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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Zeitungsschreiber glücklich "achgeäfft: den Trieb, sich bei der "von
Gott eingesetzten Obrigkeit" einzuschmeicheln und für eine hyper¬
loyale Spießbürgerlichkeit sich die Concession zu einer neuen Kirche
zu erkaufen. Nicht die Bewegung innerhalb des Protestantismus
meinen wir, auch nicht den DeutschkacholicismuS, wie sich ihn ein
Gervinus dachte, sondern den wirklichen und banalen Deutschka¬
tholicismus, z. B. den der Elberfelder Zeitung. Der einseitige
Haß gegen Rom war zuweilen nahe daran, die Polensache wie
eine Jesuitensache anzusehen. Während man sich mit Nationalität
und reinem Deutschthum aufsteifte, während man den Nomischka-
tholischen jeden Augenblick den Zusammenhang mit denWälschen
vorwarf, zeigte man selbst das nationale Gelüst, jede Allianz, auch
die der Russen, gegen Rom sich gefallen zu lassen. Daß wir
nicht in'S Blaue hinein denunciren, wird jeder aufmerksame Zei¬
tungsleser zugeben müssen.

Zuerst welche beifällige Gemüthlichkeit in den meisten deutsch-
katholischen Blättern bei der Nachricht, daß Rußland der Czers-
kischen Seele nichts in den Weg legen, daß der ChnsikatholicismuS
jenseits der Weichsel von der Negierung selbst! begünstigt werden
würde! Freilich, Rußland ist tolerant, wie kein Staat auf Erden.
-- Als die ersten Verhaftungen im Posenschen vorfielen, hoben
dieselben Blätter mit großer Selbstgefälligkeit hervor, daß nicht Ein
Deutschkatholik sich unter den Verdächtigen befinde; die ruchlosen
Verräther, die schändlichen Rebellen waren lauter Römischkatholische!
Welch ein Triumph! -- Doch das sind Kleinigkeiten. skanda¬
löser war die Haltung einiger norddeutschen Organe, die wir nicht
nennen wollen, bei der Anwesenheit des Kaiser Nicolaus in Rom.
Wir erinnern uns noch einer römischen Correspondenz in einem
Leipziger Blatte, die sich an dem angeblichen Triumphe des nordi¬
schen Helden über den päpstlichen Stuhl im Namen Deutschlands
weidete; die sich darin gefiel, der entfernten römischen Welt die
ritterliche, keusche, blonde Kraft des Nordens entgegenzustellen; kurz,
die den Russen die traditionellen Bärenfelle der alten Cherusker
umhing und unsern teutschen Armin gleichsam von Czar Nikolaj
repräsentiren ließ!! -- Das war die allermodernste und gewiß
kläglichste Sorte deutschthümelnder Begeisterung. --

Kommen wir auf Polen zurück, so müssen wir uns immer


73'

Zeitungsschreiber glücklich »achgeäfft: den Trieb, sich bei der „von
Gott eingesetzten Obrigkeit" einzuschmeicheln und für eine hyper¬
loyale Spießbürgerlichkeit sich die Concession zu einer neuen Kirche
zu erkaufen. Nicht die Bewegung innerhalb des Protestantismus
meinen wir, auch nicht den DeutschkacholicismuS, wie sich ihn ein
Gervinus dachte, sondern den wirklichen und banalen Deutschka¬
tholicismus, z. B. den der Elberfelder Zeitung. Der einseitige
Haß gegen Rom war zuweilen nahe daran, die Polensache wie
eine Jesuitensache anzusehen. Während man sich mit Nationalität
und reinem Deutschthum aufsteifte, während man den Nomischka-
tholischen jeden Augenblick den Zusammenhang mit denWälschen
vorwarf, zeigte man selbst das nationale Gelüst, jede Allianz, auch
die der Russen, gegen Rom sich gefallen zu lassen. Daß wir
nicht in'S Blaue hinein denunciren, wird jeder aufmerksame Zei¬
tungsleser zugeben müssen.

