Und denkt, zu seinem Haupt sich niederbeugend: "Wohl dir, daß du nicht König Wenzeslav." Ihm ist so weh, als zuckten alle Krämpfe Des weiten Reichs durch seine eignen Glieder, Und also wüst, als dröhnten alle Kampfe Der deutschen Zwietracht ihm im Herzen wieder. Und zu sich selber spricht er: "Wer zu sagen "Mir wüßte, was sich bald mit mir begiebt, "Ob neu in Pracht ersteht in nahen Tagen, "Ob meine Herrlichkeit in Nichts zerstiebt? -- "Ich hörte sagen, daß in jenem Hause, "Das einsam stehet in des Walds Gebrause, "Ein blinder Jüngling lebt, der geistgen Blicks "In deuten weiß die Räthsel des Geschicks "Und wohl zu lesen in der Zukunft Buche. -- "Ob ich des Blinden dunkle Kunst versuche? --"
Den Bettler stört er auf vom harten Bett, Er wirft ihm hin so Mantel als Barett Und reißt den schlechten Kittel ihm herab Und den zerfetzten Hut, den Bettelstab, Und eingehüllt in niedre Bcttlertracht Geht hin der König durch die düstre Nacht.
Er schreitet schweigend durch die öden Gassen, Dann über Stege und verlassne Straßen Und weiter über Berg und Thal und Wald, Und immer weiter ohne Aufenthalt. Im Ton des Windes, in der Blatter Rauschen Hört er Verräther, die ihn feig belauschen; Ihm ists auf diesem Weg, ob das Geschick Ihm folgt' und saß' it,in würgend im Genick.
Schon will der Morgen lieblich auferstehen : In hoher Krone lacht der Auerhahn, Die Vöglein stimmen ihre Lieder an, Aus Gras und Büschen hundert Augen sehen Von Eichhörnlein, Kaninchen, Hirsch und Rehen, Als wollten sie verwundert freudig sagen : Vor König Wenzel ist heut nicht zu zagen, Heut kommt er nicht mit Lanze, Pfeil und Bogen Heut kommt er mit dem Bettelstab gezogen.
Und denkt, zu seinem Haupt sich niederbeugend: „Wohl dir, daß du nicht König Wenzeslav." Ihm ist so weh, als zuckten alle Krämpfe Des weiten Reichs durch seine eignen Glieder, Und also wüst, als dröhnten alle Kampfe Der deutschen Zwietracht ihm im Herzen wieder. Und zu sich selber spricht er: „Wer zu sagen „Mir wüßte, was sich bald mit mir begiebt, „Ob neu in Pracht ersteht in nahen Tagen, „Ob meine Herrlichkeit in Nichts zerstiebt? — „Ich hörte sagen, daß in jenem Hause, „Das einsam stehet in des Walds Gebrause, „Ein blinder Jüngling lebt, der geistgen Blicks „In deuten weiß die Räthsel des Geschicks „Und wohl zu lesen in der Zukunft Buche. — „Ob ich des Blinden dunkle Kunst versuche? —"
Den Bettler stört er auf vom harten Bett, Er wirft ihm hin so Mantel als Barett Und reißt den schlechten Kittel ihm herab Und den zerfetzten Hut, den Bettelstab, Und eingehüllt in niedre Bcttlertracht Geht hin der König durch die düstre Nacht.
Er schreitet schweigend durch die öden Gassen, Dann über Stege und verlassne Straßen Und weiter über Berg und Thal und Wald, Und immer weiter ohne Aufenthalt. Im Ton des Windes, in der Blatter Rauschen Hört er Verräther, die ihn feig belauschen; Ihm ists auf diesem Weg, ob das Geschick Ihm folgt' und saß' it,in würgend im Genick.
Schon will der Morgen lieblich auferstehen : In hoher Krone lacht der Auerhahn, Die Vöglein stimmen ihre Lieder an, Aus Gras und Büschen hundert Augen sehen Von Eichhörnlein, Kaninchen, Hirsch und Rehen, Als wollten sie verwundert freudig sagen : Vor König Wenzel ist heut nicht zu zagen, Heut kommt er nicht mit Lanze, Pfeil und Bogen Heut kommt er mit dem Bettelstab gezogen.
