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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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mit einem schrecklichem Feinde zu thun- mit dem Hunger, mit dei
unblutigen Misere.

Und wir sprechen erst nicht vom gemeinen Soldaten, der sei-
nen Sold wie ein Almosen nach monatelangem Darben nur zum
Theil erbetteln oder ertrotzen kann: nein, von Offizieren aller Grade;
Capitän, Lieutenant und Serschant sind in derselben Lage, und zu¬
weilen braucht man auch die Feldmarschälle nicht auszunehmen.
Trotzdem kann man noch hie und da ein paar brillante Offiziere
sehen, die, galant und beinahe weibisch aufgeputzt, unter den Bal¬
konen von Madrid ihre Pferde bäumen lassen; aber wenn sie nicht
zufällig eigenes Vermögen besitzen, so kann man gewiß sein, daß
ihr Glanz eben so illusorisch ist wie der manches geschnürten Ber¬
liner Lieutenants, der sich bei Spargnapani mit Baisers füttert.
Uebrigens muß man sagen, daß die spanische Regierung, wenn sie
diese armen Manichäer nicht bezahlen kann, sie wenigstens mit
musterhafter Höflichkeit behandelt.

Freilich kann man nicht von Höflichkeiten satt werden, und
es fragt sich immer noch, wie diese Masse von Helden ohne einen
Maravedi in Madrid durchkomme. Die Vorsehung, welche die Na¬
ben speist und den Spatzen ihre Uniform gibt, die Vorsehung allein
thut's gewiß nicht, und so groß ist die traditionelle Frugalität des
Spaniers auch nicht, daß er von einer Papiercigarre des Tags
leben könnte. Möge ihnen Unsere liebe Frau del Pilar helfen in
dieser schweren Zeit der Noth.

Oder vielmehr die lieben Frauen von Madrid. Man weiß,
das schöne Geschlecht hat von jeher für Epauletten und Tschakos
oder auch Helme geschwärmt; nun gar erst, wenn unter den Tscha¬
kos oder Helmen benarbte Stirnen leuchten! Am schönsten äußerte
sich diese Schwärmerei beim Tode Diego Leon's, des Husarencid'ö.

Die Madrider Ehemänner werfen den liebenswürdigen Casti-
lianerinnen oft ihre gar zu große Güte gegen die Fremden vor;
und so viel ist gewiß, daß die Madrider Damen nur zu schnell
mit dem ersten besten Touristen vertraut werden, der ein Empfeh¬
lungsschreiben bringt, was sich unsere deutschen ^Reisenovellisten,
die immer nur nach Nußland, Frankreich oder Scandinavien lau¬
fen, gesagt sein lassen mögen. Ewig Schade, daß Heine niemals
in Spanien war! -- Trotz der Anglomanie und der Gattomame


mit einem schrecklichem Feinde zu thun- mit dem Hunger, mit dei
unblutigen Misere.

Und wir sprechen erst nicht vom gemeinen Soldaten, der sei-
nen Sold wie ein Almosen nach monatelangem Darben nur zum
Theil erbetteln oder ertrotzen kann: nein, von Offizieren aller Grade;
Capitän, Lieutenant und Serschant sind in derselben Lage, und zu¬
weilen braucht man auch die Feldmarschälle nicht auszunehmen.
Trotzdem kann man noch hie und da ein paar brillante Offiziere
sehen, die, galant und beinahe weibisch aufgeputzt, unter den Bal¬
konen von Madrid ihre Pferde bäumen lassen; aber wenn sie nicht
zufällig eigenes Vermögen besitzen, so kann man gewiß sein, daß
ihr Glanz eben so illusorisch ist wie der manches geschnürten Ber¬
liner Lieutenants, der sich bei Spargnapani mit Baisers füttert.
Uebrigens muß man sagen, daß die spanische Regierung, wenn sie
diese armen Manichäer nicht bezahlen kann, sie wenigstens mit
musterhafter Höflichkeit behandelt.

