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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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leidlichen Würden verschafft hätte, die "wohlgesinnten" Bürger (der
intvKer somnus fnnrnr et cultor bonorum drückt es Livius aus),
sowohl Patricier als Plebejer -- die damaligen Tones und Whigs
-- würden den lwrroiir nimmer zugegeben haben. Von der engli¬
schen Chartistenpartei wird dies sehr wohl gefühlt, indem dieselbe mit
der ^"tico!U!>.vo-loitAuv nicht gemeine Sache machen will. -- In¬
dessen hatte ich doch gewünscht, daß man die Vereine für das Wohl
der arbeitenden Klassen ihren Gang hatte gehen und ihre Versuche
machen lassen. Wenigstens hatte es ihnen doch gelingen können, über
manche Austande, welche bei uns noch ganz imDunkel liegen, Aufklärung
zu verschaffen, und -- was ich noch höher anschlage -- manches einzel¬
ne Elend zu lindern. In letztrer Hinsicht freilich steht neben dem Guten
was von Privatvereinen geleistet werden kann, auch viel Bedenkliches;
wie dies z. B. neuerlich die zum Besten der schlesischen Spinner und
Weber errichteten Unterstützungsvereine bewiesen haben, -- worüber
ich Ihnen vielleicht ein anderes Mal Näheres schreibe. Haupt-
ächlich aber aus dem Grunde würde ich den Vereinen für das Wohl
der arbeitenden Klassen Fortgang gewünscht haben, damit sich ihre
Unzulänglichkeit für den beabsichtigten Zweck durch die Erfahrung
hätte herausstellen können, während jetzt, da diese Unzulänglichkeit eben¬
sowenig 'erfahrungsmäßig feststeht, 'als die Furcht vor Ausschreitun¬
gen dieser doch aus den besitzenden Klassen gebildeten Vereine gerecht¬
fertigt erscheint, die Regierung sich den Vorwurf anstatt, einem mög¬
licher Weise heilsamen Unternehmen in den Weg getreten zu sein.

Wenn ich meine, daß diejenigen gedrückten Klassen, denen gehol¬
fen werd.n soll, sich nothwendig selbst helfen müssen, fo wird
vielleicht Mancher Eommunismus dahinter wittern. Jedoch ich bitte
wohl zu unterscheiden, was an solchen Richtungen, die man commu-
nistische nennt, Idee, Hirngespinnst, Glaubensvorstellung, und was
wirkliches praktisches Bedürfniß ist. Das Communistische am Com¬
munismus sind seine Traume, seineDogmen, für welche freilich gerade die
Communisten mehr schwärmen und fanatischer sind, als für das Satt¬
werden Aller die einen Magen haben. Das ist das alte Lied. Mit
dem Christenthum ging es ja ebenso. Die Bruderliebe, das Ge-
meinbäder aller Dinge, derjenige Communismus, welcher Apostel¬
geschichte 2, 44. erwähnt wird, der Humanismus davon Luc. 10,
37. geschrieben steht -- alles das, womit sich die ersten Jünger
des Christenthums trugen, verschwand sehr bald vor den heiligen
Dogmen, vor den großen Wahrheiten, ohne die man nicht selig
werden könne, als da ist: ob der heilige Geist nur vom Vater oder
vom Vater und vom Sohne ausgehe u. tgi. in. Anfangs han¬
delte es sich im Christenthums um das gemeine Volk: die armen
Fischer, die Zöllner und die Sünder, alles was von der vornehmen
und wohlgesinnten Welt verachtet und verstoßen war, wurde berufen,


leidlichen Würden verschafft hätte, die „wohlgesinnten" Bürger (der
intvKer somnus fnnrnr et cultor bonorum drückt es Livius aus),
sowohl Patricier als Plebejer — die damaligen Tones und Whigs
— würden den lwrroiir nimmer zugegeben haben. Von der engli¬
schen Chartistenpartei wird dies sehr wohl gefühlt, indem dieselbe mit
der ^»tico!U!>.vo-loitAuv nicht gemeine Sache machen will. — In¬
dessen hatte ich doch gewünscht, daß man die Vereine für das Wohl
der arbeitenden Klassen ihren Gang hatte gehen und ihre Versuche
machen lassen. Wenigstens hatte es ihnen doch gelingen können, über
manche Austande, welche bei uns noch ganz imDunkel liegen, Aufklärung
zu verschaffen, und — was ich noch höher anschlage — manches einzel¬
ne Elend zu lindern. In letztrer Hinsicht freilich steht neben dem Guten
was von Privatvereinen geleistet werden kann, auch viel Bedenkliches;
wie dies z. B. neuerlich die zum Besten der schlesischen Spinner und
Weber errichteten Unterstützungsvereine bewiesen haben, — worüber
ich Ihnen vielleicht ein anderes Mal Näheres schreibe. Haupt-
ächlich aber aus dem Grunde würde ich den Vereinen für das Wohl
der arbeitenden Klassen Fortgang gewünscht haben, damit sich ihre
Unzulänglichkeit für den beabsichtigten Zweck durch die Erfahrung
hätte herausstellen können, während jetzt, da diese Unzulänglichkeit eben¬
sowenig 'erfahrungsmäßig feststeht, 'als die Furcht vor Ausschreitun¬
gen dieser doch aus den besitzenden Klassen gebildeten Vereine gerecht¬
fertigt erscheint, die Regierung sich den Vorwurf anstatt, einem mög¬
licher Weise heilsamen Unternehmen in den Weg getreten zu sein.

Wenn ich meine, daß diejenigen gedrückten Klassen, denen gehol¬
fen werd.n soll, sich nothwendig selbst helfen müssen, fo wird
vielleicht Mancher Eommunismus dahinter wittern. Jedoch ich bitte
wohl zu unterscheiden, was an solchen Richtungen, die man commu-
nistische nennt, Idee, Hirngespinnst, Glaubensvorstellung, und was
wirkliches praktisches Bedürfniß ist. Das Communistische am Com¬
munismus sind seine Traume, seineDogmen, für welche freilich gerade die
Communisten mehr schwärmen und fanatischer sind, als für das Satt¬
werden Aller die einen Magen haben. Das ist das alte Lied. Mit
dem Christenthum ging es ja ebenso. Die Bruderliebe, das Ge-
meinbäder aller Dinge, derjenige Communismus, welcher Apostel¬
geschichte 2, 44. erwähnt wird, der Humanismus davon Luc. 10,
37. geschrieben steht — alles das, womit sich die ersten Jünger
des Christenthums trugen, verschwand sehr bald vor den heiligen
Dogmen, vor den großen Wahrheiten, ohne die man nicht selig
werden könne, als da ist: ob der heilige Geist nur vom Vater oder
vom Vater und vom Sohne ausgehe u. tgi. in. Anfangs han¬
delte es sich im Christenthums um das gemeine Volk: die armen
Fischer, die Zöllner und die Sünder, alles was von der vornehmen
und wohlgesinnten Welt verachtet und verstoßen war, wurde berufen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/189>, abgerufen am 23.12.2024.