Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.Beck gesteht uns sogar am Schluße der Sammlung, daß er Wie bezeichnend ist ein Zug wie dieser für die jetzige lyrische Beck gesteht uns sogar am Schluße der Sammlung, daß er Wie bezeichnend ist ein Zug wie dieser für die jetzige lyrische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0264" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182074"/> <p xml:id="ID_584"> Beck gesteht uns sogar am Schluße der Sammlung, daß er<lb/> nicht blos, was besonders die Eingangsepistel anzeigt, über Ursach<lb/> und Zusammenhang der Erscheinungen, die er uns schildert, nach¬<lb/> gedacht, sondern daß er bei der Schilderung derselben auch noch<lb/> einen besonderen wohlthätigen Zweck vor Augen gehabt, oder<lb/> wenigstens hinterher sich mit dem Gedanken eines vollbrachten, guten<lb/> Werks geschmeichelt habe,</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_62" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_585" next="#ID_586"> Wie bezeichnend ist ein Zug wie dieser für die jetzige lyrische<lb/> Dichtung! — Göthe, der fast nach allen Seiten hin Bahn gebro¬<lb/> chen, hat auch die Möglichkeit Gestalten, Handlungen und Vor¬<lb/> gänge des ganz gemeinen alltäglichen Lebens in poetische Stoffe<lb/> umzuwandeln, und zwar ohne daß man sie mit falschen Flittern zu<lb/> behängen braucht, gezeigt. Aber Göthe hat noch nicht umhin kön¬<lb/> nen, uns diese gemeine Wirklichkeit, damit wir nicht von ihr abge¬<lb/> stoßen würden, stets unter einer gewissen romantischen Lampenbe-<lb/> leuchtung vorzuführen. Man denke z. B. an Gretchen, wie sie die<lb/> „kleine Wirthschaft, die doch versehen sein will" und „ihre liebe<lb/> Noth mit dem Kind" beschreibt, oder an so vieles in „Herrmann<lb/> und Dorothea," oder an „die Fischerin" u. tgi. in. Da ist nun<lb/> freilich alles so natürlich, alles so aus dem plackseligen, erbärmlichen<lb/> Leben heraus, wie auf einem niederländischen Gemälde; und doch<lb/> zeigt 'es sich alles, vermöge der Magie, welche diese Dichtungen<lb/> in ihrem Ganzen und Vollen auf uns üben, wie unter einem zar¬<lb/> ten Schleier von ferncndem Duft; wir fühlen uns trotz aller Ge¬<lb/> wöhnlichkeit der Thatsachen, Lagen und Verhältnisse doch aus un¬<lb/> serer bekannten Welt hinaus und, wir wissen selbst nicht wie und<lb/> wodurch, in eine unbekannte, mystische Welt versetzt, eben in — das<lb/> Reich des Ideals, der Poesie; jene Region, von der in derselben<lb/> Epoche Schiller sang:</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0264]
Beck gesteht uns sogar am Schluße der Sammlung, daß er
nicht blos, was besonders die Eingangsepistel anzeigt, über Ursach
und Zusammenhang der Erscheinungen, die er uns schildert, nach¬
gedacht, sondern daß er bei der Schilderung derselben auch noch
einen besonderen wohlthätigen Zweck vor Augen gehabt, oder
wenigstens hinterher sich mit dem Gedanken eines vollbrachten, guten
Werks geschmeichelt habe,
Wie bezeichnend ist ein Zug wie dieser für die jetzige lyrische
Dichtung! — Göthe, der fast nach allen Seiten hin Bahn gebro¬
chen, hat auch die Möglichkeit Gestalten, Handlungen und Vor¬
gänge des ganz gemeinen alltäglichen Lebens in poetische Stoffe
umzuwandeln, und zwar ohne daß man sie mit falschen Flittern zu
behängen braucht, gezeigt. Aber Göthe hat noch nicht umhin kön¬
nen, uns diese gemeine Wirklichkeit, damit wir nicht von ihr abge¬
stoßen würden, stets unter einer gewissen romantischen Lampenbe-
leuchtung vorzuführen. Man denke z. B. an Gretchen, wie sie die
„kleine Wirthschaft, die doch versehen sein will" und „ihre liebe
Noth mit dem Kind" beschreibt, oder an so vieles in „Herrmann
und Dorothea," oder an „die Fischerin" u. tgi. in. Da ist nun
freilich alles so natürlich, alles so aus dem plackseligen, erbärmlichen
Leben heraus, wie auf einem niederländischen Gemälde; und doch
zeigt 'es sich alles, vermöge der Magie, welche diese Dichtungen
in ihrem Ganzen und Vollen auf uns üben, wie unter einem zar¬
ten Schleier von ferncndem Duft; wir fühlen uns trotz aller Ge¬
wöhnlichkeit der Thatsachen, Lagen und Verhältnisse doch aus un¬
serer bekannten Welt hinaus und, wir wissen selbst nicht wie und
wodurch, in eine unbekannte, mystische Welt versetzt, eben in — das
Reich des Ideals, der Poesie; jene Region, von der in derselben
Epoche Schiller sang:
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