Freilich kann man nicht von Höflichkeiten satt werden, und
es fragt sich immer noch, wie diese Masse von Helden ohne einen
Maravedi in Madrid durchkomme. Die Vorsehung, welche die Na¬
ben speist und den Spatzen ihre Uniform gibt, die Vorsehung allein
thut's gewiß nicht, und so groß ist die traditionelle Frugalität des
Spaniers auch nicht, daß er von einer Papiercigarre des Tags
leben könnte. Möge ihnen Unsere liebe Frau del Pilar helfen in
dieser schweren Zeit der Noth.

Oder vielmehr die lieben Frauen von Madrid. Man weiß,
das schöne Geschlecht hat von jeher für Epauletten und Tschakos
oder auch Helme geschwärmt; nun gar erst, wenn unter den Tscha¬
kos oder Helmen benarbte Stirnen leuchten! Am schönsten äußerte
sich diese Schwärmerei beim Tode Diego Leon's, des Husarencid'ö.

Die Madrider Ehemänner werfen den liebenswürdigen Casti-
lianerinnen oft ihre gar zu große Güte gegen die Fremden vor;
und so viel ist gewiß, daß die Madrider Damen nur zu schnell
mit dem ersten besten Touristen vertraut werden, der ein Empfeh¬
lungsschreiben bringt, was sich unsere deutschen ^Reisenovellisten,
die immer nur nach Nußland, Frankreich oder Scandinavien lau¬
fen, gesagt sein lassen mögen. Ewig Schade, daß Heine niemals
in Spanien war! — Trotz der Anglomanie und der Gattomame


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[0232] mit einem schrecklichem Feinde zu thun- mit dem Hunger, mit dei unblutigen Misere. Und wir sprechen erst nicht vom gemeinen Soldaten, der sei- nen Sold wie ein Almosen nach monatelangem Darben nur zum Theil erbetteln oder ertrotzen kann: nein, von Offizieren aller Grade; Capitän, Lieutenant und Serschant sind in derselben Lage, und zu¬ weilen braucht man auch die Feldmarschälle nicht auszunehmen. Trotzdem kann man noch hie und da ein paar brillante Offiziere sehen, die, galant und beinahe weibisch aufgeputzt, unter den Bal¬ konen von Madrid ihre Pferde bäumen lassen; aber wenn sie nicht zufällig eigenes Vermögen besitzen, so kann man gewiß sein, daß ihr Glanz eben so illusorisch ist wie der manches geschnürten Ber¬ liner Lieutenants, der sich bei Spargnapani mit Baisers füttert. Uebrigens muß man sagen, daß die spanische Regierung, wenn sie diese armen Manichäer nicht bezahlen kann, sie wenigstens mit musterhafter Höflichkeit behandelt. Freilich kann man nicht von Höflichkeiten satt werden, und es fragt sich immer noch, wie diese Masse von Helden ohne einen Maravedi in Madrid durchkomme. Die Vorsehung, welche die Na¬ ben speist und den Spatzen ihre Uniform gibt, die Vorsehung allein thut's gewiß nicht, und so groß ist die traditionelle Frugalität des Spaniers auch nicht, daß er von einer Papiercigarre des Tags leben könnte. Möge ihnen Unsere liebe Frau del Pilar helfen in dieser schweren Zeit der Noth. Oder vielmehr die lieben Frauen von Madrid. Man weiß, das schöne Geschlecht hat von jeher für Epauletten und Tschakos oder auch Helme geschwärmt; nun gar erst, wenn unter den Tscha¬ kos oder Helmen benarbte Stirnen leuchten! Am schönsten äußerte sich diese Schwärmerei beim Tode Diego Leon's, des Husarencid'ö. Die Madrider Ehemänner werfen den liebenswürdigen Casti- lianerinnen oft ihre gar zu große Güte gegen die Fremden vor; und so viel ist gewiß, daß die Madrider Damen nur zu schnell mit dem ersten besten Touristen vertraut werden, der ein Empfeh¬ lungsschreiben bringt, was sich unsere deutschen ^Reisenovellisten, die immer nur nach Nußland, Frankreich oder Scandinavien lau¬ fen, gesagt sein lassen mögen. Ewig Schade, daß Heine niemals in Spanien war! — Trotz der Anglomanie und der Gattomame

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/232>, abgerufen am 02.09.2024.