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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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will mir sie nicht zur Feindin machen, denn ich könnte auch einmal
ein Stück schreiben, und sie ist jetzt Intendant des Berliner Thea¬
ters! -- ich will nur sagen, daß sie die komische Alte wie auf der
Bühne so auch im Leben ist. Man muß viel über sie lachen; sie
macht so gute derbe Späße, so gut und derb wie sie selbst ist. Ich
weiß nicht, welcher gesegnete Himmelsstrich Deutschlands Charlottens
Wiege gesehen, aber ich wette, es ist Baiern, denn sie hat frap¬
pante Aehnlichkeit mit jener mächtigen Münchnerin, die man aus
dem populären Bilde "die Münchnerinnen" kennt. Wie ich zum
ersten Male von dem neuen Berliner Theater-Reglement hörte,
mußte ich laut auflachen, denn ich dachte mir, wie komisch es sein
müßte, Charlotte Birch - Pfeiffer im Carcer zu sehen I Aber liebe
Eugenie, bleiben wir bei diesem lustigen Gedanken stehen und lassen
wir es für heute genug sein! Es ist fürchterlich ermüdend für ei¬
nen schüchternen Jüngling, so lange in Damengesellschaft zu sein,
und Jeder etwas Schönes sagen zu müssen.

-- Ja wohl, lassen wir es genug sein, es ist auch just die rechte
Zeit, denn, wie ich merke, fallen Sie wieder in den Ton, in dem
Sie von dichtenden Frauen zu sprechen, und mit dem Sie mich zu
ärgern lieben.

-- So will ich Ihnen doch noch von einer sprechen, und Sie
sollen sehen, wie kein Ton des Spottes sich hervorwagt, von einer,
die zwar keine Dichterin, aber selbst das schönste Gedicht Gottes ist,
und wer in Liedern erzählen könnte, was sie fühlt, und wer ihre
Träume in Mährchen kleidete -- er würde als herrlicher Dichter
gepriesen. Lassen Sie sich von ihr erzählen, denn von ihr spreche
ich am liebsten. -- Der Sturm hatte sich ausgetobt, und die Ba¬
degäste von Ostende drängten sich wieder an der Digue auf und
ab. Es war schon spät am Abend, am Himmel leuchtete der
Mond, tief unter uns das Meer, aber ich sah beides nicht, denn
damals sah ich zum ersten Male in zwei schwarze Augen, dunkle
Lichter über einem tiefen Meer von Seligkeiten --

-- Stille, stille, lispelte Eugenie.

-- Kennst Du diese Dichterin, Eugenie? So eben stellt sie
zitternd den Schirm vor die Lampe, daß ich nicht sehe wie sie er-
röthet, und jetzt giebt sie mir die schöne, theuere, weiße Hand die
,
H--n. ich so gerne küsse.




will mir sie nicht zur Feindin machen, denn ich könnte auch einmal
ein Stück schreiben, und sie ist jetzt Intendant des Berliner Thea¬
ters! — ich will nur sagen, daß sie die komische Alte wie auf der
Bühne so auch im Leben ist. Man muß viel über sie lachen; sie
macht so gute derbe Späße, so gut und derb wie sie selbst ist. Ich
weiß nicht, welcher gesegnete Himmelsstrich Deutschlands Charlottens
Wiege gesehen, aber ich wette, es ist Baiern, denn sie hat frap¬
pante Aehnlichkeit mit jener mächtigen Münchnerin, die man aus
dem populären Bilde „die Münchnerinnen" kennt. Wie ich zum
ersten Male von dem neuen Berliner Theater-Reglement hörte,
mußte ich laut auflachen, denn ich dachte mir, wie komisch es sein
müßte, Charlotte Birch - Pfeiffer im Carcer zu sehen I Aber liebe
Eugenie, bleiben wir bei diesem lustigen Gedanken stehen und lassen
wir es für heute genug sein! Es ist fürchterlich ermüdend für ei¬
nen schüchternen Jüngling, so lange in Damengesellschaft zu sein,
und Jeder etwas Schönes sagen zu müssen.

