Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Hut über die adeligen Zöglinge in Insbruck noch mehr zu verstö-
ren: so viel ist gewiß, daß ihre Resignation daraus den auser¬
wählten Streitern Christi das Feld räumte.

Nun trat der Mann auf, dessen Stirne jener Alte von Berge
mit seinem Bruderkusse geweiht, und die der Sage nach Alle verstei¬
nerte, die sie ansahen. Sein Name erklang, wo es die Jesuiten galt;
er hieß Joseph, nachmals Freiherr, von Giovanelli. Während er
in der Jugend nach dem Zeugnisse seiner poetischen Ergüße ganz
andern Göttern opferte, trat er im Kampfe des Jahres 1809 auf
die Seite derer, die entrüstet über die Kränkung der Kirchendiener
den Schild erhoben, und ersah sich dabei die Leiter zu Gunst und
Geltung. Die Helden starben aus dem Kampf- und Richtplatze,
er aber wußte, obgleich er nie mit ihnen das blutige Spiel getheilt,
den letzten Abglanz ihres Heiligenscheines um sein Haupt zu sam¬
meln, hielt sich nun fortan zu Denen, die, wie es sich damals zeigte,
Herren des Landes waren, und trieb die Verfolgung der ihnen Ab¬
trünnigen so weit, daß die Kinder aus ihrem eigenen Vaterhause
weichen mußten. Auch dem Adel galt er als die würzigste Blume
in seinem Kranze, so durchweg durchdrungen von den gottgegebenen
Vorrechten der Geburt, als ob das Blut eines sechzehnten Urahns
in seinen Adern strömte. Die Herren der heiligen Ligue hatten ih¬
ren Mann gefunden, auch der Ringplatz war ihren Wünschen gün¬
stig: Adel und Schule, wornach die frommen Väter anderwärts
umsonst gestrebt, sollte hier mit einem einzigen Zuge in ihr Netz
fallen. Der damalige Landeschef war um Ersatz für die abtreten¬
den Erzieher der theresianischen Ritterakademie verlegen^ Giovanelli
schlug ihm die Jesuiten vor.

Allein von der hohen Warte, die ihren Telegraphen nicht nur
nach Tirol sondern auch nach Ostgalizien richtete, sahen sich die
Dinge anders an. Die vorliegenden Proben waren wenig geeig¬
net, die russischen Exulanten für das civilisirte Europa zu empfeh¬
len, man zuckte die Achseln und meinte, sie hätten sich überlebt.
Das wühlte und kochte im angehenden Freiherrn, die Stände als
Vertreter Tirols sollten sür seine Einflüsterungen einstehn, und weil
sich von selbst keine Gelegenheit darbot, brach er sie vom Zaune
Es war genug, daß die Uebersicht der Landtagsverhandlungen das
Theresianum einmal erwähnte; nicht von den Vorstehern, von den


wrenzbottn, l. 1"lo. 4g

Hut über die adeligen Zöglinge in Insbruck noch mehr zu verstö-
ren: so viel ist gewiß, daß ihre Resignation daraus den auser¬
wählten Streitern Christi das Feld räumte.

