Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.halten lernte, in welche das preußische "Princip" sie einschränkt, halten lernte, in welche das preußische „Princip" sie einschränkt, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0051" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181861"/> <p xml:id="ID_95" prev="#ID_94" next="#ID_96"> halten lernte, in welche das preußische „Princip" sie einschränkt,<lb/> theils damit die Negierung Zeit gewönne, Organe zuzubereiten, welche<lb/> den jedesmaligen Standpunkt der Regierung behaupten könnten, ohne<lb/> Gefahr zu laufen, daß ihre Stimme von dem allzu lauten Geschrei<lb/> der oppositionellen Organe augenblicklich erstickt würde. So ein¬<lb/> schmeichelnd dieser Gedanke sein mochte, so ist er doch nichts weiter<lb/> als eine Phantasmagorie, und mußte in seiner Verwirklichung, wie<lb/> denn bereits geschehen ist, zum Nachtheile der Regierung ausschlagen.<lb/> Eigentliche Rcgierungsorgane kann es in Preußen nicht geben. Was<lb/> sollten diese wohl leisten? Die Principien vertheidigen, von welchen<lb/> sich die Regierung leiten läßt? Aber diesen Principien stehen andere<lb/> entgegen; die entgegenstehenden Principien sind von vorn herein un¬<lb/> berechtigt, weil sie nicht die der Regierung sind, dürfen gar nicht zu<lb/> Worte kommen, dürfen nicht dahin arbeiten wollen, wie in Frank¬<lb/> reich oder England, sich selbst ans Regiment zu bringen: es ist also<lb/> kein Kampf mit ihnen möglich; sie werden nach wie vor darauf be¬<lb/> schränkt sein, sich ihr Bißchen Existenz hinterrücks zu erlisten; für die<lb/> Regierungsorgane würde es aber immer gefährlich sein, dergleichen Ma¬<lb/> növer der principiell oppositionellen Presse wirklich und offen aufzu¬<lb/> decken, weil dies nicht möglich ist, ohne die Principien der Regierung<lb/> selber blos zu stellen und preis zu geben. Oder sollten nur Maßre¬<lb/> geln, Gesetze u. dergl. vertheidigt werden? Aber das könnte wirksam<lb/> nur dadurch geschehen, daß man die Motive veröffentlichte. Die<lb/> Motive veröffentlichen heißt aber, hundert Blößen statt einer geben;<lb/> denn was auf der Welt ließe sich nicht angreifen? Es ist sehr ge¬<lb/> fährlich, solche Gesetze, welche nicht durch eine Volksvertretung be¬<lb/> rathen und genehmigt worden sind, hinterher nachdem sie dem Volke<lb/> von der Regierung aufgelegt worden, einleuchtend machen zu wollen;<lb/> denn das heißt nur, dem Zweifel Waffen in die Hand geben und<lb/> die Lust der Unterwerfung unter das Gesetz schwächen. Oder sollten<lb/> nur falsche oder böswillige und gehässige Mittheilungen und Aeuße¬<lb/> rungen der oppositionellen Tagespresse widerlegt und, wie man es<lb/> nennt, berichtigt werden? Aber dieser Kampf mit der Hyder der<lb/> oppositionellen Tagespresse, den jetzt wirklich die officiösen Organ", wie<lb/> der Rheinische Beobachter und andere, führen, ist so kleinlich und wi¬<lb/> drig, daß er nur dazu dienen kann, mit den gedachten Organen die<lb/> Negierung selbst, die doch über derartige Zänkereien im Gefühle ihrer<lb/> Kraft und ihrer Würde erhaben sein sollte, in Mißkredit zu setzen<lb/> oder verdächtig zu machen. Es ist für eine Regierung, wie die preu¬<lb/> ßische, nicht wohlgethan, mit der Presse zu transigiren. Sie kann<lb/> nichts thun, als fest und ruhig ihren Gang gehen, ihre Principien,<lb/> wenn sie welche hat, factisch aufrecht erhalten, und es darauf ankom¬<lb/> men lassen, ob sie nicht in der Presse, falls sie dieser, wenigstens<lb/> innerhalb der geltenden Principien, einen freien Spielraum läßt, und</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0051]
halten lernte, in welche das preußische „Princip" sie einschränkt,
theils damit die Negierung Zeit gewönne, Organe zuzubereiten, welche
den jedesmaligen Standpunkt der Regierung behaupten könnten, ohne
Gefahr zu laufen, daß ihre Stimme von dem allzu lauten Geschrei
der oppositionellen Organe augenblicklich erstickt würde. So ein¬
schmeichelnd dieser Gedanke sein mochte, so ist er doch nichts weiter
als eine Phantasmagorie, und mußte in seiner Verwirklichung, wie
denn bereits geschehen ist, zum Nachtheile der Regierung ausschlagen.
Eigentliche Rcgierungsorgane kann es in Preußen nicht geben. Was
sollten diese wohl leisten? Die Principien vertheidigen, von welchen
sich die Regierung leiten läßt? Aber diesen Principien stehen andere
entgegen; die entgegenstehenden Principien sind von vorn herein un¬
berechtigt, weil sie nicht die der Regierung sind, dürfen gar nicht zu
Worte kommen, dürfen nicht dahin arbeiten wollen, wie in Frank¬
reich oder England, sich selbst ans Regiment zu bringen: es ist also
kein Kampf mit ihnen möglich; sie werden nach wie vor darauf be¬
schränkt sein, sich ihr Bißchen Existenz hinterrücks zu erlisten; für die
Regierungsorgane würde es aber immer gefährlich sein, dergleichen Ma¬
növer der principiell oppositionellen Presse wirklich und offen aufzu¬
decken, weil dies nicht möglich ist, ohne die Principien der Regierung
selber blos zu stellen und preis zu geben. Oder sollten nur Maßre¬
geln, Gesetze u. dergl. vertheidigt werden? Aber das könnte wirksam
nur dadurch geschehen, daß man die Motive veröffentlichte. Die
Motive veröffentlichen heißt aber, hundert Blößen statt einer geben;
denn was auf der Welt ließe sich nicht angreifen? Es ist sehr ge¬
fährlich, solche Gesetze, welche nicht durch eine Volksvertretung be¬
rathen und genehmigt worden sind, hinterher nachdem sie dem Volke
von der Regierung aufgelegt worden, einleuchtend machen zu wollen;
denn das heißt nur, dem Zweifel Waffen in die Hand geben und
die Lust der Unterwerfung unter das Gesetz schwächen. Oder sollten
nur falsche oder böswillige und gehässige Mittheilungen und Aeuße¬
rungen der oppositionellen Tagespresse widerlegt und, wie man es
nennt, berichtigt werden? Aber dieser Kampf mit der Hyder der
oppositionellen Tagespresse, den jetzt wirklich die officiösen Organ", wie
der Rheinische Beobachter und andere, führen, ist so kleinlich und wi¬
drig, daß er nur dazu dienen kann, mit den gedachten Organen die
Negierung selbst, die doch über derartige Zänkereien im Gefühle ihrer
Kraft und ihrer Würde erhaben sein sollte, in Mißkredit zu setzen
oder verdächtig zu machen. Es ist für eine Regierung, wie die preu¬
ßische, nicht wohlgethan, mit der Presse zu transigiren. Sie kann
nichts thun, als fest und ruhig ihren Gang gehen, ihre Principien,
wenn sie welche hat, factisch aufrecht erhalten, und es darauf ankom¬
men lassen, ob sie nicht in der Presse, falls sie dieser, wenigstens
innerhalb der geltenden Principien, einen freien Spielraum läßt, und
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