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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Privatpolemik keiner politischen Sache gedient sei; dagegen werden
die betheiligten Herren (Stande) aufgefordert, über ihre Tendenzen
und den Gehalt ihrer Bestrebungen der öffentlichen Meinung in
Deutschland Aufschlüsse zu verschaffen.

Wir hegen die Ueberzeugung, daß die einzelnen Mitglieder un¬
serer Stande eben so wenig, wie deren Gesammtheit die öffentliche
Meinung zu scheuen haben; doch glauben und hoffen wir, daß Böh¬
mens Stände sich nie, am wenigsten aber durch derlei Artikel, veran¬
laßt finden werden, an die öffentliche Meinung Deutschlands zu ap-
pelircn. So lange die Thüren des Versammlungssaales der Oeffent-
lichkeit verschlossen sind, wäre jeder Bericht, aus der Versammlung
selbst hervorgehend, eine Ordnungswidrigkeit, wozu wohl keiner der
Herrn seinen Namen hergeben wird; Berichte ohne Namen aber, von
wem immer geschrieben, entbehren aller Autorität und werden, noch
so leidenschaftslos, noch so der Wahrheit gemäß verfaßt, dem Vor¬
würfe der Einseitigkeit nie entgehen. Anderseitige, eben auch einseitige
Ansichten würden nicht fehlen, diese Privatpolemik von der Re--
daction in Ur. ö richtig gewürdigt, müßte als der Stände unwürdig
jeden Freund des Vaterlandes mit Leidwesen erfüllen.

Die Verfassung, wie wir sie in der Form ziemlich unverändert
aus grauer Vorzeit überkommen haben, ist auf Adel und Grundbe¬
sitz gegründet, durchaus aristokratisch; wenn auch einzelne privilegirte
Städte jetzt durch vier Regierungsbeamte des Prager Magistrats re-
präsentirt, das Ehrenrecht genießen, der vierte Stand genannt zu wer¬
den. Daß solche Institutionen den Verfassungssreunden der Neuzeit
übergenügendm Stoff zum Aerger geben, ist natürlich, daß solcher sich
gelegenheillich in einem Zournalartikel Luft macht, ist um so begreif¬
licher, je weniger bei uns die Feder eines freisinnigen Literaten durch
den Gebrauch abgestumpft wird. Die Pflicht, solche Artikel, weil
partheiisch, einseitig, leidenschaftlich, um so mehr öffentlich zu wider¬
legen, können wir nicht finden; denn der Leidenschaft antwortet die
Besonnenheit nicht, und die ausgesprochene Ansicht einer Partei kann
nicht anders als einseitig sein. Uebrigens haben auch solche Artikel
ihr Gutes, sie machen mit Ansichten bekannt, die man hier auf an¬
dern Wegen kaum erfahren würde, und erleuchten dem klugen Wan¬
derer den einzuschlagenden Pfad. Die Stände Böhmens werden die¬
se klugen Wanderer sein und bleiben, das sprechen wir mit froher
Zuversicht aus, und werden Hand in Hand mit der so väterlichen als
gerechten Regierung ihre alten Rechte nur zum Wohle Aller üben.
Ob Böhmens Stande diesen Willen haben, ob sie ihn durchführen
werden, durchführen können ^ muß und wird die Zeit lehren.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Knranda.
Druck von Friedrich Andrä.

Privatpolemik keiner politischen Sache gedient sei; dagegen werden
die betheiligten Herren (Stande) aufgefordert, über ihre Tendenzen
und den Gehalt ihrer Bestrebungen der öffentlichen Meinung in
Deutschland Aufschlüsse zu verschaffen.

Wir hegen die Ueberzeugung, daß die einzelnen Mitglieder un¬
serer Stande eben so wenig, wie deren Gesammtheit die öffentliche
Meinung zu scheuen haben; doch glauben und hoffen wir, daß Böh¬
mens Stände sich nie, am wenigsten aber durch derlei Artikel, veran¬
laßt finden werden, an die öffentliche Meinung Deutschlands zu ap-
pelircn. So lange die Thüren des Versammlungssaales der Oeffent-
lichkeit verschlossen sind, wäre jeder Bericht, aus der Versammlung
selbst hervorgehend, eine Ordnungswidrigkeit, wozu wohl keiner der
Herrn seinen Namen hergeben wird; Berichte ohne Namen aber, von
wem immer geschrieben, entbehren aller Autorität und werden, noch
so leidenschaftslos, noch so der Wahrheit gemäß verfaßt, dem Vor¬
würfe der Einseitigkeit nie entgehen. Anderseitige, eben auch einseitige
Ansichten würden nicht fehlen, diese Privatpolemik von der Re--
daction in Ur. ö richtig gewürdigt, müßte als der Stände unwürdig
jeden Freund des Vaterlandes mit Leidwesen erfüllen.