Nun trat der Mann auf, dessen Stirne jener Alte von Berge
mit seinem Bruderkusse geweiht, und die der Sage nach Alle verstei¬
nerte, die sie ansahen. Sein Name erklang, wo es die Jesuiten galt;
er hieß Joseph, nachmals Freiherr, von Giovanelli. Während er
in der Jugend nach dem Zeugnisse seiner poetischen Ergüße ganz
andern Göttern opferte, trat er im Kampfe des Jahres 1809 auf
die Seite derer, die entrüstet über die Kränkung der Kirchendiener
den Schild erhoben, und ersah sich dabei die Leiter zu Gunst und
Geltung. Die Helden starben aus dem Kampf- und Richtplatze,
er aber wußte, obgleich er nie mit ihnen das blutige Spiel getheilt,
den letzten Abglanz ihres Heiligenscheines um sein Haupt zu sam¬
meln, hielt sich nun fortan zu Denen, die, wie es sich damals zeigte,
Herren des Landes waren, und trieb die Verfolgung der ihnen Ab¬
trünnigen so weit, daß die Kinder aus ihrem eigenen Vaterhause
weichen mußten. Auch dem Adel galt er als die würzigste Blume
in seinem Kranze, so durchweg durchdrungen von den gottgegebenen
Vorrechten der Geburt, als ob das Blut eines sechzehnten Urahns
in seinen Adern strömte. Die Herren der heiligen Ligue hatten ih¬
ren Mann gefunden, auch der Ringplatz war ihren Wünschen gün¬
stig: Adel und Schule, wornach die frommen Väter anderwärts
umsonst gestrebt, sollte hier mit einem einzigen Zuge in ihr Netz
fallen. Der damalige Landeschef war um Ersatz für die abtreten¬
den Erzieher der theresianischen Ritterakademie verlegen^ Giovanelli
schlug ihm die Jesuiten vor.

Allein von der hohen Warte, die ihren Telegraphen nicht nur
nach Tirol sondern auch nach Ostgalizien richtete, sahen sich die
Dinge anders an. Die vorliegenden Proben waren wenig geeig¬
net, die russischen Exulanten für das civilisirte Europa zu empfeh¬
len, man zuckte die Achseln und meinte, sie hätten sich überlebt.
Das wühlte und kochte im angehenden Freiherrn, die Stände als
Vertreter Tirols sollten sür seine Einflüsterungen einstehn, und weil
sich von selbst keine Gelegenheit darbot, brach er sie vom Zaune
Es war genug, daß die Uebersicht der Landtagsverhandlungen das
Theresianum einmal erwähnte; nicht von den Vorstehern, von den


