Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.gnügen, womit die rovalitische Partei der Emigration einen ohn¬ Die Geschichte des Hauses CzartottM ist ungemein lehrreich; gnügen, womit die rovalitische Partei der Emigration einen ohn¬ Die Geschichte des Hauses CzartottM ist ungemein lehrreich; <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0346" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182156"/> <p xml:id="ID_773" prev="#ID_772"> gnügen, womit die rovalitische Partei der Emigration einen ohn¬<lb/> mächtigen Greis umgibt: ihn selbst darüber zu verhöhnen oder elen-<lb/> der Selbstsucht zu beschuldigen, wie Manche gethan haben, ist eine<lb/> wohlfeile Grausamkeit. So harmlos die Tragikomödie dieses Kö¬<lb/> nigthums ist, so bedeutungsvoll, ereigniß- und verdienstreich ist bis<lb/> zum letzten Schiffbruch (1831) Czartoryski's Laufbahn gewesen.<lb/> Seine rovalistischcn Tendenzen erklären sich aus der Geschichte und<lb/> der Politik seines Hauses; aber diese Politik war bei allen Feh¬<lb/> lern, die sie beging, eben so patriotisch gemeint, wie die der<lb/> andern Parteien; und es ist schwer zu entscheiden, welche von ih¬<lb/> nen am meisten beitrug zur Beschleunigung der polnischen Kata¬<lb/> strophe. So viel ist gewiß, daß Czartoriski erst im Unglück und<lb/> in der Schwäche des Greisenalters in diese unschuldigen Königs¬<lb/> träume verfallen ist; derselbe Mann, der an den Weiden Babels<lb/> die imaginäre Sarmatenkrone sich aufsetzen ließ, — eine Krone von<lb/> Dornen, die unter den ehrgeizigsten Prinzen Europas keinen Prä¬<lb/> tendenten fand — derselbe Mann hat als gemeiner Soldat in<lb/> der polnischen Revolutionsarmee gefochten; derselbe Mann hat un¬<lb/> ter Alexander nur für die Erhaltung der polnischen Nationalität<lb/> gearbeitet und diesem, wie er glaubte, friedlich zu währenden Gut<lb/> alle glänzenden Aussichten opfern wollen, die sich durch eine Revo¬<lb/> lution seinem Hause eröffneten.</p><lb/> <p xml:id="ID_774" next="#ID_775"> Die Geschichte des Hauses CzartottM ist ungemein lehrreich;<lb/> diese Familie hat zuerst die Erbsünden des polnischen Staatswesens<lb/> eingesehen, und indem sie dieselben durch eine kühne Reform aus¬<lb/> rotten wollte, zugleich den größten und gefährlichsten Mißgriff be¬<lb/> gangen, den ein nationaler Patriotismus begehen kann. Die Fa¬<lb/> milie Czartoryski ist ein Zweig jenes großherzoglich lithauischen<lb/> Hauses, welches Polen die glorreiche Dynastie der Jagellonen gab.<lb/> Im sechzehnten Jahrhundert, unter dem letzten Jagellonen Sigis-<lb/> mund August, trugen die Czartoryskis nicht wenig zur endlichen<lb/> Vereinigung Lithauens und Polens bei. Von damals an war<lb/> ihr Einfluß und ihr Reichthum fortwährend im Steigen begriffen,<lb/> und um die Mitte des vorigen Jahrhunderts besaßen sie Macht<lb/> genug, um den kühnen Plan zu fassen, die Anarchie, der<lb/> weder Sobicski, noch Casimir der Große gewachsen gewesen,<lb/> gänzlich zu ersticken. Wenn Polen damals zu retten war, die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0346]
gnügen, womit die rovalitische Partei der Emigration einen ohn¬
mächtigen Greis umgibt: ihn selbst darüber zu verhöhnen oder elen-
der Selbstsucht zu beschuldigen, wie Manche gethan haben, ist eine
wohlfeile Grausamkeit. So harmlos die Tragikomödie dieses Kö¬
nigthums ist, so bedeutungsvoll, ereigniß- und verdienstreich ist bis
zum letzten Schiffbruch (1831) Czartoryski's Laufbahn gewesen.
Seine rovalistischcn Tendenzen erklären sich aus der Geschichte und
der Politik seines Hauses; aber diese Politik war bei allen Feh¬
lern, die sie beging, eben so patriotisch gemeint, wie die der
andern Parteien; und es ist schwer zu entscheiden, welche von ih¬
nen am meisten beitrug zur Beschleunigung der polnischen Kata¬
strophe. So viel ist gewiß, daß Czartoriski erst im Unglück und
in der Schwäche des Greisenalters in diese unschuldigen Königs¬
träume verfallen ist; derselbe Mann, der an den Weiden Babels
die imaginäre Sarmatenkrone sich aufsetzen ließ, — eine Krone von
Dornen, die unter den ehrgeizigsten Prinzen Europas keinen Prä¬
tendenten fand — derselbe Mann hat als gemeiner Soldat in
der polnischen Revolutionsarmee gefochten; derselbe Mann hat un¬
ter Alexander nur für die Erhaltung der polnischen Nationalität
gearbeitet und diesem, wie er glaubte, friedlich zu währenden Gut
alle glänzenden Aussichten opfern wollen, die sich durch eine Revo¬
lution seinem Hause eröffneten.
Die Geschichte des Hauses CzartottM ist ungemein lehrreich;
diese Familie hat zuerst die Erbsünden des polnischen Staatswesens
eingesehen, und indem sie dieselben durch eine kühne Reform aus¬
rotten wollte, zugleich den größten und gefährlichsten Mißgriff be¬
gangen, den ein nationaler Patriotismus begehen kann. Die Fa¬
milie Czartoryski ist ein Zweig jenes großherzoglich lithauischen
Hauses, welches Polen die glorreiche Dynastie der Jagellonen gab.
Im sechzehnten Jahrhundert, unter dem letzten Jagellonen Sigis-
mund August, trugen die Czartoryskis nicht wenig zur endlichen
Vereinigung Lithauens und Polens bei. Von damals an war
ihr Einfluß und ihr Reichthum fortwährend im Steigen begriffen,
und um die Mitte des vorigen Jahrhunderts besaßen sie Macht
genug, um den kühnen Plan zu fassen, die Anarchie, der
weder Sobicski, noch Casimir der Große gewachsen gewesen,
gänzlich zu ersticken. Wenn Polen damals zu retten war, die
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