Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.hat im abgelaufenen Betriebsjahr allein 399,882 Passagiere beför¬ Ein neues Unternehmen von Wichtigkeit betrifft die Dampfschiff- Die hier noch im vollen Andenken befindliche Gräfin Samvilow Die Erwähnung des Comersees erinnert mich an den poetischen hat im abgelaufenen Betriebsjahr allein 399,882 Passagiere beför¬ Ein neues Unternehmen von Wichtigkeit betrifft die Dampfschiff- Die hier noch im vollen Andenken befindliche Gräfin Samvilow Die Erwähnung des Comersees erinnert mich an den poetischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0522" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182332"/> <p xml:id="ID_1222" prev="#ID_1221"> hat im abgelaufenen Betriebsjahr allein 399,882 Passagiere beför¬<lb/> dert und mag uns eine Probe der Frequenz liefern, die die große<lb/> italienische Schienenstraße, welche die beiden Hauptstädte des Landes<lb/> mit einander verbindet, zu erwarten hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1223"> Ein neues Unternehmen von Wichtigkeit betrifft die Dampfschiff-<lb/> fahrt auf dem Po, die bisher, wegen der eigenthümlichen Natur die¬<lb/> ses Stromes noch nicht in Anwendung gekommen ist. Unter dem<lb/> Vortritt des ausgezeichneten Patrioten Graf Mocenigo hat sich näm¬<lb/> lich ein Actienverein zur Beschiffung des Po mit Dampfbooten<lb/> gebildet, deren erster Versuch als gelungen zu betrachten ist, indem<lb/> das in Venedig gebaute Dampfschiff: Ounte88» (üvmentinit die Fahrt<lb/> von der Mündung des Flusses bis nach Pavia an der sardinischen<lb/> Grenze mit I Schuh Tiefgang und einer Schnelligkeit von 5 Mig-<lb/> lien in der Stunde, in 5t) Stunden zurücklegte. Bringt man die<lb/> Hindernisse in Anschlag, welche wiederholte Fahrten beseitigen wer¬<lb/> den, so scheint es gar keinem Zweifel unterworfen, daß die Strecke<lb/> vom adriatischen Meere his nach Pavia in Zukunft zu Berg in 35<lb/> und zu Thal in 29 Stunden zu durchschiffen sein werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1224"> Die hier noch im vollen Andenken befindliche Gräfin Samvilow<lb/> eine geborene Gräfin Pahlen ist durch ihre romantische Ehe mit dem<lb/> Franzosen Perro, den sie auf einer italienischen Bühne kennen gelernt,<lb/> wieder zum Tagsgespräch der Gesellschaftszirkel geworden, in denen sie<lb/> sich eine Reihe von Jahren hindurch bewegt hatte. Die Gräfin Sa¬<lb/> mvilow lebte hier als emancipirte Dame auf großem Fuß und ihr<lb/> Haus war ein Sammelplatz aller Kunstnotabilitäten und ausgezeichne¬<lb/> ten Männer in jeder Sphäre; Generäle und Sänger, Maler und<lb/> hohe Staatsbeamte gingen dort ein und aus und verliehen ihrem<lb/> Salon einen Anstrich genialer Ungezwungenheit und vollendeter Ge¬<lb/> selligkeit, wie er in Italien und zumal im österreichischen Gebiet wohl<lb/> selten zu finden sein mag. Die Frau Gräfin, welche in dem gefähr¬<lb/> lichen, von Balzac so vortrefflich geschilderten Alter zwischen 25 und<lb/> 36 Jahren stand, besaß ein gefühlvolles Herz, dessen wechselvolle<lb/> Schicksale der Fama der Stadt den reichlichsten Stoff lieferten. Man<lb/> erzählt, daß in dem Palast der Gräfin sich ein Saal befand, in dem<lb/> die von guten Meistern aus schönem Mormor gefertigten Büsten der<lb/> ausgezeichnetsten Männer aufgestellt waren, denen sie irgend einmal<lb/> ihre Huld geschenkt hatte. Außer ihrer Villa am Comersee hat sie<lb/> gegenwärtig keine Besitzung mehr auf italischen Boden und wird die<lb/> Freuden der Ehe in dem geräuschvollen Paris genießen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1225" next="#ID_1226"> Die Erwähnung des Comersees erinnert mich an den poetischen<lb/> Tischler, der recht artige Sonette hobelt und in der reizenden Seestadt<lb/> ein sonderbares Doppelhandwerk ausübt; in Deutschland besitzt die<lb/> Schuster- und Schneiderzunft fast ausschließlich unter den Handwer¬<lb/> kern die dichterische Ader; in Italien und Frankreich zeigt sich die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0522]
hat im abgelaufenen Betriebsjahr allein 399,882 Passagiere beför¬
dert und mag uns eine Probe der Frequenz liefern, die die große
italienische Schienenstraße, welche die beiden Hauptstädte des Landes
mit einander verbindet, zu erwarten hat.
