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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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sept) spricht, mit welcher Philistern, mit welcher unweiblichen Grau¬
samkeit. Bei Gott, es scheint einem, als lache ihr das Herz, da
sie von seinem Tode und von der Rückkehr der "alten Ordnung"
und den Jesuiten erzählt. Lesen Sie, wie sie über Bettina spricht,
wie sie diese kritisirt; muß man nicht ein dicker Philister sein, wie
der Uhlandische Recensent im Frühling, um Bettina, den Frühling
zu kritistren?

-- Sie ereifern sich; lassen wir Caroline Pichler und erzäh¬
len Sie mir endlich etwas von den Berlinerinnen, von Frau von
Palzow, von Gräfin Hahn-Hahn.

-- Von diesen Großtanten aller deutschen Schriftstellerinnen?
Weiß nicht, was sie kochen und schaffen --
Schweben auf, schweben ab, neigen sich, beugen sich --
Sie streuen und weihen --
Eine -- --Vorbei! Vorbei!

-- Gott, Gott! Sie werden ja immer unartiger, ich muß
sogar sagen, grober! Soll ich denken, daß Sie leichtsinnig und
pietätslvs, gerade nur alten Frauen gegenüber sind? So lange Sie
von den jungen sprachen, klang alles aus einer ganz andern Ton¬
art. Sind es schwarze Augen und Falten des Alters, die Ihr Ur¬
theil bestimmen?

-- Nicht doch, Eugenie! Erinnern Sie sich an Fanny Tar-
now, und später werde ich noch von einer uralten Frau sprechen,
und Sie werden sehen, wie sehr Sie mir Unrecht thun. Aber blei¬
ben wir bei den Berlinerinnen. Bettina, der Traum meiner Ju¬
gend, die Magierin, die den Zauber der Kindheit fest zu halten
wußte, Bettina habe ich gesehen. Aber ach, der Traum meiner
Jugend ist alt geworden! Es war in den Sälen der Kunstaus¬
stellung zu Berlin, wo ich sie sah. Und vor welchem Bilde stand
sie just, da man mir sie zeigte? Vor Arry Scheffers "Laßt die
Kleinen zu mir kommen, denn ihrer ist das Himmelreich!" Sie,
die Kleine, das ewige Kind, mußte sich von diesem Bilde besonders
angezogen fühlen, und sie stand lange betrachtend und sinnend da¬
vor. Es ist aber auch ein herrliches Bild. Der Heiland liegt im
Palmenschatten gelagert, und die Kleinen, die er mit ausgebreiteten
Armen empfängt, strömen ihm freudig von allen Seiten zu. Bei-


sept) spricht, mit welcher Philistern, mit welcher unweiblichen Grau¬
samkeit. Bei Gott, es scheint einem, als lache ihr das Herz, da
sie von seinem Tode und von der Rückkehr der „alten Ordnung"
und den Jesuiten erzählt. Lesen Sie, wie sie über Bettina spricht,
wie sie diese kritisirt; muß man nicht ein dicker Philister sein, wie
der Uhlandische Recensent im Frühling, um Bettina, den Frühling
zu kritistren?

— Sie ereifern sich; lassen wir Caroline Pichler und erzäh¬
len Sie mir endlich etwas von den Berlinerinnen, von Frau von
Palzow, von Gräfin Hahn-Hahn.

— Von diesen Großtanten aller deutschen Schriftstellerinnen?
Weiß nicht, was sie kochen und schaffen —
Schweben auf, schweben ab, neigen sich, beugen sich —
Sie streuen und weihen —
Eine — —Vorbei! Vorbei!

— Gott, Gott! Sie werden ja immer unartiger, ich muß
sogar sagen, grober! Soll ich denken, daß Sie leichtsinnig und
pietätslvs, gerade nur alten Frauen gegenüber sind? So lange Sie
von den jungen sprachen, klang alles aus einer ganz andern Ton¬
art. Sind es schwarze Augen und Falten des Alters, die Ihr Ur¬
theil bestimmen?