— Ja wohl, lassen wir es genug sein, es ist auch just die rechte
Zeit, denn, wie ich merke, fallen Sie wieder in den Ton, in dem
Sie von dichtenden Frauen zu sprechen, und mit dem Sie mich zu
ärgern lieben.

— So will ich Ihnen doch noch von einer sprechen, und Sie
sollen sehen, wie kein Ton des Spottes sich hervorwagt, von einer,
die zwar keine Dichterin, aber selbst das schönste Gedicht Gottes ist,
und wer in Liedern erzählen könnte, was sie fühlt, und wer ihre
Träume in Mährchen kleidete — er würde als herrlicher Dichter
gepriesen. Lassen Sie sich von ihr erzählen, denn von ihr spreche
ich am liebsten. — Der Sturm hatte sich ausgetobt, und die Ba¬
degäste von Ostende drängten sich wieder an der Digue auf und
ab. Es war schon spät am Abend, am Himmel leuchtete der
Mond, tief unter uns das Meer, aber ich sah beides nicht, denn
damals sah ich zum ersten Male in zwei schwarze Augen, dunkle
Lichter über einem tiefen Meer von Seligkeiten —

— Stille, stille, lispelte Eugenie.

— Kennst Du diese Dichterin, Eugenie? So eben stellt sie
zitternd den Schirm vor die Lampe, daß ich nicht sehe wie sie er-
röthet, und jetzt giebt sie mir die schöne, theuere, weiße Hand die
,
H—n. ich so gerne küsse.




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[0454] will mir sie nicht zur Feindin machen, denn ich könnte auch einmal ein Stück schreiben, und sie ist jetzt Intendant des Berliner Thea¬ ters! — ich will nur sagen, daß sie die komische Alte wie auf der Bühne so auch im Leben ist. Man muß viel über sie lachen; sie macht so gute derbe Späße, so gut und derb wie sie selbst ist. Ich weiß nicht, welcher gesegnete Himmelsstrich Deutschlands Charlottens Wiege gesehen, aber ich wette, es ist Baiern, denn sie hat frap¬ pante Aehnlichkeit mit jener mächtigen Münchnerin, die man aus dem populären Bilde „die Münchnerinnen" kennt. Wie ich zum ersten Male von dem neuen Berliner Theater-Reglement hörte, mußte ich laut auflachen, denn ich dachte mir, wie komisch es sein müßte, Charlotte Birch - Pfeiffer im Carcer zu sehen I Aber liebe Eugenie, bleiben wir bei diesem lustigen Gedanken stehen und lassen wir es für heute genug sein! Es ist fürchterlich ermüdend für ei¬ nen schüchternen Jüngling, so lange in Damengesellschaft zu sein, und Jeder etwas Schönes sagen zu müssen. — Ja wohl, lassen wir es genug sein, es ist auch just die rechte Zeit, denn, wie ich merke, fallen Sie wieder in den Ton, in dem Sie von dichtenden Frauen zu sprechen, und mit dem Sie mich zu ärgern lieben. — So will ich Ihnen doch noch von einer sprechen, und Sie sollen sehen, wie kein Ton des Spottes sich hervorwagt, von einer, die zwar keine Dichterin, aber selbst das schönste Gedicht Gottes ist, und wer in Liedern erzählen könnte, was sie fühlt, und wer ihre Träume in Mährchen kleidete — er würde als herrlicher Dichter gepriesen. Lassen Sie sich von ihr erzählen, denn von ihr spreche ich am liebsten. — Der Sturm hatte sich ausgetobt, und die Ba¬ degäste von Ostende drängten sich wieder an der Digue auf und ab. Es war schon spät am Abend, am Himmel leuchtete der Mond, tief unter uns das Meer, aber ich sah beides nicht, denn damals sah ich zum ersten Male in zwei schwarze Augen, dunkle Lichter über einem tiefen Meer von Seligkeiten — — Stille, stille, lispelte Eugenie. — Kennst Du diese Dichterin, Eugenie? So eben stellt sie zitternd den Schirm vor die Lampe, daß ich nicht sehe wie sie er- röthet, und jetzt giebt sie mir die schöne, theuere, weiße Hand die , H—n. ich so gerne küsse.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/454>, abgerufen am 22.12.2024.