Zuerst welche beifällige Gemüthlichkeit in den meisten deutsch-
katholischen Blättern bei der Nachricht, daß Rußland der Czers-
kischen Seele nichts in den Weg legen, daß der ChnsikatholicismuS
jenseits der Weichsel von der Negierung selbst! begünstigt werden
würde! Freilich, Rußland ist tolerant, wie kein Staat auf Erden.
— Als die ersten Verhaftungen im Posenschen vorfielen, hoben
dieselben Blätter mit großer Selbstgefälligkeit hervor, daß nicht Ein
Deutschkatholik sich unter den Verdächtigen befinde; die ruchlosen
Verräther, die schändlichen Rebellen waren lauter Römischkatholische!
Welch ein Triumph! — Doch das sind Kleinigkeiten. skanda¬
löser war die Haltung einiger norddeutschen Organe, die wir nicht
nennen wollen, bei der Anwesenheit des Kaiser Nicolaus in Rom.
Wir erinnern uns noch einer römischen Correspondenz in einem
Leipziger Blatte, die sich an dem angeblichen Triumphe des nordi¬
schen Helden über den päpstlichen Stuhl im Namen Deutschlands
weidete; die sich darin gefiel, der entfernten römischen Welt die
ritterliche, keusche, blonde Kraft des Nordens entgegenzustellen; kurz,
die den Russen die traditionellen Bärenfelle der alten Cherusker
umhing und unsern teutschen Armin gleichsam von Czar Nikolaj
repräsentiren ließ!! — Das war die allermodernste und gewiß
kläglichste Sorte deutschthümelnder Begeisterung. —

Kommen wir auf Polen zurück, so müssen wir uns immer


73'
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[0583] Zeitungsschreiber glücklich »achgeäfft: den Trieb, sich bei der „von Gott eingesetzten Obrigkeit" einzuschmeicheln und für eine hyper¬ loyale Spießbürgerlichkeit sich die Concession zu einer neuen Kirche zu erkaufen. Nicht die Bewegung innerhalb des Protestantismus meinen wir, auch nicht den DeutschkacholicismuS, wie sich ihn ein Gervinus dachte, sondern den wirklichen und banalen Deutschka¬ tholicismus, z. B. den der Elberfelder Zeitung. Der einseitige Haß gegen Rom war zuweilen nahe daran, die Polensache wie eine Jesuitensache anzusehen. Während man sich mit Nationalität und reinem Deutschthum aufsteifte, während man den Nomischka- tholischen jeden Augenblick den Zusammenhang mit denWälschen vorwarf, zeigte man selbst das nationale Gelüst, jede Allianz, auch die der Russen, gegen Rom sich gefallen zu lassen. Daß wir nicht in'S Blaue hinein denunciren, wird jeder aufmerksame Zei¬ tungsleser zugeben müssen. Zuerst welche beifällige Gemüthlichkeit in den meisten deutsch- katholischen Blättern bei der Nachricht, daß Rußland der Czers- kischen Seele nichts in den Weg legen, daß der ChnsikatholicismuS jenseits der Weichsel von der Negierung selbst! begünstigt werden würde! Freilich, Rußland ist tolerant, wie kein Staat auf Erden. — Als die ersten Verhaftungen im Posenschen vorfielen, hoben dieselben Blätter mit großer Selbstgefälligkeit hervor, daß nicht Ein Deutschkatholik sich unter den Verdächtigen befinde; die ruchlosen Verräther, die schändlichen Rebellen waren lauter Römischkatholische! Welch ein Triumph! — Doch das sind Kleinigkeiten. skanda¬ löser war die Haltung einiger norddeutschen Organe, die wir nicht nennen wollen, bei der Anwesenheit des Kaiser Nicolaus in Rom. Wir erinnern uns noch einer römischen Correspondenz in einem Leipziger Blatte, die sich an dem angeblichen Triumphe des nordi¬ schen Helden über den päpstlichen Stuhl im Namen Deutschlands weidete; die sich darin gefiel, der entfernten römischen Welt die ritterliche, keusche, blonde Kraft des Nordens entgegenzustellen; kurz, die den Russen die traditionellen Bärenfelle der alten Cherusker umhing und unsern teutschen Armin gleichsam von Czar Nikolaj repräsentiren ließ!! — Das war die allermodernste und gewiß kläglichste Sorte deutschthümelnder Begeisterung. — Kommen wir auf Polen zurück, so müssen wir uns immer 73'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/583>, abgerufen am 01.09.2024.