wrenzbottn, l. 1»lo. 4g
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0369" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182179"/>
          <p xml:id="ID_828" prev="#ID_827"> Hut über die adeligen Zöglinge in Insbruck noch mehr zu verstö-<lb/>
ren: so viel ist gewiß, daß ihre Resignation daraus den auser¬<lb/>
wählten Streitern Christi das Feld räumte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_829"> Nun trat der Mann auf, dessen Stirne jener Alte von Berge<lb/>
mit seinem Bruderkusse geweiht, und die der Sage nach Alle verstei¬<lb/>
nerte, die sie ansahen. Sein Name erklang, wo es die Jesuiten galt;<lb/>
er hieß Joseph, nachmals Freiherr, von Giovanelli. Während er<lb/>
in der Jugend nach dem Zeugnisse seiner poetischen Ergüße ganz<lb/>
andern Göttern opferte, trat er im Kampfe des Jahres 1809 auf<lb/>
die Seite derer, die entrüstet über die Kränkung der Kirchendiener<lb/>
den Schild erhoben, und ersah sich dabei die Leiter zu Gunst und<lb/>
Geltung. Die Helden starben aus dem Kampf- und Richtplatze,<lb/>
er aber wußte, obgleich er nie mit ihnen das blutige Spiel getheilt,<lb/>
den letzten Abglanz ihres Heiligenscheines um sein Haupt zu sam¬<lb/>
meln, hielt sich nun fortan zu Denen, die, wie es sich damals zeigte,<lb/>
Herren des Landes waren, und trieb die Verfolgung der ihnen Ab¬<lb/>
trünnigen so weit, daß die Kinder aus ihrem eigenen Vaterhause<lb/>
weichen mußten. Auch dem Adel galt er als die würzigste Blume<lb/>
in seinem Kranze, so durchweg durchdrungen von den gottgegebenen<lb/>
Vorrechten der Geburt, als ob das Blut eines sechzehnten Urahns<lb/>
in seinen Adern strömte. Die Herren der heiligen Ligue hatten ih¬<lb/>
ren Mann gefunden, auch der Ringplatz war ihren Wünschen gün¬<lb/>
stig: Adel und Schule, wornach die frommen Väter anderwärts<lb/>
umsonst gestrebt, sollte hier mit einem einzigen Zuge in ihr Netz<lb/>
fallen. Der damalige Landeschef war um Ersatz für die abtreten¬<lb/>
den Erzieher der theresianischen Ritterakademie verlegen^ Giovanelli<lb/>
schlug ihm die Jesuiten vor.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_830" next="#ID_831"> Allein von der hohen Warte, die ihren Telegraphen nicht nur<lb/>
nach Tirol sondern auch nach Ostgalizien richtete, sahen sich die<lb/>
Dinge anders an. Die vorliegenden Proben waren wenig geeig¬<lb/>
net, die russischen Exulanten für das civilisirte Europa zu empfeh¬<lb/>
len, man zuckte die Achseln und meinte, sie hätten sich überlebt.<lb/>
Das wühlte und kochte im angehenden Freiherrn, die Stände als<lb/>
Vertreter Tirols sollten sür seine Einflüsterungen einstehn, und weil<lb/>
sich von selbst keine Gelegenheit darbot, brach er sie vom Zaune<lb/>
Es war genug, daß die Uebersicht der Landtagsverhandlungen das<lb/>
Theresianum einmal erwähnte; nicht von den Vorstehern, von den</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> wrenzbottn, l. 1»lo. 4g</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0369] Hut über die adeligen Zöglinge in Insbruck noch mehr zu verstö- ren: so viel ist gewiß, daß ihre Resignation daraus den auser¬ wählten Streitern Christi das Feld räumte. Nun trat der Mann auf, dessen Stirne jener Alte von Berge mit seinem Bruderkusse geweiht, und die der Sage nach Alle verstei¬ nerte, die sie ansahen. Sein Name erklang, wo es die Jesuiten galt; er hieß Joseph, nachmals Freiherr, von Giovanelli. Während er in der Jugend nach dem Zeugnisse seiner poetischen Ergüße ganz andern Göttern opferte, trat er im Kampfe des Jahres 1809 auf die Seite derer, die entrüstet über die Kränkung der Kirchendiener den Schild erhoben, und ersah sich dabei die Leiter zu Gunst und Geltung. Die Helden starben aus dem Kampf- und Richtplatze, er aber wußte, obgleich er nie mit ihnen das blutige Spiel getheilt, den letzten Abglanz ihres Heiligenscheines um sein Haupt zu sam¬ meln, hielt sich nun fortan zu Denen, die, wie es sich damals zeigte, Herren des Landes waren, und trieb die Verfolgung der ihnen Ab¬ trünnigen so weit, daß die Kinder aus ihrem eigenen Vaterhause weichen mußten. Auch dem Adel galt er als die würzigste Blume in seinem Kranze, so durchweg durchdrungen von den gottgegebenen Vorrechten der Geburt, als ob das Blut eines sechzehnten Urahns in seinen Adern strömte. Die Herren der heiligen Ligue hatten ih¬ ren Mann gefunden, auch der Ringplatz war ihren Wünschen gün¬ stig: Adel und Schule, wornach die frommen Väter anderwärts umsonst gestrebt, sollte hier mit einem einzigen Zuge in ihr Netz fallen. Der damalige Landeschef war um Ersatz für die abtreten¬ den Erzieher der theresianischen Ritterakademie verlegen^ Giovanelli schlug ihm die Jesuiten vor. Allein von der hohen Warte, die ihren Telegraphen nicht nur nach Tirol sondern auch nach Ostgalizien richtete, sahen sich die Dinge anders an. Die vorliegenden Proben waren wenig geeig¬ net, die russischen Exulanten für das civilisirte Europa zu empfeh¬ len, man zuckte die Achseln und meinte, sie hätten sich überlebt. Das wühlte und kochte im angehenden Freiherrn, die Stände als Vertreter Tirols sollten sür seine Einflüsterungen einstehn, und weil sich von selbst keine Gelegenheit darbot, brach er sie vom Zaune Es war genug, daß die Uebersicht der Landtagsverhandlungen das Theresianum einmal erwähnte; nicht von den Vorstehern, von den wrenzbottn, l. 1»lo. 4g

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/369
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/369>, abgerufen am 23.12.2024.