Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Egoismus, fiel er unter den Streichen Europas. Czartoryski setzte
nun seine frühere Politik fort; er begleitete Alexander nach Paris
und auf den Wiener Kongreß, und wenn er von den Mächten nicht
die gänzliche Wiederherstellung Polens erlangen konnte, so erwirkte
er doch die Erhebung des Großherzogthums Warschau zu einem
mehr als titulären besondern Königreich Polen mit einer von
Alexander beschworenen Charte, mit seinen eigenen nationalen In¬
stitutionen und seiner selbständigen Armee. Czartoryski wurde Se¬
nator und Mitglied des Verwaltungsrathes für das neue König¬
reich. Aber bald wurde Alexanders guter Wille immer schwächer
und schwächer, die polnischen Hoffnungen immer blässer und blässer.
Die phantastische Grausamkeit und Brutalität Konstantins, des mi¬
litärischen Commandanten Polens, und der Jesuitismus Novossilt-
zoff's, des berüchtigten kais. russischen Comnüssärs, fingen an, aus
dem polnischen Königthum eine höhnische Carricatur zu machen.
Wenn sich jetzt Fürst Adam brieflich bei Alexander über die Excesse
beschwerte, die man in seinem Namen gegen Polen beging, so er¬
hielt er keine Antwort, und als Alexanders Liberalismus, endlich
vergiftet von den pietistischen Bettelsuppen der Krüdener, in mysti¬
schen Schwächen und Ohnmachten aufging, erhielten Novossiltzoff
und Constantin von ihm absolute Vollmacht, Untersuchungen und
Processe einzuleiten, d. h. nach Gutdünken zu schalten und zu wal¬
ten. Czartoryski wurde jetzt revolutionärer Tendenzen beschuldigt,
und in seinem Bericht über den Zustand des öffentlichen Unter¬
richts in Polen an den Kaiser stellte der Inquisitor dem Patrio¬
tismus des Fürsten unwillkürlich das glänzendste Zeugniß aus; er
erklärte nämlich, das Czartoryskische System habe die Nussifici-
rungPolens wenigstens um 1V0 Jahre aufgehalten.

Fürst Adam gab jetzt seine öffentlichen Functionen auf, außer
der des Senators, weil diese ihm das Recht ließ, über heimische
Angelegenheiten wenigstens zu sprechen; er beschäftigte sich, wie
sein Vater Adam Casimir, der "polnische Mäcenas", mit Literatur,
brachte die Bibliothek des Gelehrten Taddäus Czacki an sich,
schmückte seinen Park und bereicherte seine Kunstsammlungen in
Pulawy, kurz er machte aus diesem Schloß, welches jetzt dem
Kaiser Nikolaus gehört, ein wahrhaftes Nationalmuseum. Auch
ein Duell hatte er um diese Zeit mit dem General Grafen Ludwig


Egoismus, fiel er unter den Streichen Europas. Czartoryski setzte
nun seine frühere Politik fort; er begleitete Alexander nach Paris
und auf den Wiener Kongreß, und wenn er von den Mächten nicht
die gänzliche Wiederherstellung Polens erlangen konnte, so erwirkte
er doch die Erhebung des Großherzogthums Warschau zu einem
mehr als titulären besondern Königreich Polen mit einer von
Alexander beschworenen Charte, mit seinen eigenen nationalen In¬
stitutionen und seiner selbständigen Armee. Czartoryski wurde Se¬
nator und Mitglied des Verwaltungsrathes für das neue König¬
reich. Aber bald wurde Alexanders guter Wille immer schwächer
und schwächer, die polnischen Hoffnungen immer blässer und blässer.
Die phantastische Grausamkeit und Brutalität Konstantins, des mi¬
litärischen Commandanten Polens, und der Jesuitismus Novossilt-
zoff's, des berüchtigten kais. russischen Comnüssärs, fingen an, aus
dem polnischen Königthum eine höhnische Carricatur zu machen.
