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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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der Prager Zeitung einen Aufsatz, unter dem Titel: "Bemerkun¬
gen zu dem unter den Localnotizen der Prager Zeitung eingereih¬
ten Artikel: Der böhmische National-Ball," in Begleitung eines
Schreibens, worin sie um Aufnahme des Aufsatzes in das nächst.?
Blatt baten, mit dem Zusatz: "Sollte unsere billige Erwartung ge¬
täuscht werden, so müssen wir, wenn auch mit Widerstreben zur
Veröffentlichung des ganzen Vorgangs andere Wege ergreifen."

Der betreffende Aufsatz wurde indessen von der Prager Zei¬
tung nicht aufgenommen; er folgt hier dem Wesentlichen nach:

"Der böhmische National-Ball! Dieselbe Bezeichnung
des Festes enthielten die Einladungskarten. Mit welchem Rechte
trägt ein Gesellschaftsball, den einige Private arrangirten, diesen
Namen? Wo ist die Vollmacht, die die böhmische Nation diesen
Herren ausgestellt hat, in welcher sie dieselben zu ihren Vertretern
ernannte? Endlich, wer sind diese Männer, welche sich selbst so
kühn als Vertreter der böhmischen Nation erklären? Auf welchem
hohen politischen oder literarischen Standpunkt stehen sie, welche
Verdienste um das gesammte Vaterland schmücken ihre Namen und
geben ihnen gleichsam den Geleitsbrief, für alle ihre Landsleute
einzutreten? Wir hätten diesen Fragen noch viele beizufügen, z. B. war¬
um wird in dem besprochenen Aufsatze das zu gewärtigende czechi-
sche Theater, ein Nationaltheater genannt, während das ständische
diesen Namen nicht trägt und jenes doch nur ein Privatunterneh¬
men auf Actien sein wird? warum lesen wir in der "Bohemia"
und in "Ost und West", die als deutsche Blätter, doch wahrschein¬
lich für den deutsch sprechenden und deutsch gebildeten Theil der böh¬
mischen Nation bestimmt sind, statt deutscher Original-Aufsätze bei¬
nahe durchaus elende Uebersetzungen, und zwar größtenteils aus
slawischer Sprache? warum wird in diesen Blätmn jedes czechische
Dilettanten-Theater und jede sogenannte Beseda (d. h.: Reunion,
gesellschaftliche Unterhaltung) die auf dem Lande vorkommt, als
nationale Lebensäußerung begrüßt und ausposaunt, der Gedanke
an die Gründung einer czechischen Gewerbschule, schon als nationale
Gesinnung verkündigt (Ur. 4 von Ost und West des Jahres I84K)?
während man uns die vielerlei Nachrichten aus deutschen Gegen¬
den unseres Vaterlandes über Theater, großartige Musikfeste, und
über jeden sonstigen Fortschritt (z. B. die Errichtung einer Gewerb-


Grcrzbotc", 184". I. 57

der Prager Zeitung einen Aufsatz, unter dem Titel: „Bemerkun¬
gen zu dem unter den Localnotizen der Prager Zeitung eingereih¬
ten Artikel: Der böhmische National-Ball," in Begleitung eines
Schreibens, worin sie um Aufnahme des Aufsatzes in das nächst.?
Blatt baten, mit dem Zusatz: „Sollte unsere billige Erwartung ge¬
täuscht werden, so müssen wir, wenn auch mit Widerstreben zur
Veröffentlichung des ganzen Vorgangs andere Wege ergreifen."

Der betreffende Aufsatz wurde indessen von der Prager Zei¬
tung nicht aufgenommen; er folgt hier dem Wesentlichen nach:

