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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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der russischen Ehrsucht gewesen, Und nun denke man sich die
prächtige Olga, mit ihrer wahrhaft königlichen Gestalt, mit der
Gracie und der Schönheit einer griechischen Göttin, mit Entschlos¬
senheit und Scharfsinn ausgerüstet, ein Erbe des Geistes ihres Va¬
ters, in seine Pläne eingeweiht - als die Gattin deö Statthalters in
Prag. Die Hauptstadt Böhmens, ohnehin auf die östcrreischc Re¬
sidenz eifersüchtig, noch immer in den Erinnerungen ihrer frühern
Geschichte, Macht und Herrlichkeit schwelgend, belebt von einer
nach politischer Geltung strebenden Slavcnbevölkcrung, und in ihrer
Mitte eine Prinzessin die durch Abstammung, Schönheit und Reich¬
thum strahlt, und einen Hofstaat um sich versammelt, der die alte
Czcchcnstadt neu belebt. Welcher Enthusiasmus, welche gefährliche
Propaganda hätte sich an die Person der glänzenden Czarentoch-
ter geknüpft! Prag wäre eine Colonie russischer Diplomaten, Agen¬
ten und Spione geworden. Unter dem Vorwande den Hofstaat
seiner Tochter zu verherrlichen, und die Anhänglichkeit sür ihre Per¬
son zu belohnen, hätten die Malachitvasen, Annenorden und Silber-
rubel in den Palästen der Großen und in den Häusern der Kleinen
ihre glänzende Beredsamkeit versucht. Wir sind ja alle Eines Stam¬
mes, Brüder und Sprachverwandte, hätte man in rührender Gro߬
herzigkeit gepredigt, die ostslavischen Crocodille hätten Thränen der
Bruderliebe an dem Halse der gerührten Westslavcn geweint, die
Königinhofer Handschrift wäre aus Kosten deö Czaren in einer
Prachtausgabe erschienen, und an einem Morgen -- doch lassen
wir den Vorhang fallen! Ihre Leser werden hoffentlich überzeugt
sein ^ daß es um andere Dinge sich handelte, als ,,um den Ueber¬
gang deö Erzherzogs Stephans zur griechischen, oder der Prinzes¬
sin Olga zur katholischen Kirche." Denn nicht bloß in Böhmen,
auch in Ungarn gibt eS nationalcifrige Slaven, und in Pesth oder
in Prag, als Gattin eines Palatins, oder als Statthalterin von
Böhmen, überall wäre die schöne russische Libussa ein feuriger En¬
gel panslavistischcr Eroberung gewesen. Was in Rom sich ereig¬
nete, war also von wenig Einfluß auf die Politik des österreichi¬
schen Hofes - wenn man des Gebot der allereinfachsten Vorsicht
Politik taufen will. Eine kleinere Rückwirkung jedoch hatte die
römische Episode immerhin, sie machte endlich auch jene weibliche
Diplomatie, deren oben erwähnt wurde verstummen. Der Kirche


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der russischen Ehrsucht gewesen, Und nun denke man sich die
prächtige Olga, mit ihrer wahrhaft königlichen Gestalt, mit der
Gracie und der Schönheit einer griechischen Göttin, mit Entschlos¬
senheit und Scharfsinn ausgerüstet, ein Erbe des Geistes ihres Va¬
ters, in seine Pläne eingeweiht - als die Gattin deö Statthalters in
Prag. Die Hauptstadt Böhmens, ohnehin auf die östcrreischc Re¬
sidenz eifersüchtig, noch immer in den Erinnerungen ihrer frühern
Geschichte, Macht und Herrlichkeit schwelgend, belebt von einer
nach politischer Geltung strebenden Slavcnbevölkcrung, und in ihrer
Mitte eine Prinzessin die durch Abstammung, Schönheit und Reich¬
thum strahlt, und einen Hofstaat um sich versammelt, der die alte
Czcchcnstadt neu belebt. Welcher Enthusiasmus, welche gefährliche
Propaganda hätte sich an die Person der glänzenden Czarentoch-
ter geknüpft! Prag wäre eine Colonie russischer Diplomaten, Agen¬
ten und Spione geworden. Unter dem Vorwande den Hofstaat
seiner Tochter zu verherrlichen, und die Anhänglichkeit sür ihre Per¬
son zu belohnen, hätten die Malachitvasen, Annenorden und Silber-
