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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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dessen Schnitzer er später büßen mußte. Die Rückreise nach Eng¬
land machte er über Nordamerika und Canada. Ich kam nach den
Vereinigten Staaten, sagt Moore, mit den größten Vorurtheilen
für sie und gab mich all jenen Illusionen über die Reinheit der
republikanischen Regierung, das patriarchalische Leben und das
Glück des Volkes hin, die ich als Kind in meinem Geburtsland"
eingesogen, wo unglücklicher Weise das heimische Mißvergnügen
jede Ferne verführerisch ausmalt und wo namentlich Nordamerika
lange als ein Asyl der Unterdrückten, als die elvsische Atlantis an¬
gesehen wurde, wo verfolgte Patrioten ihre Visionen verwirklicht
fänden. -- Bei so honigsüßen Erwartungen und Phantasiebildern
mußte der irische Dichter natürlich enttäuscht werden. Uebrtgcnö
dauerte sein Aufenthalt nicht lange genug, um die politischen Zu¬
stände der Union, wenn dies überhaupt in seinem Plane lag,
gründlich zu studiren, und wir sehen aus seinem eigenen Beuchtem
daß er sich rein auf den Umgang mit Fcderalisten, Anhängern der
antidemokratischen Partei, beschränkte. In Washington war er
beim Lever des Präsidenten Jefferson, den er in demselben häuslichen
Neglige fand, in Pantoffeln und Conncmara-Strümpfen, -- wor¬
in' der Demokrat auch den englischen Minister Merry empfangen
hatte, als dieser, in voller Uniform, ihm seine Creditive überreichte.
Im Jahre 1806 erschienen feine I'vous ivlitüvv de> ^merio-t, wor¬
in die herrlichsten Schilderungen transatlantischer Naturscenen mit
den bittersten Ausfällen gegen die amerikanische Demokratie abwech¬
seln. In den Satyren Loirnntion "na intoivi-inne! (erschienen
1808) wendet sich der Dichter aber auch gegen die Illusionen eng¬
lischer Freiheit und Aufklärung. Hier spielen die Noten eine gar
ernste Rolle. Dem Jrländer, sagt Moore, mag es erlaubt sein,
sein freies Urtheil über die Maßregel jener Periode (1688) auszu¬
sprechen, ohne daß man ihn deshalb der Undankbarkeit zeihen oder
eines jakobitischen Papismus verdächtigen darf. Keine Nation, es
ist wahr, hatte je eine so goldene Gelegenheit, ihre Freiheiten für
immer zu sichern, als die britische in der Periode von 1688 hatte.
Aber die schmachvollen Regierungen von Karl und Jacob hatten
den Nationalcharakter geschwächt und erniedrigt. Die kühnen Ideen
von Volksrecht, die aus den Kämpfen zwischen Karl I. und dem
Parlamente hervorgegangen waren, weichen allmälig jenen sclavischen


dessen Schnitzer er später büßen mußte. Die Rückreise nach Eng¬
land machte er über Nordamerika und Canada. Ich kam nach den
Vereinigten Staaten, sagt Moore, mit den größten Vorurtheilen
für sie und gab mich all jenen Illusionen über die Reinheit der
republikanischen Regierung, das patriarchalische Leben und das
Glück des Volkes hin, die ich als Kind in meinem Geburtsland«
eingesogen, wo unglücklicher Weise das heimische Mißvergnügen
jede Ferne verführerisch ausmalt und wo namentlich Nordamerika
lange als ein Asyl der Unterdrückten, als die elvsische Atlantis an¬
gesehen wurde, wo verfolgte Patrioten ihre Visionen verwirklicht
fänden. — Bei so honigsüßen Erwartungen und Phantasiebildern
mußte der irische Dichter natürlich enttäuscht werden. Uebrtgcnö
dauerte sein Aufenthalt nicht lange genug, um die politischen Zu¬
stände der Union, wenn dies überhaupt in seinem Plane lag,
gründlich zu studiren, und wir sehen aus seinem eigenen Beuchtem
daß er sich rein auf den Umgang mit Fcderalisten, Anhängern der
antidemokratischen Partei, beschränkte. In Washington war er
beim Lever des Präsidenten Jefferson, den er in demselben häuslichen
Neglige fand, in Pantoffeln und Conncmara-Strümpfen, — wor¬
in' der Demokrat auch den englischen Minister Merry empfangen
hatte, als dieser, in voller Uniform, ihm seine Creditive überreichte.
