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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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ins Herz geschaut, und da folgende große Entdeckung gemacht: "Was
"die Regierung anstrebt, ist: die freie Persönlichkeit des Staatsbürgers
"in den Schranken einer selbstständigen und unbehinderten Staatsge¬
walt, sowie andrerseits die freie Persönlichkeit des religiösen Bewußt¬
seins in dem Organismus einer unabhängigen Kirche." Ueber diesen
blümeranten Unsinn kein Wort! Aber der Mühe werth ist es, darauf
zu merken, wie der Rhein. Beobachter mit den Lieblingsphrasen der
Gegner die er bekämpft, sich aufstutzt: Freiheit, Fortschritt, freie Per¬
sönlichkeit, religiöses Bewußtsein! Er bildet sich ein, dem conser-
vativen Princip dadurch zum Siege zu verhelfen, daß er ihm den Rock
des verachteten Gegners anzieht. Als ob das nicht gerade hieße, seine
Schwache, seine Blöße bekennen! Die preußische Regierung, sagt der
Herr Beobachter, habe deswegen "alle Parteien gegen sich, weil sie
ihr Princip unumwunden ausspricht und mit Entschiedenheit verfolgt."
Ich bitte Sie um Alles in der Welt. Dergleichen Dinge darf man
in Preußen sagen? darf ein Blatt sagen, das sich zum Vorkämpfer
der Regierung aufwirft? Die Regierung sei Partei? eine Partei die
alle Parteien gegen sich hat? verfolge ein Pacteiprincip, das den
Principien aller Parteien im Lande entgegengesetzt ist? Bravo, bravo,
Herr Beobachter! Und welches ist dies -- nach der Entdeckung des
Hrn. Beobachters -- Von der preußischen Regierung unumwunden aus¬
gesprochene (aber wo denn, wie denn, durch wen denn ausgesprochen?)
und mit Entschiedenheit verfolgte Princip? "Die freie Persönlichkeit
des Bürgers in den Schranken einer unb e h inderten Staatsgewalt"
-- das Sonnenlicht im Innern eines fensterlosen Hauses. Bravo,
bravo! "Wir möchten" --- heißt es weiter -- "dieses Verfahren" --
nämlich das unumwundene Aussprechen (welches nur der Herr Beo¬
bachter vernommen hat) und das entschiedene Verfahren dieses (vom
Herrn Beobachter erfundenen) Princips -- "die Politik der Zu¬
kunft nennen, weil es sich hier zum ersten Male um ein offen aus¬
gesprochenes und wahrhaftes Princip handelt." Doch genug des offen
ausgesprochenen und wahrhaften Unsinns, welchen der Herr Beobachter
einer verständigen Regierung andichtet, deren Mitglieder solches Zeug
doch schwerlich lesen können, ohne zu -- lächeln.

In einem anderen seiner vortrefflichen Aufsatze versichert der Herr
Beobachter: "In den Landtagsabschieden liege diesesmal eine Con¬
cession (!! hört! hock!), und zwar eine so große, daß die libera¬
len Zeitungen (speciell: die cölnische) sie nie verstehen werden." Bravo,
bravo, Herr Beobachter! Also die preußische Negierung macht Con¬
cessionen? macht dem Liberalismus Concessionen? und es ist ein
Ruhm für sie, Concessionen zu machen? Eine Concession! eine Con¬
cession! mein Königreich um eine Concession! Der Herr Beobachter
verwechselt augenscheinlich die preußische Regierung mit sich. Was
der Herr Beobachter als eine so große Concession ansieht, ist nichts


ins Herz geschaut, und da folgende große Entdeckung gemacht: „Was
„die Regierung anstrebt, ist: die freie Persönlichkeit des Staatsbürgers
„in den Schranken einer selbstständigen und unbehinderten Staatsge¬
walt, sowie andrerseits die freie Persönlichkeit des religiösen Bewußt¬
seins in dem Organismus einer unabhängigen Kirche." Ueber diesen
blümeranten Unsinn kein Wort! Aber der Mühe werth ist es, darauf
zu merken, wie der Rhein. Beobachter mit den Lieblingsphrasen der
Gegner die er bekämpft, sich aufstutzt: Freiheit, Fortschritt, freie Per¬
sönlichkeit, religiöses Bewußtsein! Er bildet sich ein, dem conser-
vativen Princip dadurch zum Siege zu verhelfen, daß er ihm den Rock
des verachteten Gegners anzieht. Als ob das nicht gerade hieße, seine
Schwache, seine Blöße bekennen! Die preußische Regierung, sagt der
Herr Beobachter, habe deswegen „alle Parteien gegen sich, weil sie
ihr Princip unumwunden ausspricht und mit Entschiedenheit verfolgt."
Ich bitte Sie um Alles in der Welt. Dergleichen Dinge darf man
in Preußen sagen? darf ein Blatt sagen, das sich zum Vorkämpfer
der Regierung aufwirft? Die Regierung sei Partei? eine Partei die
alle Parteien gegen sich hat? verfolge ein Pacteiprincip, das den
Principien aller Parteien im Lande entgegengesetzt ist? Bravo, bravo,
Herr Beobachter! Und welches ist dies — nach der Entdeckung des
Hrn. Beobachters — Von der preußischen Regierung unumwunden aus¬
gesprochene (aber wo denn, wie denn, durch wen denn ausgesprochen?)
und mit Entschiedenheit verfolgte Princip? „Die freie Persönlichkeit
des Bürgers in den Schranken einer unb e h inderten Staatsgewalt"
— das Sonnenlicht im Innern eines fensterlosen Hauses. Bravo,
bravo! „Wir möchten" -— heißt es weiter — „dieses Verfahren" —
nämlich das unumwundene Aussprechen (welches nur der Herr Beo¬
bachter vernommen hat) und das entschiedene Verfahren dieses (vom
Herrn Beobachter erfundenen) Princips — „die Politik der Zu¬
kunft nennen, weil es sich hier zum ersten Male um ein offen aus¬
gesprochenes und wahrhaftes Princip handelt." Doch genug des offen
ausgesprochenen und wahrhaften Unsinns, welchen der Herr Beobachter
einer verständigen Regierung andichtet, deren Mitglieder solches Zeug
doch schwerlich lesen können, ohne zu — lächeln.

