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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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kürzeste Weg über den Platz des Pantheon, an welchem auch der
Palast Giustiniani liegt. Der Platz und die anstoßenden Gassen
waren mit Menschen bedeckt, die das fremde Wunder zu sehen be¬
gehrten, Bürger, Abaten, Trasteveraner, Vignarolen mit ihren le¬
dernen Schienen an den Beinen, Frauen mit ihren Broncekämmen
im Haare, kniehohe Buben mit runden Filzhüten, doppelt so hoch
wie sie selbst, Verkäufer, Bauern, alles bunt durch einander. Sie
gafften auf der Seite des Pantheon nach den Fenstern hinauf, Andre
standen in Gruppen, steckten die Köpfe zusammen und erzählten sich
seltsame Geschichten von den ungeheuern Säcken voll Zechinen die der
Czar mitgebracht hatte, und daß sein Tafelzeug von lauter Gold
und seine Messer und Gabel mit diamantnen Heften waren, und
daß er eine Henne hätte, die ihm alle Tage ein goldnes El legte, und
daß er mit dem Leibhaften einen Bund gemacht hätte, und was
dergleichen mehr. Vor dem Palaste selbst war kaum durchzudringen.
Man wollte den Kaiser abfahren sehen, da er, hieß es, sogleich nach
dem Vatican wollte, um dem heiligen Vater seine Aufwartung zu
machen. , "-

Als ich mein Ziel erreichte, fand ich meinen Freund, der mich
schon erwartete, und mehre andre Personen, die sehr eifrig sprachen.
Ja, beim Leib eines Juden, sagte ein kurzer dicker Krämer aus der
Nachbarschaft, indem er beide Arme auf die kleine runde Platte
eines Tischchens stemmte, ich will ihm auch eine Bittschrift einrei¬
chen, er muß mir helfen, man muß das Eisen schmieden weil's warm
ist, mein Hauswirth kann lachen, dem ich seit einem Jahr die
Miethe schuldig bin. -- Aber habt ihr denn keine Scham? versetzte
ein Abade, der an demselben Tischchen behaglich ein Glas Sahne mit
Kaffee schlürfte; bedenkt doch die Ehre unserer Stadt, und daß er
der Feind unserer Kirche ist, und daß wir ihm unseren Stolz zeigen
müssen. -- ^"huett"! siel ihm der kleine Dicke in die Rede; was
braucht er hierher zu kommen? Wenn's ihm zu Hause zu wohl
ist, so kann er uns auch das Vergnügen bezahlen, daß er sich unsere
Herrlichkeiten besieht. Wozu hat er all das Geld, wovon sie sagen?
Drückt er bei sich zu Hause die Gläubigen, gut, so ist's Recht, daß
er dafür hier von den Gläubigen ausgedrückt wird, wie eine Citrone.
Was Ehre? Wer klug ist, hat Ehre. -- Die Bettler hat der
Governatore alle einsperren lassen, fuhr der Andre fort, damit der
fremde Kaiser nicht belästigt werden soll, und nun wollt ihr zu
Bettlern werden, und ihn ärger belästigen, als jene gethan hätten? --
Jesus, Marie und Sanct Joseph, antwortete der Krämer lachend,
ich sagt' euch schon, daß das nicht gebettelt ist; wir cassiren nur ein,
was er uns schuldig ist, uns, die wir ihn hier beherbergen, und
unsern Brüdern, denen er Unrecht thut; man muß nur die Dinge


kürzeste Weg über den Platz des Pantheon, an welchem auch der
Palast Giustiniani liegt. Der Platz und die anstoßenden Gassen
waren mit Menschen bedeckt, die das fremde Wunder zu sehen be¬
gehrten, Bürger, Abaten, Trasteveraner, Vignarolen mit ihren le¬
dernen Schienen an den Beinen, Frauen mit ihren Broncekämmen
im Haare, kniehohe Buben mit runden Filzhüten, doppelt so hoch
wie sie selbst, Verkäufer, Bauern, alles bunt durch einander. Sie
gafften auf der Seite des Pantheon nach den Fenstern hinauf, Andre
standen in Gruppen, steckten die Köpfe zusammen und erzählten sich
seltsame Geschichten von den ungeheuern Säcken voll Zechinen die der
Czar mitgebracht hatte, und daß sein Tafelzeug von lauter Gold
und seine Messer und Gabel mit diamantnen Heften waren, und
daß er eine Henne hätte, die ihm alle Tage ein goldnes El legte, und
daß er mit dem Leibhaften einen Bund gemacht hätte, und was
dergleichen mehr. Vor dem Palaste selbst war kaum durchzudringen.
Man wollte den Kaiser abfahren sehen, da er, hieß es, sogleich nach
dem Vatican wollte, um dem heiligen Vater seine Aufwartung zu
machen. , »-

