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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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und glauben was Rechtes gefördert zu haben, halten ihr Streben für
fortschrittlich, wahrend der klare Blick in all dem Treiben nur müh¬
sam Gemachtes, nur erfolglose Rückschrittsbestrebung erkennt.

Die neue Ressource ward feierlich mit salbungsreichen -- durch-
aus böhmischen -- Reden eröffnet, an denen Demosthenes, wäre er
Ezeche gewesen, seine Freude gehabt hatte; doch hat es der Vereins-
Vorstand -- offenbar demosthcnischer Abkunft -- für unnöthig ge¬
halten, sich von dem erblichen Aungenübel der Demostheniden vorher
zu heilen, wie das sein Ahnherr gethan, ehe er Redner gewor¬
den. Die Herren Mitglieder kommen nun täglich des Abends zusam¬
men, der Ehre wegen, becomplimentiren sich in blumenreichen böhmi¬
schen Redensarten, und schneiden gar scheele Gesichter, wenn einge¬
führte Gäste es wagen, die Sprache höherer Gesittung -- Deutsch zu
reden: das macht die Sprachenrechtsgleichheit in den Statuten;
doch wird den guten Bürgersleutchen um die neunte Stunde bäng¬
lich, sie athmen nicht den gewohnten gemüthlichen Kneipenduft, der
elegante Spucknapf genirt sie, auch nehmen sie Anstand, sich in den
netten Zimmern den gewohnten Abcndduscl anzutrinken, der Herr
Vorstand könnte ihnen das demosthenisch "versehen," und so schleicht
denn Jeder, sobald er dem Czechismus sein Opfer gebracht und gleich¬
sam in der Kirche gewesen, heimlich fort zu dem angestammten Kneip¬
chen, dort erwartet ihn Freund Knieriem, dort lebt mein Czeche wie¬
der auf, dort findet er sich selber wieder, da klingt ihm sein Böh¬
misch doppelt so schön und harmonisch, wenn er der Aufwärterin das
usuelle Ästchen zuraunt, der liebliche Abenddusel stellt sich ein, das
Schnäppschen macht den Beschluß, und heimwärts trollend denkt der
czechische Bürgersmann: hätte ich doch den czechischen Baalsdienst in
der Ressource für morgen schon überstanden

Allmählig wird dieser Klasse der Monatsbeitrag -- der eben die
Ressource erhalten soll, gar lästig werden, -- denn sich langweilen und
die Langeweile obendrein bezahlen, fällt den Guten schwer, auch mit
der Kundschaftsvermehrung wird's eben nicht viel werden, denn grade
der stockczcchische Theil des Gcwerbstandes ist, da er nicht über die
Grenze kam, nichts sehen, nichts lernen wollte noch will, der unge¬
schickteste und plumpste, und hierin eben entscheidet sich die ganze
Frage der czechischen Erclusivbestrebung, hierin eben liegt die Blindheit
der Parteiführer. Einige Phantasten und Pedanten ohne Scharfblick,
ohne praktischen Weltsinnn -- einige Persönlichkeiten, die sich aus
der Tiefe in die höheren Schichten der Gesellschaft emporgearbeitet,
doch den beschränkten Sinn, die Gemeinheit mit hinaufgebracht haben,
ohne daß ihnen Deutsch vollkommen mundgerecht geworden, die von
dem Czechismus Prosicchen abwarten wollen -- einzelne Panslavisten
endlich, theils schon belohnt, theils des Lohnes noch gewärtig, sind
die Führer der Partei; die geführte -- besser angeführte -- Mann-


und glauben was Rechtes gefördert zu haben, halten ihr Streben für
fortschrittlich, wahrend der klare Blick in all dem Treiben nur müh¬
sam Gemachtes, nur erfolglose Rückschrittsbestrebung erkennt.

Die neue Ressource ward feierlich mit salbungsreichen — durch-
aus böhmischen — Reden eröffnet, an denen Demosthenes, wäre er
Ezeche gewesen, seine Freude gehabt hatte; doch hat es der Vereins-
Vorstand — offenbar demosthcnischer Abkunft — für unnöthig ge¬
halten, sich von dem erblichen Aungenübel der Demostheniden vorher
zu heilen, wie das sein Ahnherr gethan, ehe er Redner gewor¬
den. Die Herren Mitglieder kommen nun täglich des Abends zusam¬
men, der Ehre wegen, becomplimentiren sich in blumenreichen böhmi¬
schen Redensarten, und schneiden gar scheele Gesichter, wenn einge¬
führte Gäste es wagen, die Sprache höherer Gesittung — Deutsch zu
reden: das macht die Sprachenrechtsgleichheit in den Statuten;
doch wird den guten Bürgersleutchen um die neunte Stunde bäng¬
lich, sie athmen nicht den gewohnten gemüthlichen Kneipenduft, der
elegante Spucknapf genirt sie, auch nehmen sie Anstand, sich in den
netten Zimmern den gewohnten Abcndduscl anzutrinken, der Herr
Vorstand könnte ihnen das demosthenisch „versehen," und so schleicht
denn Jeder, sobald er dem Czechismus sein Opfer gebracht und gleich¬
sam in der Kirche gewesen, heimlich fort zu dem angestammten Kneip¬
chen, dort erwartet ihn Freund Knieriem, dort lebt mein Czeche wie¬
der auf, dort findet er sich selber wieder, da klingt ihm sein Böh¬
misch doppelt so schön und harmonisch, wenn er der Aufwärterin das
usuelle Ästchen zuraunt, der liebliche Abenddusel stellt sich ein, das
Schnäppschen macht den Beschluß, und heimwärts trollend denkt der
czechische Bürgersmann: hätte ich doch den czechischen Baalsdienst in
der Ressource für morgen schon überstanden

Allmählig wird dieser Klasse der Monatsbeitrag — der eben die
Ressource erhalten soll, gar lästig werden, — denn sich langweilen und
die Langeweile obendrein bezahlen, fällt den Guten schwer, auch mit
der Kundschaftsvermehrung wird's eben nicht viel werden, denn grade
der stockczcchische Theil des Gcwerbstandes ist, da er nicht über die
Grenze kam, nichts sehen, nichts lernen wollte noch will, der unge¬
schickteste und plumpste, und hierin eben entscheidet sich die ganze
Frage der czechischen Erclusivbestrebung, hierin eben liegt die Blindheit
der Parteiführer. Einige Phantasten und Pedanten ohne Scharfblick,
ohne praktischen Weltsinnn — einige Persönlichkeiten, die sich aus
der Tiefe in die höheren Schichten der Gesellschaft emporgearbeitet,
doch den beschränkten Sinn, die Gemeinheit mit hinaufgebracht haben,
ohne daß ihnen Deutsch vollkommen mundgerecht geworden, die von
dem Czechismus Prosicchen abwarten wollen — einzelne Panslavisten
endlich, theils schon belohnt, theils des Lohnes noch gewärtig, sind
die Führer der Partei; die geführte — besser angeführte — Mann-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/422>, abgerufen am 22.12.2024.