In einem anderen seiner vortrefflichen Aufsatze versichert der Herr
Beobachter: „In den Landtagsabschieden liege diesesmal eine Con¬
cession (!! hört! hock!), und zwar eine so große, daß die libera¬
len Zeitungen (speciell: die cölnische) sie nie verstehen werden." Bravo,
bravo, Herr Beobachter! Also die preußische Negierung macht Con¬
cessionen? macht dem Liberalismus Concessionen? und es ist ein
Ruhm für sie, Concessionen zu machen? Eine Concession! eine Con¬
cession! mein Königreich um eine Concession! Der Herr Beobachter
verwechselt augenscheinlich die preußische Regierung mit sich. Was
der Herr Beobachter als eine so große Concession ansieht, ist nichts


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[0378] ins Herz geschaut, und da folgende große Entdeckung gemacht: „Was „die Regierung anstrebt, ist: die freie Persönlichkeit des Staatsbürgers „in den Schranken einer selbstständigen und unbehinderten Staatsge¬ walt, sowie andrerseits die freie Persönlichkeit des religiösen Bewußt¬ seins in dem Organismus einer unabhängigen Kirche." Ueber diesen blümeranten Unsinn kein Wort! Aber der Mühe werth ist es, darauf zu merken, wie der Rhein. Beobachter mit den Lieblingsphrasen der Gegner die er bekämpft, sich aufstutzt: Freiheit, Fortschritt, freie Per¬ sönlichkeit, religiöses Bewußtsein! Er bildet sich ein, dem conser- vativen Princip dadurch zum Siege zu verhelfen, daß er ihm den Rock des verachteten Gegners anzieht. Als ob das nicht gerade hieße, seine Schwache, seine Blöße bekennen! Die preußische Regierung, sagt der Herr Beobachter, habe deswegen „alle Parteien gegen sich, weil sie ihr Princip unumwunden ausspricht und mit Entschiedenheit verfolgt." Ich bitte Sie um Alles in der Welt. Dergleichen Dinge darf man in Preußen sagen? darf ein Blatt sagen, das sich zum Vorkämpfer der Regierung aufwirft? Die Regierung sei Partei? eine Partei die alle Parteien gegen sich hat? verfolge ein Pacteiprincip, das den Principien aller Parteien im Lande entgegengesetzt ist? Bravo, bravo, Herr Beobachter! Und welches ist dies — nach der Entdeckung des Hrn. Beobachters — Von der preußischen Regierung unumwunden aus¬ gesprochene (aber wo denn, wie denn, durch wen denn ausgesprochen?) und mit Entschiedenheit verfolgte Princip? „Die freie Persönlichkeit des Bürgers in den Schranken einer unb e h inderten Staatsgewalt" — das Sonnenlicht im Innern eines fensterlosen Hauses. Bravo, bravo! „Wir möchten" -— heißt es weiter — „dieses Verfahren" — nämlich das unumwundene Aussprechen (welches nur der Herr Beo¬ bachter vernommen hat) und das entschiedene Verfahren dieses (vom Herrn Beobachter erfundenen) Princips — „die Politik der Zu¬ kunft nennen, weil es sich hier zum ersten Male um ein offen aus¬ gesprochenes und wahrhaftes Princip handelt." Doch genug des offen ausgesprochenen und wahrhaften Unsinns, welchen der Herr Beobachter einer verständigen Regierung andichtet, deren Mitglieder solches Zeug doch schwerlich lesen können, ohne zu — lächeln. In einem anderen seiner vortrefflichen Aufsatze versichert der Herr Beobachter: „In den Landtagsabschieden liege diesesmal eine Con¬ cession (!! hört! hock!), und zwar eine so große, daß die libera¬ len Zeitungen (speciell: die cölnische) sie nie verstehen werden." Bravo, bravo, Herr Beobachter! Also die preußische Negierung macht Con¬ cessionen? macht dem Liberalismus Concessionen? und es ist ein Ruhm für sie, Concessionen zu machen? Eine Concession! eine Con¬ cession! mein Königreich um eine Concession! Der Herr Beobachter verwechselt augenscheinlich die preußische Regierung mit sich. Was der Herr Beobachter als eine so große Concession ansieht, ist nichts

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/378>, abgerufen am 28.07.2024.