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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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schlecht unterstützt von den konstitutionell gesinnten spanischen Trup¬
pen, wurde nach und nach arg decimirt und endlich vor Figueraö
nach einem zweitägigen verzweifelten Kampfe bis auf ein Drittheil
aufgerieben. Auch von diesem Drittheil blieb in der Mitte des
dritten Tages nur noch eine kleine Phalanx stehen, die aber nicht
weichen, und mit den Waffen in der Hand lieber fallen als sich
schimpflich ergeben wollte. Da bot der General, Baron von Da-
mas, den tapfern Ueberbleibseln eine ehrenhafte Kapitulation an,
worin er Spaniern und andern Fremdlingen die gewöhnlichen Be¬
dingungen gewahrte und den Franzosen völlige Begnadigung zu
erwirken versprach.

Indessen war das Cabinet der Restauration nicht so gro߬
müthig, diese Kapitulation zu ratificircn, am wenigsten, so weit
dieselbe die Franzosen betraf. Diese waren kaum in Uniform und
Waffen nach Perpignan gekommen, als man sie ergriff und in
den Kerker warf. Sie beriefen sich auf den General Damas.
Dieser jedoch erklärte jetzt, er habe sich nur verpflichtet, dahin zu
wirken, daß die Gnade des Königs ihnen das Leben schenke, nicht
aber, sie dem Urtheil des Kriegsgerichts oder den Strafen zu ent¬
ziehen, in welche das Todesurtheil verwandelt werden dürfte.
Die meisten der Flüchtlinge protestirten gegen diese Auslegung des
Vertrags von Figueras. Den größten Muth aber behielt Carrel.
Der Gedanke, als ein Ueberläufer angesehen zu werden, der, das
Schwert in der Hand, sich auf Gnade und Ungnade ergeben, em¬
pörte seinen Stolz. Lieber setzte er sich, trotz der inständigsten Bit¬
ten seiner Familie, den Wechselfällen eines gerichtlichen Kampfes
aus, der, im Fall der Niederlage, seine Sache doppelt verschlim¬
mern mußte.

Zweimal in Perpignan zum Tode verurtheilt, setzt er zweimal
die Cassirung des Urtheils wegen Formfehler durch; vor dem drit¬
ten Kriegsgerichte zu Toulouse endlich vertheidigt ihn der berühmte
Advocat Nomignieres. Die Leidenschaften, die den spanischen Feld¬
zug dictirt, waren um diese Zeit schon kühler geworden; die Ta¬
pferkeit und Jugend des Angeklagten, sein offenes, ritterliches We¬
sen, endlich die ergreifenden Worte, die er selbst zu seiner Verthei¬
digung vorbringt, alles dies erweicht das Herz der Richter, und
auf den einfachen Beweis von dem wirklichen Abschluß jener Ca-


schlecht unterstützt von den konstitutionell gesinnten spanischen Trup¬
pen, wurde nach und nach arg decimirt und endlich vor Figueraö
nach einem zweitägigen verzweifelten Kampfe bis auf ein Drittheil
aufgerieben. Auch von diesem Drittheil blieb in der Mitte des
dritten Tages nur noch eine kleine Phalanx stehen, die aber nicht
weichen, und mit den Waffen in der Hand lieber fallen als sich
schimpflich ergeben wollte. Da bot der General, Baron von Da-
mas, den tapfern Ueberbleibseln eine ehrenhafte Kapitulation an,
worin er Spaniern und andern Fremdlingen die gewöhnlichen Be¬
dingungen gewahrte und den Franzosen völlige Begnadigung zu
erwirken versprach.

