Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Kilkcnny, besonders in solchen komischen Rollen, die auf meine
kleine Statur aufpickten, und in meinem zehnten Jahre schrieb ich
sogar einen Epilog zu einem Stück meines Schulmeisters. Wäh¬
rend so die heitere Liederlust in mir rege wurde, erwachte auch ein
viel tieferes Gefühl in meinem Herzen. Als Kind katholischer
Eltern, war ich mit dem Sklavenjoch am Halse auf die Welt ge¬
kommen; die Advocatenlaufbahn, auf der mich meine zärtliche
Mutter gern gesehen hätte, war dem jungen Papisten verschlossen,
und selbst die Universität war mir " ein versiegelter Bronnen." Kein
Wunder, daß ein so getretenes Volk die Flammenzeichen der fran¬
zösischen Revolution mit Enthusiasmus begrüßte. Ich erinnere
mich, daß mich mein Vater im I. 1792. zu einem Zweckessen
mitnahm, welches dem großen Ereigniß zu Ehren gegeben wurde,
und da hörte ich, auf den Knieen des Präsidenten sitzend, folgenden
Toast die Nunde machen: "Möge im Sturmhauch, der aus
Frankreich kommt, unsere irische Eiche von Neuem ergrünen!"

Einige Monate später ging die Parlamentsacte von 1793
durch, die einige der monströsesten Artikel des irischen Strafcoder
abschaffte. Irland hatte diese Milderung offenbar nur der fran-
zösichen Revolution zu danken. Moore war, in Folge davon,
einer der ersten irischen Heloten, der, dieses neue Recht benutzend,
die Landesuniversität besuchte, -- wo er übrigens noch von allen
Prämien und Stipendien ausgeschlossen blieb.

Im I. 1794 versuchte sich der junge Student zum ersten
Mal in politischer Satyre; der irländische Humor ließ sich auch
von der schwersten Noth der Zeit niemals ganz unterdrücken, und
in jener Periode aufkeimender Hoffnungen war unter den mittlern
Ständen Dublins ein doppelt heiteres Leben. Moore wurde bald
das nützlichste Mitglied eines burlesken Clubs, der auf Dalkey,
einer kleinen Insel bei Dublin, ein Spottkönigreich (> I" Herzog-
thum Lichtenhain bei Jena) errichtet, und einen Pfandleiher, Ste¬
phan Armitage, der sich durch seine angenehme Tenorstimme aus¬
zeichnete, zum Monarchen gekrönt hatte. Jährlich wurde die
Thronbesteigung Stephan's gefeiert, und das war immer ein
Volksfest. An diese Spottmajestät schrieb Moore unter Andern"
eine Ode, worin er den glücklichen Zustand der Sicherheit und
des Friedens pries, der in König Stephans Staaten herrsche, im


Kilkcnny, besonders in solchen komischen Rollen, die auf meine
kleine Statur aufpickten, und in meinem zehnten Jahre schrieb ich
sogar einen Epilog zu einem Stück meines Schulmeisters. Wäh¬
rend so die heitere Liederlust in mir rege wurde, erwachte auch ein
viel tieferes Gefühl in meinem Herzen. Als Kind katholischer
Eltern, war ich mit dem Sklavenjoch am Halse auf die Welt ge¬
kommen; die Advocatenlaufbahn, auf der mich meine zärtliche
Mutter gern gesehen hätte, war dem jungen Papisten verschlossen,
und selbst die Universität war mir „ ein versiegelter Bronnen." Kein
Wunder, daß ein so getretenes Volk die Flammenzeichen der fran¬
zösischen Revolution mit Enthusiasmus begrüßte. Ich erinnere
mich, daß mich mein Vater im I. 1792. zu einem Zweckessen
mitnahm, welches dem großen Ereigniß zu Ehren gegeben wurde,
und da hörte ich, auf den Knieen des Präsidenten sitzend, folgenden
Toast die Nunde machen: „Möge im Sturmhauch, der aus
Frankreich kommt, unsere irische Eiche von Neuem ergrünen!"