Im Jahre 1806 erschienen feine I'vous ivlitüvv de> ^merio-t, wor¬
in die herrlichsten Schilderungen transatlantischer Naturscenen mit
den bittersten Ausfällen gegen die amerikanische Demokratie abwech¬
seln. In den Satyren Loirnntion »na intoivi-inne! (erschienen
1808) wendet sich der Dichter aber auch gegen die Illusionen eng¬
lischer Freiheit und Aufklärung. Hier spielen die Noten eine gar
ernste Rolle. Dem Jrländer, sagt Moore, mag es erlaubt sein,
sein freies Urtheil über die Maßregel jener Periode (1688) auszu¬
sprechen, ohne daß man ihn deshalb der Undankbarkeit zeihen oder
eines jakobitischen Papismus verdächtigen darf. Keine Nation, es
ist wahr, hatte je eine so goldene Gelegenheit, ihre Freiheiten für
immer zu sichern, als die britische in der Periode von 1688 hatte.
Aber die schmachvollen Regierungen von Karl und Jacob hatten
den Nationalcharakter geschwächt und erniedrigt. Die kühnen Ideen
von Volksrecht, die aus den Kämpfen zwischen Karl I. und dem
Parlamente hervorgegangen waren, weichen allmälig jenen sclavischen


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[0212] dessen Schnitzer er später büßen mußte. Die Rückreise nach Eng¬ land machte er über Nordamerika und Canada. Ich kam nach den Vereinigten Staaten, sagt Moore, mit den größten Vorurtheilen für sie und gab mich all jenen Illusionen über die Reinheit der republikanischen Regierung, das patriarchalische Leben und das Glück des Volkes hin, die ich als Kind in meinem Geburtsland« eingesogen, wo unglücklicher Weise das heimische Mißvergnügen jede Ferne verführerisch ausmalt und wo namentlich Nordamerika lange als ein Asyl der Unterdrückten, als die elvsische Atlantis an¬ gesehen wurde, wo verfolgte Patrioten ihre Visionen verwirklicht fänden. — Bei so honigsüßen Erwartungen und Phantasiebildern mußte der irische Dichter natürlich enttäuscht werden. Uebrtgcnö dauerte sein Aufenthalt nicht lange genug, um die politischen Zu¬ stände der Union, wenn dies überhaupt in seinem Plane lag, gründlich zu studiren, und wir sehen aus seinem eigenen Beuchtem daß er sich rein auf den Umgang mit Fcderalisten, Anhängern der antidemokratischen Partei, beschränkte. In Washington war er beim Lever des Präsidenten Jefferson, den er in demselben häuslichen Neglige fand, in Pantoffeln und Conncmara-Strümpfen, — wor¬ in' der Demokrat auch den englischen Minister Merry empfangen hatte, als dieser, in voller Uniform, ihm seine Creditive überreichte. Im Jahre 1806 erschienen feine I'vous ivlitüvv de> ^merio-t, wor¬ in die herrlichsten Schilderungen transatlantischer Naturscenen mit den bittersten Ausfällen gegen die amerikanische Demokratie abwech¬ seln. In den Satyren Loirnntion »na intoivi-inne! (erschienen 1808) wendet sich der Dichter aber auch gegen die Illusionen eng¬ lischer Freiheit und Aufklärung. Hier spielen die Noten eine gar ernste Rolle. Dem Jrländer, sagt Moore, mag es erlaubt sein, sein freies Urtheil über die Maßregel jener Periode (1688) auszu¬ sprechen, ohne daß man ihn deshalb der Undankbarkeit zeihen oder eines jakobitischen Papismus verdächtigen darf. Keine Nation, es ist wahr, hatte je eine so goldene Gelegenheit, ihre Freiheiten für immer zu sichern, als die britische in der Periode von 1688 hatte. Aber die schmachvollen Regierungen von Karl und Jacob hatten den Nationalcharakter geschwächt und erniedrigt. Die kühnen Ideen von Volksrecht, die aus den Kämpfen zwischen Karl I. und dem Parlamente hervorgegangen waren, weichen allmälig jenen sclavischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/212>, abgerufen am 02.09.2024.