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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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daß Venedig bei diesem Wechsel der Dinge gewinnt und an Reich-,
thun und Bedeutung zunimmt, ja es ist dies sogar wahrscheinlich
und fast gewiß, aber an geographischer Originalität und historischem
Interesse muß es durch diese Modernisirung nothwendig verlieren.
Die Wasserstraßen Vinegias werden sich wieder mit waarenschweren
Gondeln füllen, der Kaufmann wird reich werden wie ehedem, der
Bürgerfleiß wird gedeihen und der Wohlstand aller Volksklassen an¬
wachsen, doch der Kohlendampf wird die Farbengluth der venezischen
Gemälde schwärzen und verdunkeln, und die poetische Melancholie des
alten Venedigs, dieser politischen Elegie, welche einen Byron fesselte,
wird der prosaischen Lebendigkeit des Werkeltags weichen müssen, der
in den Gassen von Triest seinen Tummelplatz hat. --


VI.
Aus Cöln am Rhein.

Anstalten zum Carneval. -- Concurrenz um die Direktion des Theaters. --
David's Wüste.

Carneval ist jetzt hier des Tages Losung, worüber die ächten
Cölner Alles vergessen, sogar den Landtags-Abschied. Seit langen
Jahren ist unter den treuen Anhängern deS Festes keine solche Be¬
geisterung für dasselbe gewesen, wie gerade in diesem. Die große
Carncvals-Gesellschaft zählt schon 6V0 Mitglieder und würde wenig¬
stens doppelt so viele aufzuweisen haben, wenn ein Local vorhanden,
das sie alle aufnehmen könnte. Außer dieser Gesellschaft bestehen noch
zwei andere, welche eine eben so große Theilnahme finden. Was
als ein schönes Zeichen des Fortschrittes betrachtet werden muß, ist
der Umstand, daß in den General-Versammlungen der großen Ge¬
sellschaft, an welcher die angesehensten Bürger und viele Aovocaten
und sonstige Beamten Theil nehmen, bei der Wahl der Stosse zu
den komischen Reden immer mehr das rein Locale oder Persönliche
bei Seite gelassen, und mehr das Allgemeine betreffende Gegenstände
gewählt werden. Blitzt zuweilen eine harmlose politische Anspielung
mit durch, so ist der Jubel grenzenlos. Ein Zeichen, daß auch
hier die Masse in der politischen Bildung schon einige Fortschritte
gemacht hat. Die Befürchtungen, als würde die Polizei in diesem
Jahre dem Feste und seiner öffentlichen Gestaltung Hindernisse in
den Weg legen, haben sich als ungegründet erwiesen, wie auch mit
Gewißheit vorauszusehen war, indem die obern Behörden den harm¬
losen Character des Festes kennen, und wissen, daß hinter dem ächt
kölnischen Humor, wie derb er auch von Zeit zu Zeit die Geißel der
Satire schwingt, kein Arg zu suchen ist. Nach allen Anzeichen wer¬
den wir ein recht tolles/buntes und heiteres Fest haben, und ärgern


daß Venedig bei diesem Wechsel der Dinge gewinnt und an Reich-,
thun und Bedeutung zunimmt, ja es ist dies sogar wahrscheinlich
und fast gewiß, aber an geographischer Originalität und historischem
Interesse muß es durch diese Modernisirung nothwendig verlieren.
Die Wasserstraßen Vinegias werden sich wieder mit waarenschweren
Gondeln füllen, der Kaufmann wird reich werden wie ehedem, der
Bürgerfleiß wird gedeihen und der Wohlstand aller Volksklassen an¬
wachsen, doch der Kohlendampf wird die Farbengluth der venezischen
Gemälde schwärzen und verdunkeln, und die poetische Melancholie des
alten Venedigs, dieser politischen Elegie, welche einen Byron fesselte,
wird der prosaischen Lebendigkeit des Werkeltags weichen müssen, der
in den Gassen von Triest seinen Tummelplatz hat. —


VI.
Aus Cöln am Rhein.

Anstalten zum Carneval. — Concurrenz um die Direktion des Theaters. —
David's Wüste.

Carneval ist jetzt hier des Tages Losung, worüber die ächten
Cölner Alles vergessen, sogar den Landtags-Abschied. Seit langen
Jahren ist unter den treuen Anhängern deS Festes keine solche Be¬
geisterung für dasselbe gewesen, wie gerade in diesem. Die große
Carncvals-Gesellschaft zählt schon 6V0 Mitglieder und würde wenig¬
stens doppelt so viele aufzuweisen haben, wenn ein Local vorhanden,
das sie alle aufnehmen könnte. Außer dieser Gesellschaft bestehen noch
zwei andere, welche eine eben so große Theilnahme finden. Was
als ein schönes Zeichen des Fortschrittes betrachtet werden muß, ist
der Umstand, daß in den General-Versammlungen der großen Ge¬
sellschaft, an welcher die angesehensten Bürger und viele Aovocaten
und sonstige Beamten Theil nehmen, bei der Wahl der Stosse zu
den komischen Reden immer mehr das rein Locale oder Persönliche
bei Seite gelassen, und mehr das Allgemeine betreffende Gegenstände
gewählt werden. Blitzt zuweilen eine harmlose politische Anspielung
mit durch, so ist der Jubel grenzenlos. Ein Zeichen, daß auch
hier die Masse in der politischen Bildung schon einige Fortschritte
gemacht hat. Die Befürchtungen, als würde die Polizei in diesem
Jahre dem Feste und seiner öffentlichen Gestaltung Hindernisse in
den Weg legen, haben sich als ungegründet erwiesen, wie auch mit
Gewißheit vorauszusehen war, indem die obern Behörden den harm¬
losen Character des Festes kennen, und wissen, daß hinter dem ächt
kölnischen Humor, wie derb er auch von Zeit zu Zeit die Geißel der
Satire schwingt, kein Arg zu suchen ist. Nach allen Anzeichen wer¬
den wir ein recht tolles/buntes und heiteres Fest haben, und ärgern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/144>, abgerufen am 22.12.2024.