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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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und Mißgunst frei erhalten hat: dem muß jedes Zeichen verjün¬
gender Regsamkeit in seinem Vaterlande willkommen sein; er wird
nicht ohne weitere Untersuchung Bestrebungen zum Bessern schon
deshalb verdammen, weil sie von einer Körperschaft ausgehen, der
er nicht angehört, und die ihre Reihen bis jetzt allerdings noch eng
geschlossen hält, doch auch noch keineswegs zu dem Vorwurfe re-
trograder Tendenzen gerechten Anlaß gegeben hat.

Die Stimme, die vor Kurzem in der Augsburger Allgemeinen
Zeitung die Besorgniß aussprach, daß die Bemühungen der Stände,
Böhmen und seine Industrie durch die Errichtung einer Hypothe¬
kenbank, verbunden mit einem Filiale del Nationalbank und einer
Börse von dem Monopole der Wiener GeldAristokratie zu eman-
cipiren, an dem allvermögenden Einflüsse dieser Macht scheitern
werden, gehört gewiß dem intelligenten Mittelstande an, und zeigt,
daß dieser Einsicht und Billigkeit genug besitzt, um nicht mit Scha¬
denfreude jede Niederlage der Stände zu beklatschen, unbekümmert
darum, ob dem Lande hierdurch Schaden erwächst oder nicht.

Daß wir im Volke über die Tendenzen der Stände längst
im Klaren sind, möchte ich sehr bezweifeln; über Principienfragen
von Belang wurde meines Wissens noch nicht verhandelt, und
wenn heute eine solche zur Verhandlung käme, bin ich überzeugt,
daß kein Mitglied der. Versammlung uns das Resultat der Abstim¬
mung voraussagen könnte. Daß die Stände im verflossenen Jahre
die Aufnahme des kivctm- an^unicus der Prager Universität in
ihre Mitte einstimmig beschlossen haben, kann man ihnen ebensowe¬
nig als Verdienst anrechnen, als es ungerecht wäre, ihre Weige¬
rung dem Prager Magistrate mehr als eine Stimme am Postula¬
ten-Landtage zu gestatten, als ein Zeichen ihrer Abneigung von
Concessionen anzusehen, da diese Concession keineswegs der unab¬
hängigen intelligenten Mittelklasse, sondern lediglich dem Beamten¬
stande zu Gute käme, und in dieser Art vom Bürgerstande nicht
gewünscht wird. Ich schmeichle mir hingegen mit der Hoffnung, daß
dieser Gegenstand Regierung und Stände darauf aufmerksam machen
wird, daß es uns vor allem Andern um eine Reform des Gemein¬
dewesens, um Emancipation der Gemeinden von der allen Gemein-
sinn erstickenden Bevormundung noth thut, und daß uns die Stände
durch eine kräftige Verwendung in dieser Angelegenheit beweisen


und Mißgunst frei erhalten hat: dem muß jedes Zeichen verjün¬
gender Regsamkeit in seinem Vaterlande willkommen sein; er wird
nicht ohne weitere Untersuchung Bestrebungen zum Bessern schon
deshalb verdammen, weil sie von einer Körperschaft ausgehen, der
er nicht angehört, und die ihre Reihen bis jetzt allerdings noch eng
geschlossen hält, doch auch noch keineswegs zu dem Vorwurfe re-
trograder Tendenzen gerechten Anlaß gegeben hat.

Die Stimme, die vor Kurzem in der Augsburger Allgemeinen
Zeitung die Besorgniß aussprach, daß die Bemühungen der Stände,
Böhmen und seine Industrie durch die Errichtung einer Hypothe¬
kenbank, verbunden mit einem Filiale del Nationalbank und einer
Börse von dem Monopole der Wiener GeldAristokratie zu eman-
cipiren, an dem allvermögenden Einflüsse dieser Macht scheitern
werden, gehört gewiß dem intelligenten Mittelstande an, und zeigt,
daß dieser Einsicht und Billigkeit genug besitzt, um nicht mit Scha¬
denfreude jede Niederlage der Stände zu beklatschen, unbekümmert
darum, ob dem Lande hierdurch Schaden erwächst oder nicht.

