtung derselbe». &#x2014; Herr<lb/>
von Pilat. &#x2014;</note><lb/>
            <p xml:id="ID_380" next="#ID_381"> Unsere Kirchhöfe sind um einen Denksteinreicher geworden; ich sage<lb/>
absichtlich einen Denkstein &#x2014;^ denn zu einem großen Denkmal für<lb/>
irgend einen der herrlichen schaffenden Geister in Oesterreich, haben wir<lb/>
es noch nicht gebracht; der Geist in der Kunst wird bei uns, nu Leben<lb/>
wie im Tode, in einen Winkel gewiesen, man schreitet leicht und unbe-<lb/>
ächtend über sein Andenken, wie über einen zersprungenen Grabstein hin,<lb/>
was soll der Todte, den man nicht einmal mehr in einen Salon laden<lb/>
kann, Um mit dem gefeierten Namen Eitelkeit zu treiben! Merkwürdig<lb/>
ist es, daß die Kunst, die bei uns mehr vielleicht als anderswo, als<lb/>
Dessert auf der Tafel des Lebensgenusses betrachtet wird, so wenig hohe,<lb/>
einflußreiche Mäcene findet, daß, was sie wird und schafft, sie nur aus<lb/>
und durch sich selbst erringt, daß es Niemanden gibt, von dem man sa¬<lb/>
gen kann: er hat ein großes Talent der Welt und der Kunst erhalten,<lb/>
er hat es gepflegt, gestützt, gehoben. Und daher kommt es auch, daß,<lb/>
da die Gegenwart vergessen wird, die Leichensteine großer Todten auf<lb/>
unsern Kirchhöfen zertrümmert liegen und würde jetzt nicht die Pietät<lb/>
unter den jüngern Künstlern wach, wir hätten vielleicht in einigen Jah¬<lb/>
ren nicht mehr gewußt, wo Beethoven's, Gluck's, Schubert's Reste ruhen,<lb/>
so wie man kaum mehr den Platz weiß, wo Mozart schlaft. Und wie<lb/>
viele andere herrliche Geister gibt es noch, die in Wien den letzten Kampf<lb/>
gerungen und deren Grab wir nicht mehr kennen, auf daß ein dankba¬<lb/>
reres Geschlecht einst dahinwalle. Aber wir haben auch Unglück mit<lb/>
unfern Denkmälern, wenn wir auch schon einmal den Anlauf Nehmen,<lb/>
irgend etwas dergleichen zu thun. Da war nun endlich seit einem Jahre<lb/>
in zwei hiesigen Zeitschriften, den &#x201E;Sonntagsblättern" von Dr. Franke<lb/>
und der &#x201E;Musi'kzeitung" von Dr. Schmidt, zu Beiträgen für Gluck's<lb/>
Denkstein aufgefordert worden, da hatte Drevschok ein Concert dafür ge¬<lb/>
geben, die Musikalienhandlung von Mechetti sich ebenfalls der Sache<lb/>
thätig angenommen und endlich wird des großen Todten 132. Geburts¬<lb/>
tag zur Enthüllung des Denksteins bestimmt. Da geschah es vor Allem,<lb/>
daß man nicht öffentlich ankündigen durste, daß in der Paulinerkirche,<lb/>
wo einst des großen Meisters sterbliche Hülle eingesegnet worden, das<lb/>
mozart'sche Requiem aufgeführt werde, denn de^r Erzbischof von Wien<lb/>
gestatter nicht, daß am Todestage eines Künstlers eine außerordentliche<lb/>
kirchliche Feierlichkeit stattfinde &#x2014; und so mußte die ganze -Feierlich¬<lb/>
keit im Stillen und nur ,nit ganz kurzen Einladungen abgemacht wer-</p><lb/>
            <note xml:id="FID_5" place="foot"> Aus merkwürdige Weise begegnen sich in derlei Ansichten der katholische<lb/>
und der protestantische Clerus. In Stuttgart hat dieser Einspruch gethan, daß<lb/>
bei der Einweihung von Schiller's Denkmal dle Glocken geläutet werde».</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0141] IV. Ans Wi«<». Todte und Lebendige. — Todte Kunst. — Gluck. — Clerirale Einsprüche. — Die Mu¬ siker. — Gerüchte über Lißt. — Fürst Metternich. — Die Akademie. — Dem- hordstei». — Die Erklärung der Redactionen; Beleuchtung derselbe». — Herr von Pilat. — Unsere Kirchhöfe sind um einen Denksteinreicher geworden; ich sage absichtlich einen Denkstein —^ denn zu einem großen Denkmal für irgend einen der herrlichen schaffenden Geister in Oesterreich, haben wir es noch nicht gebracht; der Geist in der Kunst wird bei uns, nu Leben wie im Tode, in einen Winkel gewiesen, man schreitet leicht und unbe- ächtend über sein Andenken, wie über einen zersprungenen Grabstein hin, was soll der Todte, den man nicht einmal mehr in einen Salon laden kann, Um mit dem gefeierten Namen Eitelkeit zu treiben! Merkwürdig ist es, daß die Kunst, die bei uns mehr vielleicht als anderswo, als Dessert auf der Tafel des Lebensgenusses betrachtet wird, so wenig hohe, einflußreiche Mäcene findet, daß, was sie wird und schafft, sie nur aus und durch sich selbst erringt, daß es Niemanden gibt, von dem man sa¬ gen kann: er hat ein großes Talent der Welt und der Kunst erhalten, er hat es gepflegt, gestützt, gehoben. Und daher kommt es auch, daß, da die Gegenwart vergessen wird, die Leichensteine großer Todten auf unsern Kirchhöfen zertrümmert liegen und würde jetzt nicht die Pietät unter den jüngern Künstlern wach, wir hätten vielleicht in einigen Jah¬ ren nicht mehr gewußt, wo Beethoven's, Gluck's, Schubert's Reste ruhen, so wie man kaum mehr den Platz weiß, wo Mozart schlaft. Und wie viele andere herrliche Geister gibt es noch, die in Wien den letzten Kampf gerungen und deren Grab wir nicht mehr kennen, auf daß ein dankba¬ reres Geschlecht einst dahinwalle. Aber wir haben auch Unglück mit unfern Denkmälern, wenn wir auch schon einmal den Anlauf Nehmen, irgend etwas dergleichen zu thun. Da war nun endlich seit einem Jahre in zwei hiesigen Zeitschriften, den „Sonntagsblättern" von Dr. Franke und der „Musi'kzeitung" von Dr. Schmidt, zu Beiträgen für Gluck's Denkstein aufgefordert worden, da hatte Drevschok ein Concert dafür ge¬ geben, die Musikalienhandlung von Mechetti sich ebenfalls der Sache thätig angenommen und endlich wird des großen Todten 132. Geburts¬ tag zur Enthüllung des Denksteins bestimmt. Da geschah es vor Allem, daß man nicht öffentlich ankündigen durste, daß in der Paulinerkirche, wo einst des großen Meisters sterbliche Hülle eingesegnet worden, das mozart'sche Requiem aufgeführt werde, denn de^r Erzbischof von Wien gestatter nicht, daß am Todestage eines Künstlers eine außerordentliche kirchliche Feierlichkeit stattfinde — und so mußte die ganze -Feierlich¬ keit im Stillen und nur ,nit ganz kurzen Einladungen abgemacht wer- Aus merkwürdige Weise begegnen sich in derlei Ansichten der katholische und der protestantische Clerus. In Stuttgart hat dieser Einspruch gethan, daß bei der Einweihung von Schiller's Denkmal dle Glocken geläutet werde».

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/141
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/141>, abgerufen am 24.07.2024.