Wenn sich jetzt Fürst Adam brieflich bei Alexander über die Excesse
beschwerte, die man in seinem Namen gegen Polen beging, so er¬
hielt er keine Antwort, und als Alexanders Liberalismus, endlich
vergiftet von den pietistischen Bettelsuppen der Krüdener, in mysti¬
schen Schwächen und Ohnmachten aufging, erhielten Novossiltzoff
und Constantin von ihm absolute Vollmacht, Untersuchungen und
Processe einzuleiten, d. h. nach Gutdünken zu schalten und zu wal¬
ten. Czartoryski wurde jetzt revolutionärer Tendenzen beschuldigt,
und in seinem Bericht über den Zustand des öffentlichen Unter¬
richts in Polen an den Kaiser stellte der Inquisitor dem Patrio¬
tismus des Fürsten unwillkürlich das glänzendste Zeugniß aus; er
erklärte nämlich, das Czartoryskische System habe die Nussifici-
rungPolens wenigstens um 1V0 Jahre aufgehalten.

Fürst Adam gab jetzt seine öffentlichen Functionen auf, außer
der des Senators, weil diese ihm das Recht ließ, über heimische
Angelegenheiten wenigstens zu sprechen; er beschäftigte sich, wie
sein Vater Adam Casimir, der „polnische Mäcenas", mit Literatur,
brachte die Bibliothek des Gelehrten Taddäus Czacki an sich,
schmückte seinen Park und bereicherte seine Kunstsammlungen in
Pulawy, kurz er machte aus diesem Schloß, welches jetzt dem
Kaiser Nikolaus gehört, ein wahrhaftes Nationalmuseum. Auch
ein Duell hatte er um diese Zeit mit dem General Grafen Ludwig


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0355" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182165"/>
          <p xml:id="ID_793" prev="#ID_792"> Egoismus, fiel er unter den Streichen Europas. Czartoryski setzte<lb/>
nun seine frühere Politik fort; er begleitete Alexander nach Paris<lb/>
und auf den Wiener Kongreß, und wenn er von den Mächten nicht<lb/>
die gänzliche Wiederherstellung Polens erlangen konnte, so erwirkte<lb/>
er doch die Erhebung des Großherzogthums Warschau zu einem<lb/>
mehr als titulären besondern Königreich Polen mit einer von<lb/>
Alexander beschworenen Charte, mit seinen eigenen nationalen In¬<lb/>
stitutionen und seiner selbständigen Armee. Czartoryski wurde Se¬<lb/>
nator und Mitglied des Verwaltungsrathes für das neue König¬<lb/>
reich. Aber bald wurde Alexanders guter Wille immer schwächer<lb/>
und schwächer, die polnischen Hoffnungen immer blässer und blässer.<lb/>
Die phantastische Grausamkeit und Brutalität Konstantins, des mi¬<lb/>
litärischen Commandanten Polens, und der Jesuitismus Novossilt-<lb/>
zoff's, des berüchtigten kais. russischen Comnüssärs, fingen an, aus<lb/>
dem polnischen Königthum eine höhnische Carricatur zu machen.<lb/>
Wenn sich jetzt Fürst Adam brieflich bei Alexander über die Excesse<lb/>
beschwerte, die man in seinem Namen gegen Polen beging, so er¬<lb/>
hielt er keine Antwort, und als Alexanders Liberalismus, endlich<lb/>
vergiftet von den pietistischen Bettelsuppen der Krüdener, in mysti¬<lb/>
schen Schwächen und Ohnmachten aufging, erhielten Novossiltzoff<lb/>
und Constantin von ihm absolute Vollmacht, Untersuchungen und<lb/>
Processe einzuleiten, d. h. nach Gutdünken zu schalten und zu wal¬<lb/>
ten. Czartoryski wurde jetzt revolutionärer Tendenzen beschuldigt,<lb/>
und in seinem Bericht über den Zustand des öffentlichen Unter¬<lb/>
richts in Polen an den Kaiser stellte der Inquisitor dem Patrio¬<lb/>
tismus des Fürsten unwillkürlich das glänzendste Zeugniß aus; er<lb/>