— Nicht doch, Eugenie! Erinnern Sie sich an Fanny Tar-
now, und später werde ich noch von einer uralten Frau sprechen,
und Sie werden sehen, wie sehr Sie mir Unrecht thun. Aber blei¬
ben wir bei den Berlinerinnen. Bettina, der Traum meiner Ju¬
gend, die Magierin, die den Zauber der Kindheit fest zu halten
wußte, Bettina habe ich gesehen. Aber ach, der Traum meiner
Jugend ist alt geworden! Es war in den Sälen der Kunstaus¬
stellung zu Berlin, wo ich sie sah. Und vor welchem Bilde stand
sie just, da man mir sie zeigte? Vor Arry Scheffers „Laßt die
Kleinen zu mir kommen, denn ihrer ist das Himmelreich!" Sie,
die Kleine, das ewige Kind, mußte sich von diesem Bilde besonders
angezogen fühlen, und sie stand lange betrachtend und sinnend da¬
vor. Es ist aber auch ein herrliches Bild. Der Heiland liegt im
Palmenschatten gelagert, und die Kleinen, die er mit ausgebreiteten
Armen empfängt, strömen ihm freudig von allen Seiten zu. Bei-


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[0444] sept) spricht, mit welcher Philistern, mit welcher unweiblichen Grau¬ samkeit. Bei Gott, es scheint einem, als lache ihr das Herz, da sie von seinem Tode und von der Rückkehr der „alten Ordnung" und den Jesuiten erzählt. Lesen Sie, wie sie über Bettina spricht, wie sie diese kritisirt; muß man nicht ein dicker Philister sein, wie der Uhlandische Recensent im Frühling, um Bettina, den Frühling zu kritistren? — Sie ereifern sich; lassen wir Caroline Pichler und erzäh¬ len Sie mir endlich etwas von den Berlinerinnen, von Frau von Palzow, von Gräfin Hahn-Hahn. — Von diesen Großtanten aller deutschen Schriftstellerinnen? Weiß nicht, was sie kochen und schaffen — Schweben auf, schweben ab, neigen sich, beugen sich — Sie streuen und weihen — Eine — —Vorbei! Vorbei! — Gott, Gott! Sie werden ja immer unartiger, ich muß sogar sagen, grober! Soll ich denken, daß Sie leichtsinnig und pietätslvs, gerade nur alten Frauen gegenüber sind? So lange Sie von den jungen sprachen, klang alles aus einer ganz andern Ton¬ art. Sind es schwarze Augen und Falten des Alters, die Ihr Ur¬ theil bestimmen? — Nicht doch, Eugenie! Erinnern Sie sich an Fanny Tar- now, und später werde ich noch von einer uralten Frau sprechen, und Sie werden sehen, wie sehr Sie mir Unrecht thun. Aber blei¬ ben wir bei den Berlinerinnen. Bettina, der Traum meiner Ju¬ gend, die Magierin, die den Zauber der Kindheit fest zu halten wußte, Bettina habe ich gesehen. Aber ach, der Traum meiner Jugend ist alt geworden! Es war in den Sälen der Kunstaus¬ stellung zu Berlin, wo ich sie sah. Und vor welchem Bilde stand sie just, da man mir sie zeigte? Vor Arry Scheffers „Laßt die Kleinen zu mir kommen, denn ihrer ist das Himmelreich!" Sie, die Kleine, das ewige Kind, mußte sich von diesem Bilde besonders angezogen fühlen, und sie stand lange betrachtend und sinnend da¬ vor. Es ist aber auch ein herrliches Bild. Der Heiland liegt im Palmenschatten gelagert, und die Kleinen, die er mit ausgebreiteten Armen empfängt, strömen ihm freudig von allen Seiten zu. Bei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/444>, abgerufen am 07.10.2024.