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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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hier einschlagenden Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts zu ver¬
gleichen sondern mit -- denen in dem "Entwürfe eines Allgemeinen
Strafgesetzbuches", welcher kürzlich den Provinzialstanden vorgelegt
worden. Sonderbar! werden Sie sagen; bereits hast"heute Gesetze
mit noch gar nicht eingeführten, sondern nur erst als Nribryo vor¬
handenen zu vergleichen, um daraus die Gleichheit des Rechts zwi¬
schen dem unter jenen stehenden und dem noch nicht unter diesen
stehenden Stande zu folgern! Ja wohl, sonderbar. ^Aber Sie kennen
ja bereits die Logik des Rheinischen Beobachters. - Nun gut! lassen
wir uns die Art und Weise wie dieser Beobachter beobachtet, einmal
gefallen; denken wir uns den Strafgesetzentwurf zum wirklichen Ge¬
setze geworden, und acceptiren wir die Begleichung des für die Mi-
litairs geltenden Duellgesetzes mit dem entsprechenden des neuen bür¬
gerlichen Strafgesetzbuches! Was wird das Ergebniß fein? Dies,
wie der Rheinische Beobachter selbst gesteht, daß für die gewöhnlichen
Falle, nämlich, wo der Tod eines Duellanten nicht erfolgt, das
Strafmaß für die Militairs durchgängig geringer gegriffen ist, als
das für die Civilpersonen. Aber -- der Rheinische Beobachter laßt
sich durch eine solche Kleinigkeit noch lange nicht aus dem Felde schla¬
gen. Hören Sie nur! "Der Grund", sagt er, "der Grund dürste
einfach der sein, daß grade rücksichtlich dieser einfachen Duelle die
Versuchung für Officiere viel größer ist, als für andere Staatsange¬
hörige." Nicht wahr, das ist vortrefflich auscalculirt. Leute von
gemeinem Verstände denken vielleicht, daß, je größer die Versuchung
ist, desto mehr dieselbe durch gesetzliche Strenge und durch das Maaß des
Uebels dem man sich, der Versuchung nachgebend aussetzt, verringert
werden sollte. Aber beugen wir uns vor der ungemeinen Weisheit
des Rheinischen Beobachters! Derselbe spricht noch schließlich seine
Entrüstung aus über die ewigen' "Eifersüchteleien zwischen Civil und
Militair." Er ermahnt uns dringend, davon abzulassen: natürlich
ist nur an uns Civilisten die Ermahnung gerichtet; denn den Ofsicier-
stand erst noch solcher Ermahnung bedürftig zu achten, welche Ver¬
messenheit wäre das! "Was ist denn das preußische Heer?" ruft uns
der Rheinische Beobachter zu. "Das Volk in Waffen", antwortet
er, das wassengeübre Volk. Was ist das stehende Heer? "Die allge¬
meine Volkskriegsschule." Und nun, er wird immer sentimentaler.
"Und die Schulmeister an dieser Schule -- das, nichts anderes sind
in Friedenszeiten die Officiere der Armee, mit ihren ehrenwecthen
GeHülsen, den Unterofficieren. Schulmeister, Schulmeister sind sie,
nicht blos in der Wassenführung, sondern -- in aller Gesittung."
-- Wischer Sie, wischen Sie Ihre Thränen von den Backen ab, ich
bitte Sie, ich thue desgleichen. -- Aber seta, Herr Beobachter! seta!
Bedenken Sie wohl, was Sie sagen. Also Schulmeister, nicht blos
in der Waffenführung, sondern in aller Gesittung! Und unsers