rubel in den Palästen der Großen und in den Häusern der Kleinen
ihre glänzende Beredsamkeit versucht. Wir sind ja alle Eines Stam¬
mes, Brüder und Sprachverwandte, hätte man in rührender Gro߬
herzigkeit gepredigt, die ostslavischen Crocodille hätten Thränen der
Bruderliebe an dem Halse der gerührten Westslavcn geweint, die
Königinhofer Handschrift wäre aus Kosten deö Czaren in einer
Prachtausgabe erschienen, und an einem Morgen — doch lassen
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sein ^ daß es um andere Dinge sich handelte, als ,,um den Ueber¬
gang deö Erzherzogs Stephans zur griechischen, oder der Prinzes¬
sin Olga zur katholischen Kirche." Denn nicht bloß in Böhmen,
auch in Ungarn gibt eS nationalcifrige Slaven, und in Pesth oder
in Prag, als Gattin eines Palatins, oder als Statthalterin von
Böhmen, überall wäre die schöne russische Libussa ein feuriger En¬
gel panslavistischcr Eroberung gewesen. Was in Rom sich ereig¬
nete, war also von wenig Einfluß auf die Politik des österreichi¬
schen Hofes - wenn man des Gebot der allereinfachsten Vorsicht
Politik taufen will. Eine kleinere Rückwirkung jedoch hatte die
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[0275] der russischen Ehrsucht gewesen, Und nun denke man sich die prächtige Olga, mit ihrer wahrhaft königlichen Gestalt, mit der Gracie und der Schönheit einer griechischen Göttin, mit Entschlos¬ senheit und Scharfsinn ausgerüstet, ein Erbe des Geistes ihres Va¬ ters, in seine Pläne eingeweiht - als die Gattin deö Statthalters in Prag. Die Hauptstadt Böhmens, ohnehin auf die östcrreischc Re¬ sidenz eifersüchtig, noch immer in den Erinnerungen ihrer frühern Geschichte, Macht und Herrlichkeit schwelgend, belebt von einer nach politischer Geltung strebenden Slavcnbevölkcrung, und in ihrer Mitte eine Prinzessin die durch Abstammung, Schönheit und Reich¬ thum strahlt, und einen Hofstaat um sich versammelt, der die alte Czcchcnstadt neu belebt. Welcher Enthusiasmus, welche gefährliche Propaganda hätte sich an die Person der glänzenden Czarentoch- ter geknüpft! Prag wäre eine Colonie russischer Diplomaten, Agen¬ ten und Spione geworden. Unter dem Vorwande den Hofstaat seiner Tochter zu verherrlichen, und die Anhänglichkeit sür ihre Per¬ son zu belohnen, hätten die Malachitvasen, Annenorden und Silber- rubel in den Palästen der Großen und in den Häusern der Kleinen ihre glänzende Beredsamkeit versucht. Wir sind ja alle Eines Stam¬ mes, Brüder und Sprachverwandte, hätte man in rührender Gro߬ herzigkeit gepredigt, die ostslavischen Crocodille hätten Thränen der Bruderliebe an dem Halse der gerührten Westslavcn geweint, die Königinhofer Handschrift wäre aus Kosten deö Czaren in einer Prachtausgabe erschienen, und an einem Morgen — doch lassen wir den Vorhang fallen! Ihre Leser werden hoffentlich überzeugt sein ^ daß es um andere Dinge sich handelte, als ,,um den Ueber¬ gang deö Erzherzogs Stephans zur griechischen, oder der Prinzes¬ sin Olga zur katholischen Kirche." Denn nicht bloß in Böhmen, auch in Ungarn gibt eS nationalcifrige Slaven, und in Pesth oder in Prag, als Gattin eines Palatins, oder als Statthalterin von Böhmen, überall wäre die schöne russische Libussa ein feuriger En¬ gel panslavistischcr Eroberung gewesen. Was in Rom sich ereig¬ nete, war also von wenig Einfluß auf die Politik des österreichi¬ schen Hofes - wenn man des Gebot der allereinfachsten Vorsicht Politik taufen will. Eine kleinere Rückwirkung jedoch hatte die römische Episode immerhin, sie machte endlich auch jene weibliche Diplomatie, deren oben erwähnt wurde verstummen. Der Kirche Z4*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/275>, abgerufen am 01.09.2024.