<TEI><text><body><div><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0223"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182033"/><lgxml:id="POEMID_39"type="poem"next="#POEMID_40"><l> Und denkt, zu seinem Haupt sich niederbeugend:<lb/>„Wohl dir, daß du nicht König Wenzeslav."<lb/>
Ihm ist so weh, als zuckten alle Krämpfe<lb/>
Des weiten Reichs durch seine eignen Glieder,<lb/>
Und also wüst, als dröhnten alle Kampfe<lb/>
Der deutschen Zwietracht ihm im Herzen wieder.<lb/>
Und zu sich selber spricht er: „Wer zu sagen<lb/>„Mir wüßte, was sich bald mit mir begiebt,<lb/>„Ob neu in Pracht ersteht in nahen Tagen,<lb/>„Ob meine Herrlichkeit in Nichts zerstiebt? —<lb/>„Ich hörte sagen, daß in jenem Hause,<lb/>„Das einsam stehet in des Walds Gebrause,<lb/>„Ein blinder Jüngling lebt, der geistgen Blicks<lb/>„In deuten weiß die Räthsel des Geschicks<lb/>„Und wohl zu lesen in der Zukunft Buche. —<lb/>„Ob ich des Blinden dunkle Kunst versuche? —"</l></lg><lb/><lgxml:id="POEMID_40"prev="#POEMID_39"type="poem"next="#POEMID_41"><l> Den Bettler stört er auf vom harten Bett,<lb/>
Er wirft ihm hin so Mantel als Barett<lb/>
Und reißt den schlechten Kittel ihm herab<lb/>
Und den zerfetzten Hut, den Bettelstab,<lb/>
Und eingehüllt in niedre Bcttlertracht<lb/>
Geht hin der König durch die düstre Nacht.</l></lg><lb/><lgxml:id="POEMID_41"prev="#POEMID_40"type="poem"next="#POEMID_42"><l> Er schreitet schweigend durch die öden Gassen,<lb/>
Dann über Stege und verlassne Straßen<lb/>
Und weiter über Berg und Thal und Wald,<lb/>
Und immer weiter ohne Aufenthalt.<lb/>
Im Ton des Windes, in der Blatter Rauschen<lb/>
Hört er Verräther, die ihn feig belauschen;<lb/>
Ihm ists auf diesem Weg, ob das Geschick<lb/>
Ihm folgt' und saß' it,in würgend im Genick.</l></lg><lb/><lgxml:id="POEMID_42"prev="#POEMID_41"type="poem"next="#POEMID_43"><l> Schon will der Morgen lieblich auferstehen :<lb/>
In hoher Krone lacht der Auerhahn,<lb/>
Die Vöglein stimmen ihre Lieder an,<lb/>
Aus Gras und Büschen hundert Augen sehen<lb/>
Von Eichhörnlein, Kaninchen, Hirsch und Rehen,<lb/>
Als wollten sie verwundert freudig sagen :<lb/>
Vor König Wenzel ist heut nicht zu zagen,<lb/>
Heut kommt er nicht mit Lanze, Pfeil und Bogen<lb/>
Heut kommt er mit dem Bettelstab gezogen.</l></lg><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[0223]
Und denkt, zu seinem Haupt sich niederbeugend:
„Wohl dir, daß du nicht König Wenzeslav."
Ihm ist so weh, als zuckten alle Krämpfe
Des weiten Reichs durch seine eignen Glieder,
Und also wüst, als dröhnten alle Kampfe
Der deutschen Zwietracht ihm im Herzen wieder.
Und zu sich selber spricht er: „Wer zu sagen
„Mir wüßte, was sich bald mit mir begiebt,
„Ob neu in Pracht ersteht in nahen Tagen,
„Ob meine Herrlichkeit in Nichts zerstiebt? —
„Ich hörte sagen, daß in jenem Hause,
„Das einsam stehet in des Walds Gebrause,
„Ein blinder Jüngling lebt, der geistgen Blicks
„In deuten weiß die Räthsel des Geschicks
„Und wohl zu lesen in der Zukunft Buche. —
„Ob ich des Blinden dunkle Kunst versuche? —"
Den Bettler stört er auf vom harten Bett,
Er wirft ihm hin so Mantel als Barett
Und reißt den schlechten Kittel ihm herab
Und den zerfetzten Hut, den Bettelstab,
Und eingehüllt in niedre Bcttlertracht
Geht hin der König durch die düstre Nacht.
Er schreitet schweigend durch die öden Gassen,
Dann über Stege und verlassne Straßen
Und weiter über Berg und Thal und Wald,
Und immer weiter ohne Aufenthalt.
Im Ton des Windes, in der Blatter Rauschen
Hört er Verräther, die ihn feig belauschen;
Ihm ists auf diesem Weg, ob das Geschick
Ihm folgt' und saß' it,in würgend im Genick.
Schon will der Morgen lieblich auferstehen :
In hoher Krone lacht der Auerhahn,
Die Vöglein stimmen ihre Lieder an,
Aus Gras und Büschen hundert Augen sehen
Von Eichhörnlein, Kaninchen, Hirsch und Rehen,
Als wollten sie verwundert freudig sagen :
Vor König Wenzel ist heut nicht zu zagen,
Heut kommt er nicht mit Lanze, Pfeil und Bogen
Heut kommt er mit dem Bettelstab gezogen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/223>, abgerufen am 06.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.