Einige Monate später ging die Parlamentsacte von 1793
durch, die einige der monströsesten Artikel des irischen Strafcoder
abschaffte. Irland hatte diese Milderung offenbar nur der fran-
zösichen Revolution zu danken. Moore war, in Folge davon,
einer der ersten irischen Heloten, der, dieses neue Recht benutzend,
die Landesuniversität besuchte, — wo er übrigens noch von allen
Prämien und Stipendien ausgeschlossen blieb.

Im I. 1794 versuchte sich der junge Student zum ersten
Mal in politischer Satyre; der irländische Humor ließ sich auch
von der schwersten Noth der Zeit niemals ganz unterdrücken, und
in jener Periode aufkeimender Hoffnungen war unter den mittlern
Ständen Dublins ein doppelt heiteres Leben. Moore wurde bald
das nützlichste Mitglied eines burlesken Clubs, der auf Dalkey,
einer kleinen Insel bei Dublin, ein Spottkönigreich (> I» Herzog-
thum Lichtenhain bei Jena) errichtet, und einen Pfandleiher, Ste¬
phan Armitage, der sich durch seine angenehme Tenorstimme aus¬
zeichnete, zum Monarchen gekrönt hatte. Jährlich wurde die
Thronbesteigung Stephan's gefeiert, und das war immer ein
Volksfest. An diese Spottmajestät schrieb Moore unter Andern»
eine Ode, worin er den glücklichen Zustand der Sicherheit und
des Friedens pries, der in König Stephans Staaten herrsche, im