Als ich mein Ziel erreichte, fand ich meinen Freund, der mich
schon erwartete, und mehre andre Personen, die sehr eifrig sprachen.
Ja, beim Leib eines Juden, sagte ein kurzer dicker Krämer aus der
Nachbarschaft, indem er beide Arme auf die kleine runde Platte
eines Tischchens stemmte, ich will ihm auch eine Bittschrift einrei¬
chen, er muß mir helfen, man muß das Eisen schmieden weil's warm
ist, mein Hauswirth kann lachen, dem ich seit einem Jahr die
Miethe schuldig bin. — Aber habt ihr denn keine Scham? versetzte
ein Abade, der an demselben Tischchen behaglich ein Glas Sahne mit
Kaffee schlürfte; bedenkt doch die Ehre unserer Stadt, und daß er
der Feind unserer Kirche ist, und daß wir ihm unseren Stolz zeigen
müssen. — ^»huett»! siel ihm der kleine Dicke in die Rede; was
braucht er hierher zu kommen? Wenn's ihm zu Hause zu wohl
ist, so kann er uns auch das Vergnügen bezahlen, daß er sich unsere
Herrlichkeiten besieht. Wozu hat er all das Geld, wovon sie sagen?
Drückt er bei sich zu Hause die Gläubigen, gut, so ist's Recht, daß
er dafür hier von den Gläubigen ausgedrückt wird, wie eine Citrone.
Was Ehre? Wer klug ist, hat Ehre. — Die Bettler hat der
Governatore alle einsperren lassen, fuhr der Andre fort, damit der
fremde Kaiser nicht belästigt werden soll, und nun wollt ihr zu
Bettlern werden, und ihn ärger belästigen, als jene gethan hätten? —
Jesus, Marie und Sanct Joseph, antwortete der Krämer lachend,
ich sagt' euch schon, daß das nicht gebettelt ist; wir cassiren nur ein,
was er uns schuldig ist, uns, die wir ihn hier beherbergen, und
unsern Brüdern, denen er Unrecht thut; man muß nur die Dinge


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[0093] kürzeste Weg über den Platz des Pantheon, an welchem auch der Palast Giustiniani liegt. Der Platz und die anstoßenden Gassen waren mit Menschen bedeckt, die das fremde Wunder zu sehen be¬ gehrten, Bürger, Abaten, Trasteveraner, Vignarolen mit ihren le¬ dernen Schienen an den Beinen, Frauen mit ihren Broncekämmen im Haare, kniehohe Buben mit runden Filzhüten, doppelt so hoch wie sie selbst, Verkäufer, Bauern, alles bunt durch einander. Sie gafften auf der Seite des Pantheon nach den Fenstern hinauf, Andre standen in Gruppen, steckten die Köpfe zusammen und erzählten sich seltsame Geschichten von den ungeheuern Säcken voll Zechinen die der Czar mitgebracht hatte, und daß sein Tafelzeug von lauter Gold und seine Messer und Gabel mit diamantnen Heften waren, und daß er eine Henne hätte, die ihm alle Tage ein goldnes El legte, und daß er mit dem Leibhaften einen Bund gemacht hätte, und was dergleichen mehr. Vor dem Palaste selbst war kaum durchzudringen. Man wollte den Kaiser abfahren sehen, da er, hieß es, sogleich nach dem Vatican wollte, um dem heiligen Vater seine Aufwartung zu machen. , »- Als ich mein Ziel erreichte, fand ich meinen Freund, der mich schon erwartete, und mehre andre Personen, die sehr eifrig sprachen. Ja, beim Leib eines Juden, sagte ein kurzer dicker Krämer aus der Nachbarschaft, indem er beide Arme auf die kleine runde Platte eines Tischchens stemmte, ich will ihm auch eine Bittschrift einrei¬ chen, er muß mir helfen, man muß das Eisen schmieden weil's warm ist, mein Hauswirth kann lachen, dem ich seit einem Jahr die Miethe schuldig bin. — Aber habt ihr denn keine Scham? versetzte ein Abade, der an demselben Tischchen behaglich ein Glas Sahne mit Kaffee schlürfte; bedenkt doch die Ehre unserer Stadt, und daß er der Feind unserer Kirche ist, und daß wir ihm unseren Stolz zeigen müssen. — ^»huett»! siel ihm der kleine Dicke in die Rede; was braucht er hierher zu kommen? Wenn's ihm zu Hause zu wohl ist, so kann er uns auch das Vergnügen bezahlen, daß er sich unsere Herrlichkeiten besieht. Wozu hat er all das Geld, wovon sie sagen? Drückt er bei sich zu Hause die Gläubigen, gut, so ist's Recht, daß er dafür hier von den Gläubigen ausgedrückt wird, wie eine Citrone. Was Ehre? Wer klug ist, hat Ehre. — Die Bettler hat der Governatore alle einsperren lassen, fuhr der Andre fort, damit der fremde Kaiser nicht belästigt werden soll, und nun wollt ihr zu Bettlern werden, und ihn ärger belästigen, als jene gethan hätten? — Jesus, Marie und Sanct Joseph, antwortete der Krämer lachend, ich sagt' euch schon, daß das nicht gebettelt ist; wir cassiren nur ein, was er uns schuldig ist, uns, die wir ihn hier beherbergen, und unsern Brüdern, denen er Unrecht thut; man muß nur die Dinge

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/93>, abgerufen am 22.12.2024.