Ein neues Unternehmen von Wichtigkeit betrifft die Dampfschiff-
fahrt auf dem Po, die bisher, wegen der eigenthümlichen Natur die¬
ses Stromes noch nicht in Anwendung gekommen ist. Unter dem
Vortritt des ausgezeichneten Patrioten Graf Mocenigo hat sich näm¬
lich ein Actienverein zur Beschiffung des Po mit Dampfbooten
gebildet, deren erster Versuch als gelungen zu betrachten ist, indem
das in Venedig gebaute Dampfschiff: Ounte88» (üvmentinit die Fahrt
von der Mündung des Flusses bis nach Pavia an der sardinischen
Grenze mit I Schuh Tiefgang und einer Schnelligkeit von 5 Mig-
lien in der Stunde, in 5t) Stunden zurücklegte. Bringt man die
Hindernisse in Anschlag, welche wiederholte Fahrten beseitigen wer¬
den, so scheint es gar keinem Zweifel unterworfen, daß die Strecke
vom adriatischen Meere his nach Pavia in Zukunft zu Berg in 35
und zu Thal in 29 Stunden zu durchschiffen sein werde.
Die hier noch im vollen Andenken befindliche Gräfin Samvilow
eine geborene Gräfin Pahlen ist durch ihre romantische Ehe mit dem
Franzosen Perro, den sie auf einer italienischen Bühne kennen gelernt,
wieder zum Tagsgespräch der Gesellschaftszirkel geworden, in denen sie
sich eine Reihe von Jahren hindurch bewegt hatte. Die Gräfin Sa¬
mvilow lebte hier als emancipirte Dame auf großem Fuß und ihr
Haus war ein Sammelplatz aller Kunstnotabilitäten und ausgezeichne¬
ten Männer in jeder Sphäre; Generäle und Sänger, Maler und
hohe Staatsbeamte gingen dort ein und aus und verliehen ihrem
Salon einen Anstrich genialer Ungezwungenheit und vollendeter Ge¬
selligkeit, wie er in Italien und zumal im österreichischen Gebiet wohl
selten zu finden sein mag. Die Frau Gräfin, welche in dem gefähr¬
lichen, von Balzac so vortrefflich geschilderten Alter zwischen 25 und
36 Jahren stand, besaß ein gefühlvolles Herz, dessen wechselvolle
Schicksale der Fama der Stadt den reichlichsten Stoff lieferten. Man
erzählt, daß in dem Palast der Gräfin sich ein Saal befand, in dem
die von guten Meistern aus schönem Mormor gefertigten Büsten der
ausgezeichnetsten Männer aufgestellt waren, denen sie irgend einmal
ihre Huld geschenkt hatte. Außer ihrer Villa am Comersee hat sie
gegenwärtig keine Besitzung mehr auf italischen Boden und wird die
Freuden der Ehe in dem geräuschvollen Paris genießen.
Die Erwähnung des Comersees erinnert mich an den poetischen
Tischler, der recht artige Sonette hobelt und in der reizenden Seestadt
ein sonderbares Doppelhandwerk ausübt; in Deutschland besitzt die
Schuster- und Schneiderzunft fast ausschließlich unter den Handwer¬
kern die dichterische Ader; in Italien und Frankreich zeigt sich die
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