Die Verfassung, wie wir sie in der Form ziemlich unverändert
aus grauer Vorzeit überkommen haben, ist auf Adel und Grundbe¬
sitz gegründet, durchaus aristokratisch; wenn auch einzelne privilegirte
Städte jetzt durch vier Regierungsbeamte des Prager Magistrats re-
präsentirt, das Ehrenrecht genießen, der vierte Stand genannt zu wer¬
den. Daß solche Institutionen den Verfassungssreunden der Neuzeit
übergenügendm Stoff zum Aerger geben, ist natürlich, daß solcher sich
gelegenheillich in einem Zournalartikel Luft macht, ist um so begreif¬
licher, je weniger bei uns die Feder eines freisinnigen Literaten durch
den Gebrauch abgestumpft wird. Die Pflicht, solche Artikel, weil
partheiisch, einseitig, leidenschaftlich, um so mehr öffentlich zu wider¬
legen, können wir nicht finden; denn der Leidenschaft antwortet die
Besonnenheit nicht, und die ausgesprochene Ansicht einer Partei kann
nicht anders als einseitig sein. Uebrigens haben auch solche Artikel
ihr Gutes, sie machen mit Ansichten bekannt, die man hier auf an¬
dern Wegen kaum erfahren würde, und erleuchten dem klugen Wan¬
derer den einzuschlagenden Pfad. Die Stände Böhmens werden die¬
se klugen Wanderer sein und bleiben, das sprechen wir mit froher
Zuversicht aus, und werden Hand in Hand mit der so väterlichen als
gerechten Regierung ihre alten Rechte nur zum Wohle Aller üben.
Ob Böhmens Stande diesen Willen haben, ob sie ihn durchführen
werden, durchführen können ^ muß und wird die Zeit lehren.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Knranda.
Druck von Friedrich Andrä.
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[0480] Privatpolemik keiner politischen Sache gedient sei; dagegen werden die betheiligten Herren (Stande) aufgefordert, über ihre Tendenzen und den Gehalt ihrer Bestrebungen der öffentlichen Meinung in Deutschland Aufschlüsse zu verschaffen. Wir hegen die Ueberzeugung, daß die einzelnen Mitglieder un¬ serer Stande eben so wenig, wie deren Gesammtheit die öffentliche Meinung zu scheuen haben; doch glauben und hoffen wir, daß Böh¬ mens Stände sich nie, am wenigsten aber durch derlei Artikel, veran¬ laßt finden werden, an die öffentliche Meinung Deutschlands zu ap- pelircn. So lange die Thüren des Versammlungssaales der Oeffent- lichkeit verschlossen sind, wäre jeder Bericht, aus der Versammlung selbst hervorgehend, eine Ordnungswidrigkeit, wozu wohl keiner der Herrn seinen Namen hergeben wird; Berichte ohne Namen aber, von wem immer geschrieben, entbehren aller Autorität und werden, noch so leidenschaftslos, noch so der Wahrheit gemäß verfaßt, dem Vor¬ würfe der Einseitigkeit nie entgehen. Anderseitige, eben auch einseitige Ansichten würden nicht fehlen, diese Privatpolemik von der Re-- daction in Ur. ö richtig gewürdigt, müßte als der Stände unwürdig jeden Freund des Vaterlandes mit Leidwesen erfüllen. Die Verfassung, wie wir sie in der Form ziemlich unverändert aus grauer Vorzeit überkommen haben, ist auf Adel und Grundbe¬ sitz gegründet, durchaus aristokratisch; wenn auch einzelne privilegirte Städte jetzt durch vier Regierungsbeamte des Prager Magistrats re- präsentirt, das Ehrenrecht genießen, der vierte Stand genannt zu wer¬ den. Daß solche Institutionen den Verfassungssreunden der Neuzeit übergenügendm Stoff zum Aerger geben, ist natürlich, daß solcher sich gelegenheillich in einem Zournalartikel Luft macht, ist um so begreif¬ licher, je weniger bei uns die Feder eines freisinnigen Literaten durch den Gebrauch abgestumpft wird. Die Pflicht, solche Artikel, weil partheiisch, einseitig, leidenschaftlich, um so mehr öffentlich zu wider¬ legen, können wir nicht finden; denn der Leidenschaft antwortet die Besonnenheit nicht, und die ausgesprochene Ansicht einer Partei kann nicht anders als einseitig sein. Uebrigens haben auch solche Artikel ihr Gutes, sie machen mit Ansichten bekannt, die man hier auf an¬ dern Wegen kaum erfahren würde, und erleuchten dem klugen Wan¬ derer den einzuschlagenden Pfad. Die Stände Böhmens werden die¬ se klugen Wanderer sein und bleiben, das sprechen wir mit froher Zuversicht aus, und werden Hand in Hand mit der so väterlichen als gerechten Regierung ihre alten Rechte nur zum Wohle Aller üben. Ob Böhmens Stande diesen Willen haben, ob sie ihn durchführen werden, durchführen können ^ muß und wird die Zeit lehren. Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Knranda. Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/480>, abgerufen am 22.12.2024.