„Der böhmische National-Ball! Dieselbe Bezeichnung
des Festes enthielten die Einladungskarten. Mit welchem Rechte
trägt ein Gesellschaftsball, den einige Private arrangirten, diesen
Namen? Wo ist die Vollmacht, die die böhmische Nation diesen
Herren ausgestellt hat, in welcher sie dieselben zu ihren Vertretern
ernannte? Endlich, wer sind diese Männer, welche sich selbst so
kühn als Vertreter der böhmischen Nation erklären? Auf welchem
hohen politischen oder literarischen Standpunkt stehen sie, welche
Verdienste um das gesammte Vaterland schmücken ihre Namen und
geben ihnen gleichsam den Geleitsbrief, für alle ihre Landsleute
einzutreten? Wir hätten diesen Fragen noch viele beizufügen, z. B. war¬
um wird in dem besprochenen Aufsatze das zu gewärtigende czechi-
sche Theater, ein Nationaltheater genannt, während das ständische
diesen Namen nicht trägt und jenes doch nur ein Privatunterneh¬
men auf Actien sein wird? warum lesen wir in der „Bohemia"
und in „Ost und West", die als deutsche Blätter, doch wahrschein¬
lich für den deutsch sprechenden und deutsch gebildeten Theil der böh¬
mischen Nation bestimmt sind, statt deutscher Original-Aufsätze bei¬
nahe durchaus elende Uebersetzungen, und zwar größtenteils aus
slawischer Sprache? warum wird in diesen Blätmn jedes czechische
Dilettanten-Theater und jede sogenannte Beseda (d. h.: Reunion,
gesellschaftliche Unterhaltung) die auf dem Lande vorkommt, als
nationale Lebensäußerung begrüßt und ausposaunt, der Gedanke
an die Gründung einer czechischen Gewerbschule, schon als nationale
Gesinnung verkündigt (Ur. 4 von Ost und West des Jahres I84K)?
während man uns die vielerlei Nachrichten aus deutschen Gegen¬
den unseres Vaterlandes über Theater, großartige Musikfeste, und
über jeden sonstigen Fortschritt (z. B. die Errichtung einer Gewerb-


Grcrzbotc», 184«. I. 57
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[0457] der Prager Zeitung einen Aufsatz, unter dem Titel: „Bemerkun¬ gen zu dem unter den Localnotizen der Prager Zeitung eingereih¬ ten Artikel: Der böhmische National-Ball," in Begleitung eines Schreibens, worin sie um Aufnahme des Aufsatzes in das nächst.? Blatt baten, mit dem Zusatz: „Sollte unsere billige Erwartung ge¬ täuscht werden, so müssen wir, wenn auch mit Widerstreben zur Veröffentlichung des ganzen Vorgangs andere Wege ergreifen." Der betreffende Aufsatz wurde indessen von der Prager Zei¬ tung nicht aufgenommen; er folgt hier dem Wesentlichen nach: „Der böhmische National-Ball! Dieselbe Bezeichnung des Festes enthielten die Einladungskarten. Mit welchem Rechte trägt ein Gesellschaftsball, den einige Private arrangirten, diesen Namen? Wo ist die Vollmacht, die die böhmische Nation diesen Herren ausgestellt hat, in welcher sie dieselben zu ihren Vertretern ernannte? Endlich, wer sind diese Männer, welche sich selbst so kühn als Vertreter der böhmischen Nation erklären? Auf welchem hohen politischen oder literarischen Standpunkt stehen sie, welche Verdienste um das gesammte Vaterland schmücken ihre Namen und geben ihnen gleichsam den Geleitsbrief, für alle ihre Landsleute einzutreten? Wir hätten diesen Fragen noch viele beizufügen, z. B. war¬ um wird in dem besprochenen Aufsatze das zu gewärtigende czechi- sche Theater, ein Nationaltheater genannt, während das ständische diesen Namen nicht trägt und jenes doch nur ein Privatunterneh¬ men auf Actien sein wird? warum lesen wir in der „Bohemia" und in „Ost und West", die als deutsche Blätter, doch wahrschein¬ lich für den deutsch sprechenden und deutsch gebildeten Theil der böh¬ mischen Nation bestimmt sind, statt deutscher Original-Aufsätze bei¬ nahe durchaus elende Uebersetzungen, und zwar größtenteils aus slawischer Sprache? warum wird in diesen Blätmn jedes czechische Dilettanten-Theater und jede sogenannte Beseda (d. h.: Reunion, gesellschaftliche Unterhaltung) die auf dem Lande vorkommt, als nationale Lebensäußerung begrüßt und ausposaunt, der Gedanke an die Gründung einer czechischen Gewerbschule, schon als nationale Gesinnung verkündigt (Ur. 4 von Ost und West des Jahres I84K)? während man uns die vielerlei Nachrichten aus deutschen Gegen¬ den unseres Vaterlandes über Theater, großartige Musikfeste, und über jeden sonstigen Fortschritt (z. B. die Errichtung einer Gewerb- Grcrzbotc», 184«. I. 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/457>, abgerufen am 27.07.2024.