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0205" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182015"/>
            <p xml:id="ID_450" prev="#ID_449"> Kilkcnny, besonders in solchen komischen Rollen, die auf meine<lb/>
kleine Statur aufpickten, und in meinem zehnten Jahre schrieb ich<lb/>
sogar einen Epilog zu einem Stück meines Schulmeisters. Wäh¬<lb/>
rend so die heitere Liederlust in mir rege wurde, erwachte auch ein<lb/>
viel tieferes Gefühl in meinem Herzen. Als Kind katholischer<lb/>
Eltern, war ich mit dem Sklavenjoch am Halse auf die Welt ge¬<lb/>
kommen; die Advocatenlaufbahn, auf der mich meine zärtliche<lb/>
Mutter gern gesehen hätte, war dem jungen Papisten verschlossen,<lb/>
und selbst die Universität war mir &#x201E; ein versiegelter Bronnen." Kein<lb/>
Wunder, daß ein so getretenes Volk die Flammenzeichen der fran¬<lb/>
zösischen Revolution mit Enthusiasmus begrüßte. Ich erinnere<lb/>
mich, daß mich mein Vater im I. 1792. zu einem Zweckessen<lb/>
mitnahm, welches dem großen Ereigniß zu Ehren gegeben wurde,<lb/>
und da hörte ich, auf den Knieen des Präsidenten sitzend, folgenden<lb/>
Toast die Nunde machen: &#x201E;Möge im Sturmhauch, der aus<lb/>
Frankreich kommt, unsere irische Eiche von Neuem ergrünen!"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_451"> Einige Monate später ging die Parlamentsacte von 1793<lb/>
durch, die einige der monströsesten Artikel des irischen Strafcoder<lb/>
abschaffte. Irland hatte diese Milderung offenbar nur der fran-<lb/>
zösichen Revolution zu danken. Moore war, in Folge davon,<lb/>
einer der ersten irischen Heloten, der, dieses neue Recht benutzend,<lb/>
die Landesuniversität besuchte, &#x2014; wo er übrigens noch von allen<lb/>
Prämien und Stipendien ausgeschlossen blieb.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_452" next="#ID_453"> Im I. 1794 versuchte sich der junge Student zum ersten<lb/>
Mal in politischer Satyre; der irländische Humor ließ sich auch<lb/>
von der schwersten Noth der Zeit niemals ganz unterdrücken, und<lb/>
in jener Periode aufkeimender Hoffnungen war unter den mittlern<lb/>
Ständen Dublins ein doppelt heiteres Leben. Moore wurde bald<lb/>
das nützlichste Mitglied eines burlesken Clubs, der auf Dalkey,<lb/>
einer kleinen Insel bei Dublin, ein Spottkönigreich (&gt; I» Herzog-<lb/>
thum Lichtenhain bei Jena) errichtet, und einen Pfandleiher, Ste¬<lb/>
phan Armitage, der sich durch seine angenehme Tenorstimme aus¬<lb/>
zeichnete, zum Monarchen gekrönt hatte. Jährlich wurde die<lb/>
Thronbesteigung Stephan's gefeiert, und das war immer ein<lb/>
Volksfest. An diese Spottmajestät schrieb Moore unter Andern»<lb/>
eine Ode, worin er den glücklichen Zustand der Sicherheit und<lb/>
des Friedens pries, der in König Stephans Staaten herrsche, im</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0205] Kilkcnny, besonders in solchen komischen Rollen, die auf meine kleine Statur aufpickten, und in meinem zehnten Jahre schrieb ich sogar einen Epilog zu einem Stück meines Schulmeisters. Wäh¬ rend so die heitere Liederlust in mir rege wurde, erwachte auch ein viel tieferes Gefühl in meinem Herzen. Als Kind katholischer Eltern, war ich mit dem Sklavenjoch am Halse auf die Welt ge¬ kommen; die Advocatenlaufbahn, auf der mich meine zärtliche Mutter gern gesehen hätte, war dem jungen Papisten verschlossen, und selbst die Universität war mir „ ein versiegelter Bronnen." Kein Wunder, daß ein so getretenes Volk die Flammenzeichen der fran¬ zösischen Revolution mit Enthusiasmus begrüßte. Ich erinnere mich, daß mich mein Vater im I. 1792. zu einem Zweckessen mitnahm, welches dem großen Ereigniß zu Ehren gegeben wurde, und da hörte ich, auf den Knieen des Präsidenten sitzend, folgenden Toast die Nunde machen: „Möge im Sturmhauch, der aus Frankreich kommt, unsere irische Eiche von Neuem ergrünen!" Einige Monate später ging die Parlamentsacte von 1793 durch, die einige der monströsesten Artikel des irischen Strafcoder abschaffte. Irland hatte diese Milderung offenbar nur der fran- zösichen Revolution zu danken. Moore war, in Folge davon, einer der ersten irischen Heloten, der, dieses neue Recht benutzend, die Landesuniversität besuchte, — wo er übrigens noch von allen Prämien und Stipendien ausgeschlossen blieb. Im I. 1794 versuchte sich der junge Student zum ersten Mal in politischer Satyre; der irländische Humor ließ sich auch von der schwersten Noth der Zeit niemals ganz unterdrücken, und in jener Periode aufkeimender Hoffnungen war unter den mittlern Ständen Dublins ein doppelt heiteres Leben. Moore wurde bald das nützlichste Mitglied eines burlesken Clubs, der auf Dalkey, einer kleinen Insel bei Dublin, ein Spottkönigreich (> I» Herzog- thum Lichtenhain bei Jena) errichtet, und einen Pfandleiher, Ste¬ phan Armitage, der sich durch seine angenehme Tenorstimme aus¬ zeichnete, zum Monarchen gekrönt hatte. Jährlich wurde die Thronbesteigung Stephan's gefeiert, und das war immer ein Volksfest. An diese Spottmajestät schrieb Moore unter Andern» eine Ode, worin er den glücklichen Zustand der Sicherheit und des Friedens pries, der in König Stephans Staaten herrsche, im

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/205
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/205>, abgerufen am 23.12.2024.