Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.tern und Frauen auf Eiden erzählte, die sie trotz ihrer Blindheit -- Fanny Tarnow? Meine Mutter war von ihren Roma¬ -- Auch die meine; lieben wir sie schon um deßwillen! Sie Grenzboten, I5i"i. I. 5z
tern und Frauen auf Eiden erzählte, die sie trotz ihrer Blindheit — Fanny Tarnow? Meine Mutter war von ihren Roma¬ — Auch die meine; lieben wir sie schon um deßwillen! Sie Grenzboten, I5i«i. I. 5z
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0441" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182251"/> <p xml:id="ID_1024" prev="#ID_1023"> tern und Frauen auf Eiden erzählte, die sie trotz ihrer Blindheit<lb/> gesehen mit ihrem innern, klaren, geistigen Auge. Auch von<lb/> dem englischen Mannweib Miß Sara Austin, die ich in Karlsbad<lb/> kennen gelernt, könnte ich Ihnen Manches sagen, von der Frau,<lb/> die auf den Schneefeldern Canadas, wie in der Literatur Deutsch¬<lb/> lands für ihr Albion die schönsten Eroberungen machte. So wie<lb/> jedes ihrer Bücher, so trägt auch ihre ganze Gestalt, vorzüglich<lb/> ihre Oberlippe den Stempel der Männlichkeit. Sie ist groß und<lb/> stark, und ihr dunkles Auge blickt kühn und energisch in die Welt.<lb/> Wie erschraken wir, ich und ein alter Freund von mir, den Miß<lb/> Sara Austin als trefflichen Dieser schätzt, und dessen Mutter sie<lb/> oft besuchte, als sie plötzlich einmal eintrat und wir eben die aller-<lb/> tollsten Kapriolen und Sprünge und gymnastischen Kunststücke mach¬<lb/> ten. Ah, fängt die deutsche Literatur an tolle Sprünge zu ma¬<lb/> chen? das ist ein gutes Zeichen, sagte sie lächelnd. Wir aber stan¬<lb/> den beschämt und verlegen vor ihr. Ja, das ist eine Frau, vor<lb/> der man Respect haben muß. In ihrer Jugend mag sie sehr schön<lb/> gewesen sein. Doch wie gesagt, bleiben wir bei den deutschen und<lb/> weil wir einmal in Leipzig sind, so will ich Ihnen noch von einer<lb/> Dichterin erzählen, die ich an diesem literarischen Küchenherde ken¬<lb/> nen gelernt. Ich meine Fanny Tarnow.</p><lb/> <p xml:id="ID_1025"> — Fanny Tarnow? Meine Mutter war von ihren Roma¬<lb/> nen sehr entzückt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1026" next="#ID_1027"> — Auch die meine; lieben wir sie schon um deßwillen! Sie<lb/> ist, was man so nennt, eine liebenswürdige, liebevolle Matrone,<lb/> die in ihrem späten Alter noch voll Lebendigkeit, voll Beweglichkeit<lb/> des Geistes, voll Theilnahme für alle Jugend. Eine noch ganz<lb/> frische Phantasie und Ersahrungen eines reichen Lebens setzen ihre<lb/> Zunge zur lebhaftesten Unterhaltung in Bewegung, und der Fluß<lb/> ihrer Rede geht unaufhaltsam und rasch dahin. Aber durch jedes<lb/> ihrer Worte, wie Wasserblumen durch die Wellen, blickt menschen¬<lb/> freundliches, oft mütterliches Wohlwollen, nie, nie Bosheit, Klatsch¬<lb/> sucht, Krittelei, wie das bei alten Frauen, zu sagen, alten Wei¬<lb/> bern, vorzukommen pflegt. Diese letzten Worte erinnern mich un-<lb/> willkührlich an eine Todte, die mit Fanny Tarnow nicht die ge¬<lb/> ringste Aehnlichkeit hatte, an die vielberühmte, in Oesterreich classische<lb/> Caroline Pichler. Die Ideenassociation mag Ihnen etwas unzart</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten, I5i«i. I. 5z</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0441]
tern und Frauen auf Eiden erzählte, die sie trotz ihrer Blindheit
gesehen mit ihrem innern, klaren, geistigen Auge. Auch von
dem englischen Mannweib Miß Sara Austin, die ich in Karlsbad
kennen gelernt, könnte ich Ihnen Manches sagen, von der Frau,
die auf den Schneefeldern Canadas, wie in der Literatur Deutsch¬
lands für ihr Albion die schönsten Eroberungen machte. So wie
jedes ihrer Bücher, so trägt auch ihre ganze Gestalt, vorzüglich
ihre Oberlippe den Stempel der Männlichkeit. Sie ist groß und
stark, und ihr dunkles Auge blickt kühn und energisch in die Welt.
Wie erschraken wir, ich und ein alter Freund von mir, den Miß
Sara Austin als trefflichen Dieser schätzt, und dessen Mutter sie
oft besuchte, als sie plötzlich einmal eintrat und wir eben die aller-
tollsten Kapriolen und Sprünge und gymnastischen Kunststücke mach¬
ten. Ah, fängt die deutsche Literatur an tolle Sprünge zu ma¬
chen? das ist ein gutes Zeichen, sagte sie lächelnd. Wir aber stan¬
den beschämt und verlegen vor ihr. Ja, das ist eine Frau, vor
der man Respect haben muß. In ihrer Jugend mag sie sehr schön
gewesen sein. Doch wie gesagt, bleiben wir bei den deutschen und
weil wir einmal in Leipzig sind, so will ich Ihnen noch von einer
Dichterin erzählen, die ich an diesem literarischen Küchenherde ken¬
nen gelernt. Ich meine Fanny Tarnow.
— Fanny Tarnow? Meine Mutter war von ihren Roma¬
nen sehr entzückt.
— Auch die meine; lieben wir sie schon um deßwillen! Sie
ist, was man so nennt, eine liebenswürdige, liebevolle Matrone,
die in ihrem späten Alter noch voll Lebendigkeit, voll Beweglichkeit
des Geistes, voll Theilnahme für alle Jugend. Eine noch ganz
frische Phantasie und Ersahrungen eines reichen Lebens setzen ihre
Zunge zur lebhaftesten Unterhaltung in Bewegung, und der Fluß
ihrer Rede geht unaufhaltsam und rasch dahin. Aber durch jedes
ihrer Worte, wie Wasserblumen durch die Wellen, blickt menschen¬
freundliches, oft mütterliches Wohlwollen, nie, nie Bosheit, Klatsch¬
sucht, Krittelei, wie das bei alten Frauen, zu sagen, alten Wei¬
bern, vorzukommen pflegt. Diese letzten Worte erinnern mich un-
willkührlich an eine Todte, die mit Fanny Tarnow nicht die ge¬
ringste Aehnlichkeit hatte, an die vielberühmte, in Oesterreich classische
Caroline Pichler. Die Ideenassociation mag Ihnen etwas unzart
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