Indessen war das Cabinet der Restauration nicht so gro߬
müthig, diese Kapitulation zu ratificircn, am wenigsten, so weit
dieselbe die Franzosen betraf. Diese waren kaum in Uniform und
Waffen nach Perpignan gekommen, als man sie ergriff und in
den Kerker warf. Sie beriefen sich auf den General Damas.
Dieser jedoch erklärte jetzt, er habe sich nur verpflichtet, dahin zu
wirken, daß die Gnade des Königs ihnen das Leben schenke, nicht
aber, sie dem Urtheil des Kriegsgerichts oder den Strafen zu ent¬
ziehen, in welche das Todesurtheil verwandelt werden dürfte.
Die meisten der Flüchtlinge protestirten gegen diese Auslegung des
Vertrags von Figueras. Den größten Muth aber behielt Carrel.
Der Gedanke, als ein Ueberläufer angesehen zu werden, der, das
Schwert in der Hand, sich auf Gnade und Ungnade ergeben, em¬
pörte seinen Stolz. Lieber setzte er sich, trotz der inständigsten Bit¬
ten seiner Familie, den Wechselfällen eines gerichtlichen Kampfes
aus, der, im Fall der Niederlage, seine Sache doppelt verschlim¬
mern mußte.

Zweimal in Perpignan zum Tode verurtheilt, setzt er zweimal
die Cassirung des Urtheils wegen Formfehler durch; vor dem drit¬
ten Kriegsgerichte zu Toulouse endlich vertheidigt ihn der berühmte
Advocat Nomignieres. Die Leidenschaften, die den spanischen Feld¬
zug dictirt, waren um diese Zeit schon kühler geworden; die Ta¬
pferkeit und Jugend des Angeklagten, sein offenes, ritterliches We¬
sen, endlich die ergreifenden Worte, die er selbst zu seiner Verthei¬
digung vorbringt, alles dies erweicht das Herz der Richter, und
auf den einfachen Beweis von dem wirklichen Abschluß jener Ca-


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[0156] schlecht unterstützt von den konstitutionell gesinnten spanischen Trup¬ pen, wurde nach und nach arg decimirt und endlich vor Figueraö nach einem zweitägigen verzweifelten Kampfe bis auf ein Drittheil aufgerieben. Auch von diesem Drittheil blieb in der Mitte des dritten Tages nur noch eine kleine Phalanx stehen, die aber nicht weichen, und mit den Waffen in der Hand lieber fallen als sich schimpflich ergeben wollte. Da bot der General, Baron von Da- mas, den tapfern Ueberbleibseln eine ehrenhafte Kapitulation an, worin er Spaniern und andern Fremdlingen die gewöhnlichen Be¬ dingungen gewahrte und den Franzosen völlige Begnadigung zu erwirken versprach. Indessen war das Cabinet der Restauration nicht so gro߬ müthig, diese Kapitulation zu ratificircn, am wenigsten, so weit dieselbe die Franzosen betraf. Diese waren kaum in Uniform und Waffen nach Perpignan gekommen, als man sie ergriff und in den Kerker warf. Sie beriefen sich auf den General Damas. Dieser jedoch erklärte jetzt, er habe sich nur verpflichtet, dahin zu wirken, daß die Gnade des Königs ihnen das Leben schenke, nicht aber, sie dem Urtheil des Kriegsgerichts oder den Strafen zu ent¬ ziehen, in welche das Todesurtheil verwandelt werden dürfte. Die meisten der Flüchtlinge protestirten gegen diese Auslegung des Vertrags von Figueras. Den größten Muth aber behielt Carrel. Der Gedanke, als ein Ueberläufer angesehen zu werden, der, das Schwert in der Hand, sich auf Gnade und Ungnade ergeben, em¬ pörte seinen Stolz. Lieber setzte er sich, trotz der inständigsten Bit¬ ten seiner Familie, den Wechselfällen eines gerichtlichen Kampfes aus, der, im Fall der Niederlage, seine Sache doppelt verschlim¬ mern mußte. Zweimal in Perpignan zum Tode verurtheilt, setzt er zweimal die Cassirung des Urtheils wegen Formfehler durch; vor dem drit¬ ten Kriegsgerichte zu Toulouse endlich vertheidigt ihn der berühmte Advocat Nomignieres. Die Leidenschaften, die den spanischen Feld¬ zug dictirt, waren um diese Zeit schon kühler geworden; die Ta¬ pferkeit und Jugend des Angeklagten, sein offenes, ritterliches We¬ sen, endlich die ergreifenden Worte, die er selbst zu seiner Verthei¬ digung vorbringt, alles dies erweicht das Herz der Richter, und auf den einfachen Beweis von dem wirklichen Abschluß jener Ca-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/156>, abgerufen am 01.09.2024.