hier einschlagenden Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts zu ver¬
gleichen sondern mit — denen in dem „Entwürfe eines Allgemeinen
Strafgesetzbuches", welcher kürzlich den Provinzialstanden vorgelegt
worden. Sonderbar! werden Sie sagen; bereits hast»heute Gesetze
mit noch gar nicht eingeführten, sondern nur erst als Nribryo vor¬
handenen zu vergleichen, um daraus die Gleichheit des Rechts zwi¬
schen dem unter jenen stehenden und dem noch nicht unter diesen
stehenden Stande zu folgern! Ja wohl, sonderbar. ^Aber Sie kennen
ja bereits die Logik des Rheinischen Beobachters. - Nun gut! lassen
wir uns die Art und Weise wie dieser Beobachter beobachtet, einmal
gefallen; denken wir uns den Strafgesetzentwurf zum wirklichen Ge¬
setze geworden, und acceptiren wir die Begleichung des für die Mi-
litairs geltenden Duellgesetzes mit dem entsprechenden des neuen bür¬
gerlichen Strafgesetzbuches! Was wird das Ergebniß fein? Dies,
wie der Rheinische Beobachter selbst gesteht, daß für die gewöhnlichen
Falle, nämlich, wo der Tod eines Duellanten nicht erfolgt, das
Strafmaß für die Militairs durchgängig geringer gegriffen ist, als
das für die Civilpersonen. Aber — der Rheinische Beobachter laßt
sich durch eine solche Kleinigkeit noch lange nicht aus dem Felde schla¬
gen. Hören Sie nur! „Der Grund", sagt er, „der Grund dürste
einfach der sein, daß grade rücksichtlich dieser einfachen Duelle die
Versuchung für Officiere viel größer ist, als für andere Staatsange¬
hörige." Nicht wahr, das ist vortrefflich auscalculirt. Leute von
gemeinem Verstände denken vielleicht, daß, je größer die Versuchung
ist, desto mehr dieselbe durch gesetzliche Strenge und durch das Maaß des
Uebels dem man sich, der Versuchung nachgebend aussetzt, verringert
werden sollte. Aber beugen wir uns vor der ungemeinen Weisheit
des Rheinischen Beobachters! Derselbe spricht noch schließlich seine
Entrüstung aus über die ewigen' „Eifersüchteleien zwischen Civil und
Militair." Er ermahnt uns dringend, davon abzulassen: natürlich
ist nur an uns Civilisten die Ermahnung gerichtet; denn den Ofsicier-
stand erst noch solcher Ermahnung bedürftig zu achten, welche Ver¬
messenheit wäre das! „Was ist denn das preußische Heer?" ruft uns
der Rheinische Beobachter zu. „Das Volk in Waffen", antwortet
er, das wassengeübre Volk. Was ist das stehende Heer? „Die allge¬
meine Volkskriegsschule." Und nun, er wird immer sentimentaler.
„Und die Schulmeister an dieser Schule — das, nichts anderes sind
in Friedenszeiten die Officiere der Armee, mit ihren ehrenwecthen
GeHülsen, den Unterofficieren. Schulmeister, Schulmeister sind sie,
nicht blos in der Wassenführung, sondern — in aller Gesittung."
— Wischer Sie, wischen Sie Ihre Thränen von den Backen ab, ich
bitte Sie, ich thue desgleichen. — Aber seta, Herr Beobachter! seta!
Bedenken Sie wohl, was Sie sagen. Also Schulmeister, nicht blos
in der Waffenführung, sondern in aller Gesittung! Und unsers


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[0048] hier einschlagenden Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts zu ver¬ gleichen sondern mit — denen in dem „Entwürfe eines Allgemeinen Strafgesetzbuches", welcher kürzlich den Provinzialstanden vorgelegt worden. Sonderbar! werden Sie sagen; bereits hast»heute Gesetze mit noch gar nicht eingeführten, sondern nur erst als Nribryo vor¬ handenen zu vergleichen, um daraus die Gleichheit des Rechts zwi¬ schen dem unter jenen stehenden und dem noch nicht unter diesen stehenden Stande zu folgern! Ja wohl, sonderbar. ^Aber Sie kennen ja bereits die Logik des Rheinischen Beobachters. - Nun gut! lassen wir uns die Art und Weise wie dieser Beobachter beobachtet, einmal gefallen; denken wir uns den Strafgesetzentwurf zum wirklichen Ge¬ setze geworden, und acceptiren wir die Begleichung des für die Mi- litairs geltenden Duellgesetzes mit dem entsprechenden des neuen bür¬ gerlichen Strafgesetzbuches! Was wird das Ergebniß fein? Dies, wie der Rheinische Beobachter selbst gesteht, daß für die gewöhnlichen Falle, nämlich, wo der Tod eines Duellanten nicht erfolgt, das Strafmaß für die Militairs durchgängig geringer gegriffen ist, als das für die Civilpersonen. Aber — der Rheinische Beobachter laßt sich durch eine solche Kleinigkeit noch lange nicht aus dem Felde schla¬ gen. Hören Sie nur! „Der Grund", sagt er, „der Grund dürste einfach der sein, daß grade rücksichtlich dieser einfachen Duelle die Versuchung für Officiere viel größer ist, als für andere Staatsange¬ hörige." Nicht wahr, das ist vortrefflich auscalculirt. Leute von gemeinem Verstände denken vielleicht, daß, je größer die Versuchung ist, desto mehr dieselbe durch gesetzliche Strenge und durch das Maaß des Uebels dem man sich, der Versuchung nachgebend aussetzt, verringert werden sollte. Aber beugen wir uns vor der ungemeinen Weisheit des Rheinischen Beobachters! Derselbe spricht noch schließlich seine Entrüstung aus über die ewigen' „Eifersüchteleien zwischen Civil und Militair." Er ermahnt uns dringend, davon abzulassen: natürlich ist nur an uns Civilisten die Ermahnung gerichtet; denn den Ofsicier- stand erst noch solcher Ermahnung bedürftig zu achten, welche Ver¬ messenheit wäre das! „Was ist denn das preußische Heer?" ruft uns der Rheinische Beobachter zu. „Das Volk in Waffen", antwortet er, das wassengeübre Volk. Was ist das stehende Heer? „Die allge¬ meine Volkskriegsschule." Und nun, er wird immer sentimentaler. „Und die Schulmeister an dieser Schule — das, nichts anderes sind in Friedenszeiten die Officiere der Armee, mit ihren ehrenwecthen GeHülsen, den Unterofficieren. Schulmeister, Schulmeister sind sie, nicht blos in der Wassenführung, sondern — in aller Gesittung." — Wischer Sie, wischen Sie Ihre Thränen von den Backen ab, ich bitte Sie, ich thue desgleichen. — Aber seta, Herr Beobachter! seta! Bedenken Sie wohl, was Sie sagen. Also Schulmeister, nicht blos in der Waffenführung, sondern in aller Gesittung! Und unsers

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/48>, abgerufen am 22.12.2024.