Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.den dürfen? -- Der Alte, der in der Tiefe seines Herzens die den dürfen? — Der Alte, der in der Tiefe seines Herzens die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0498" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182308"/> <p xml:id="ID_1176" prev="#ID_1175" next="#ID_1177"> den dürfen? — Der Alte, der in der Tiefe seines Herzens die<lb/> Kinder seines Alters aufrichtig liebte und ihren Werth wohl be-<lb/> griff, antwortete hierauf: Deine Forderung ist billig, aber mein<lb/> Sohn, der Ritter, ist Herr der Waldung; euch alle würde er<lb/> nicht dulden, aber dir allein, als dem Ältesten und tapfersten will<lb/> ich auf eigene Faust hin das Recht gewähren. Der Ritter und<lb/> der Junker schauten mürrisch drein, als sie zum ersten Male dem<lb/> neuen Jagdgenossen in ihren Revieren begegneten. Aber er war<lb/> so bescheiden und einsam, und sie ließen ihn gewähren. Und wieder<lb/> kam ein Strauß und die Mauern des Schlosses schienen kaum der<lb/> Zahl der Feinde länger widerstehen zu können. Aber der zweite<lb/> Sohn hatte ein neues Wurfgeschoß erfunden, das mit einem Wurfe<lb/> fünfzig Feinde erlegte. Diese flohen in Verwirrung. Aber als<lb/> der Sieg errungen war, trat der Erretter vor seinen Vater hin uno<lb/> sprach: Vater sind wir nicht so gut deine Kinder und Enkel, wie<lb/> der Ritter und der Junker, wir schützen deine Schwelle, wir er¬<lb/> weitern deine Gebiete, warum sollen wir nicht auch in den For¬<lb/> sten ein gutes Stück Wild zum Lohne uns holen dürfen? Der<lb/> Alte verfiel in ein langes Sinnen — endlich ermannte er sich und<lb/> sprach: Deine Forderung ist billig mein Sohn, aber der Ritter ist<lb/> Herr der Waldung, euch Alle würde er nicht dulden, aber weil<lb/> du durch fast übermenschliche Kraft aus so großer Gefahr uns ge¬<lb/> rissen, so will ich auf eigene Faust gleich deinem ältern Bruder dir<lb/> das Recht gewähren. Als der Ritter und der Junker zum er¬<lb/> stenmale dem neuen Waidgesellen begegneten, hielten sie ihre Rosse<lb/> zornig an, aber dieser verbeugte sich tief, und da gerade ein aus¬<lb/> gehungerte Heer von Wölfen die Gegend in Schrecken setzte, so<lb/> ließen sie sich den Zuwachs im Stillen gefallen. — Zu jener Zeit<lb/> war in Schwaben ein großes Wettstngen ausgeschrieben. Die<lb/> edelste Blüte des Landes war herbeigeeilt um den goldenen Lor¬<lb/> beer aus der Hand der schönsten Fran zu erringen. Aber alle<lb/> überflügelte ein Einziger, der mit gleich wunderbarer Gewalt die<lb/> kühnsten Lieder dichtete und zur Harfe sang. Der Name des Sie¬<lb/> gers ging von Mund zu Munde durch alle deutschen Gauen, alles<lb/> beneidete den Vater eines solchen Sohnes, die Heimat eines sol,<lb/> chen Sängers. Auch bis in, die einsamen Gemächer des Burg¬<lb/> grafen drang die Kunde: da trat der dritte Sohn Walpurgas</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0498]
den dürfen? — Der Alte, der in der Tiefe seines Herzens die
Kinder seines Alters aufrichtig liebte und ihren Werth wohl be-
griff, antwortete hierauf: Deine Forderung ist billig, aber mein
Sohn, der Ritter, ist Herr der Waldung; euch alle würde er
nicht dulden, aber dir allein, als dem Ältesten und tapfersten will
ich auf eigene Faust hin das Recht gewähren. Der Ritter und
der Junker schauten mürrisch drein, als sie zum ersten Male dem
neuen Jagdgenossen in ihren Revieren begegneten. Aber er war
so bescheiden und einsam, und sie ließen ihn gewähren. Und wieder
kam ein Strauß und die Mauern des Schlosses schienen kaum der
Zahl der Feinde länger widerstehen zu können. Aber der zweite
Sohn hatte ein neues Wurfgeschoß erfunden, das mit einem Wurfe
fünfzig Feinde erlegte. Diese flohen in Verwirrung. Aber als
der Sieg errungen war, trat der Erretter vor seinen Vater hin uno
sprach: Vater sind wir nicht so gut deine Kinder und Enkel, wie
der Ritter und der Junker, wir schützen deine Schwelle, wir er¬
weitern deine Gebiete, warum sollen wir nicht auch in den For¬
sten ein gutes Stück Wild zum Lohne uns holen dürfen? Der
Alte verfiel in ein langes Sinnen — endlich ermannte er sich und
sprach: Deine Forderung ist billig mein Sohn, aber der Ritter ist
Herr der Waldung, euch Alle würde er nicht dulden, aber weil
du durch fast übermenschliche Kraft aus so großer Gefahr uns ge¬
rissen, so will ich auf eigene Faust gleich deinem ältern Bruder dir
das Recht gewähren. Als der Ritter und der Junker zum er¬
stenmale dem neuen Waidgesellen begegneten, hielten sie ihre Rosse
zornig an, aber dieser verbeugte sich tief, und da gerade ein aus¬
gehungerte Heer von Wölfen die Gegend in Schrecken setzte, so
ließen sie sich den Zuwachs im Stillen gefallen. — Zu jener Zeit
war in Schwaben ein großes Wettstngen ausgeschrieben. Die
edelste Blüte des Landes war herbeigeeilt um den goldenen Lor¬
beer aus der Hand der schönsten Fran zu erringen. Aber alle
überflügelte ein Einziger, der mit gleich wunderbarer Gewalt die
kühnsten Lieder dichtete und zur Harfe sang. Der Name des Sie¬
gers ging von Mund zu Munde durch alle deutschen Gauen, alles
beneidete den Vater eines solchen Sohnes, die Heimat eines sol,
chen Sängers. Auch bis in, die einsamen Gemächer des Burg¬
grafen drang die Kunde: da trat der dritte Sohn Walpurgas
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