Daß wir im Volke über die Tendenzen der Stände längst
im Klaren sind, möchte ich sehr bezweifeln; über Principienfragen
von Belang wurde meines Wissens noch nicht verhandelt, und
wenn heute eine solche zur Verhandlung käme, bin ich überzeugt,
daß kein Mitglied der. Versammlung uns das Resultat der Abstim¬
mung voraussagen könnte. Daß die Stände im verflossenen Jahre
die Aufnahme des kivctm- an^unicus der Prager Universität in
ihre Mitte einstimmig beschlossen haben, kann man ihnen ebensowe¬
nig als Verdienst anrechnen, als es ungerecht wäre, ihre Weige¬
rung dem Prager Magistrate mehr als eine Stimme am Postula¬
ten-Landtage zu gestatten, als ein Zeichen ihrer Abneigung von
Concessionen anzusehen, da diese Concession keineswegs der unab¬
hängigen intelligenten Mittelklasse, sondern lediglich dem Beamten¬
stande zu Gute käme, und in dieser Art vom Bürgerstande nicht
gewünscht wird. Ich schmeichle mir hingegen mit der Hoffnung, daß
dieser Gegenstand Regierung und Stände darauf aufmerksam machen
wird, daß es uns vor allem Andern um eine Reform des Gemein¬
dewesens, um Emancipation der Gemeinden von der allen Gemein-
sinn erstickenden Bevormundung noth thut, und daß uns die Stände
durch eine kräftige Verwendung in dieser Angelegenheit beweisen


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[0412] und Mißgunst frei erhalten hat: dem muß jedes Zeichen verjün¬ gender Regsamkeit in seinem Vaterlande willkommen sein; er wird nicht ohne weitere Untersuchung Bestrebungen zum Bessern schon deshalb verdammen, weil sie von einer Körperschaft ausgehen, der er nicht angehört, und die ihre Reihen bis jetzt allerdings noch eng geschlossen hält, doch auch noch keineswegs zu dem Vorwurfe re- trograder Tendenzen gerechten Anlaß gegeben hat. Die Stimme, die vor Kurzem in der Augsburger Allgemeinen Zeitung die Besorgniß aussprach, daß die Bemühungen der Stände, Böhmen und seine Industrie durch die Errichtung einer Hypothe¬ kenbank, verbunden mit einem Filiale del Nationalbank und einer Börse von dem Monopole der Wiener GeldAristokratie zu eman- cipiren, an dem allvermögenden Einflüsse dieser Macht scheitern werden, gehört gewiß dem intelligenten Mittelstande an, und zeigt, daß dieser Einsicht und Billigkeit genug besitzt, um nicht mit Scha¬ denfreude jede Niederlage der Stände zu beklatschen, unbekümmert darum, ob dem Lande hierdurch Schaden erwächst oder nicht. Daß wir im Volke über die Tendenzen der Stände längst im Klaren sind, möchte ich sehr bezweifeln; über Principienfragen von Belang wurde meines Wissens noch nicht verhandelt, und wenn heute eine solche zur Verhandlung käme, bin ich überzeugt, daß kein Mitglied der. Versammlung uns das Resultat der Abstim¬ mung voraussagen könnte. Daß die Stände im verflossenen Jahre die Aufnahme des kivctm- an^unicus der Prager Universität in ihre Mitte einstimmig beschlossen haben, kann man ihnen ebensowe¬ nig als Verdienst anrechnen, als es ungerecht wäre, ihre Weige¬ rung dem Prager Magistrate mehr als eine Stimme am Postula¬ ten-Landtage zu gestatten, als ein Zeichen ihrer Abneigung von Concessionen anzusehen, da diese Concession keineswegs der unab¬ hängigen intelligenten Mittelklasse, sondern lediglich dem Beamten¬ stande zu Gute käme, und in dieser Art vom Bürgerstande nicht gewünscht wird. Ich schmeichle mir hingegen mit der Hoffnung, daß dieser Gegenstand Regierung und Stände darauf aufmerksam machen wird, daß es uns vor allem Andern um eine Reform des Gemein¬ dewesens, um Emancipation der Gemeinden von der allen Gemein- sinn erstickenden Bevormundung noth thut, und daß uns die Stände durch eine kräftige Verwendung in dieser Angelegenheit beweisen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/412>, abgerufen am 01.09.2024.