erklärte nämlich, das Czartoryskische System habe die Nussifici-<lb/>
rungPolens wenigstens um 1V0 Jahre aufgehalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_794" next="#ID_795"> Fürst Adam gab jetzt seine öffentlichen Functionen auf, außer<lb/>
der des Senators, weil diese ihm das Recht ließ, über heimische<lb/>
Angelegenheiten wenigstens zu sprechen; er beschäftigte sich, wie<lb/>
sein Vater Adam Casimir, der &#x201E;polnische Mäcenas", mit Literatur,<lb/>
brachte die Bibliothek des Gelehrten Taddäus Czacki an sich,<lb/>
schmückte seinen Park und bereicherte seine Kunstsammlungen in<lb/>
Pulawy, kurz er machte aus diesem Schloß, welches jetzt dem<lb/>
Kaiser Nikolaus gehört, ein wahrhaftes Nationalmuseum. Auch<lb/>
ein Duell hatte er um diese Zeit mit dem General Grafen Ludwig</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0355] Egoismus, fiel er unter den Streichen Europas. Czartoryski setzte nun seine frühere Politik fort; er begleitete Alexander nach Paris und auf den Wiener Kongreß, und wenn er von den Mächten nicht die gänzliche Wiederherstellung Polens erlangen konnte, so erwirkte er doch die Erhebung des Großherzogthums Warschau zu einem mehr als titulären besondern Königreich Polen mit einer von Alexander beschworenen Charte, mit seinen eigenen nationalen In¬ stitutionen und seiner selbständigen Armee. Czartoryski wurde Se¬ nator und Mitglied des Verwaltungsrathes für das neue König¬ reich. Aber bald wurde Alexanders guter Wille immer schwächer und schwächer, die polnischen Hoffnungen immer blässer und blässer. Die phantastische Grausamkeit und Brutalität Konstantins, des mi¬ litärischen Commandanten Polens, und der Jesuitismus Novossilt- zoff's, des berüchtigten kais. russischen Comnüssärs, fingen an, aus dem polnischen Königthum eine höhnische Carricatur zu machen. Wenn sich jetzt Fürst Adam brieflich bei Alexander über die Excesse beschwerte, die man in seinem Namen gegen Polen beging, so er¬ hielt er keine Antwort, und als Alexanders Liberalismus, endlich vergiftet von den pietistischen Bettelsuppen der Krüdener, in mysti¬ schen Schwächen und Ohnmachten aufging, erhielten Novossiltzoff und Constantin von ihm absolute Vollmacht, Untersuchungen und Processe einzuleiten, d. h. nach Gutdünken zu schalten und zu wal¬ ten. Czartoryski wurde jetzt revolutionärer Tendenzen beschuldigt, und in seinem Bericht über den Zustand des öffentlichen Unter¬ richts in Polen an den Kaiser stellte der Inquisitor dem Patrio¬ tismus des Fürsten unwillkürlich das glänzendste Zeugniß aus; er erklärte nämlich, das Czartoryskische System habe die Nussifici- rungPolens wenigstens um 1V0 Jahre aufgehalten. Fürst Adam gab jetzt seine öffentlichen Functionen auf, außer der des Senators, weil diese ihm das Recht ließ, über heimische Angelegenheiten wenigstens zu sprechen; er beschäftigte sich, wie sein Vater Adam Casimir, der „polnische Mäcenas", mit Literatur, brachte die Bibliothek des Gelehrten Taddäus Czacki an sich, schmückte seinen Park und bereicherte seine Kunstsammlungen in Pulawy, kurz er machte aus diesem Schloß, welches jetzt dem Kaiser Nikolaus gehört, ein wahrhaftes Nationalmuseum. Auch ein Duell hatte er um diese Zeit mit dem General Grafen Ludwig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/355
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/355>, abgerufen am 23.12.2024.