Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.und das öffentliche Leben gewann sowohl dadurch, als durch den Zu¬ und das öffentliche Leben gewann sowohl dadurch, als durch den Zu¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0142" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181952"/> <p xml:id="ID_291" prev="#ID_290" next="#ID_292"> und das öffentliche Leben gewann sowohl dadurch, als durch den Zu¬<lb/> sammenfluß vieler Fremden, namentlich russischer Familien, die in Ita¬<lb/> lien zu überwintern pflegen, eine geräuschvolle und glänzende Außen¬<lb/> seite, wie es solche seit der Anwesenheit des Kaisers am Huldigungs¬<lb/> tage nicht entfaltet hatte. Der unbefriedigende Ausgang der römischen<lb/> Verhandlungen, oder sonst ein geheimer Beweggrund, der den Selbst¬<lb/> herrscher bewog sein gräfliches Jncognito zu bewahren und alle außer¬<lb/> ordentlichen Festlichkeiten abzulehnen, hat indeß die Schaar Derjeni¬<lb/> gen, welche die bloße Neugier an den Dingen die da kommen sollten,<lb/> versammelt hatte, um den besten Theil ihrer Erwartungen gebracht;<lb/> denn weder das beliebte Wettrudern der Gondoliere, noch das beab¬<lb/> sichtigte Scheingefecht der Kriegsschiffe, deren zehn zu diesem Zwecke<lb/> schon vor Anker lagen, noch selbst die prachtvolle Spazierfahrt in den<lb/> Hofgondeln zur Besichtigung des großartigen Hafendammes von Ma-<lb/> lamocco fand wirklich Statt, und die Menge der Schaulustigen mußte<lb/> sich mit der steifen Militärparade begnügen, welche auf dem Marcus-<lb/> platze unter dem Andrang einer unermeßlichen Volksmasse abgehalten<lb/> ward. Der greise Feldmarschall Graf Radetzky commandirte an der<lb/> Spitze eines zahlreichen Generalstabes die Revue, unter ihm der Ge¬<lb/> neralmajor Weigelsberg die Jnfanteriebrigade und der Viceadmiral<lb/> Erzherzog Friedrich die Marinetruppen, welche zu diesem Zwecke ans<lb/> Land gesetzt und auf dem rechten Flügel aufgestellt worden waren.<lb/> Der Kaiser besuchte die Hauptkirchen der Stadt, worunter auch die<lb/> griechische Se. Georgskirche, in welcher ihn die griechische Geistlichkeit<lb/> mit allen den Ehrenbezeigungen empfing, die dem Kaiser als geistli¬<lb/> chem Oberhaupte seiner Kirche gebühren. Der Schatz von Se. Mar-<lb/> cus fesselte lange seine Aufmerksamkeit, und der uralte Dogenpalast,<lb/> in dem einst der Senat der Republik seine denkwürdigsten Beschlüsse<lb/> faßte, konnte wenigstens in dem Gemüth des Czars, als er die weiten,<lb/> hallenden Gemächer durchschritt, manchen Gedanken an die Wandel¬<lb/> barkeit aller irdischen Hoheit und politischen Größe erwecken. Am<lb/> heitersten zeigte er sich im Palast der Akademie der bildenden Künste;<lb/> unter den hellen Farbenwundern der venezianischen Schule schien er<lb/> jeden Harm der Staatspolitik zu vergessen und einzig an der Lust zu<lb/> hasten, welche der Anblick der meisten Bilder jener Meister gewährt.<lb/> Gesprachig unterhielt sich der Kaiser geraume Zeit mit dem Präsi¬<lb/> denten und den Professoren der Akademie, und machte vielerlei Be¬<lb/> stellungen, so wie er durch den ihn begleitenden Kunstgelehrten eine<lb/> beträchtliche Anzahl fertiger Gemälde ankaufen ließ. Im Theater<lb/> Fenice, welches gerade eröffnet wurde, hatte der an die eisernste Eti¬<lb/> quette gewöhnte Monarch Gelegenheit, die liebenswürdige Nonchalance<lb/> des italienischen Publicums kennen zu lernen, das sich durch die Ge¬<lb/> genwart des erlauchten Gastes und des Vicekönigs den ungeschmäler¬<lb/> ten Gebrauch seines Rechtes lauter Meinungsäußerung in keiner Weise</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0142]
und das öffentliche Leben gewann sowohl dadurch, als durch den Zu¬
sammenfluß vieler Fremden, namentlich russischer Familien, die in Ita¬
lien zu überwintern pflegen, eine geräuschvolle und glänzende Außen¬
seite, wie es solche seit der Anwesenheit des Kaisers am Huldigungs¬
tage nicht entfaltet hatte. Der unbefriedigende Ausgang der römischen
Verhandlungen, oder sonst ein geheimer Beweggrund, der den Selbst¬
herrscher bewog sein gräfliches Jncognito zu bewahren und alle außer¬
ordentlichen Festlichkeiten abzulehnen, hat indeß die Schaar Derjeni¬
gen, welche die bloße Neugier an den Dingen die da kommen sollten,
versammelt hatte, um den besten Theil ihrer Erwartungen gebracht;
denn weder das beliebte Wettrudern der Gondoliere, noch das beab¬
sichtigte Scheingefecht der Kriegsschiffe, deren zehn zu diesem Zwecke
schon vor Anker lagen, noch selbst die prachtvolle Spazierfahrt in den
Hofgondeln zur Besichtigung des großartigen Hafendammes von Ma-
lamocco fand wirklich Statt, und die Menge der Schaulustigen mußte
sich mit der steifen Militärparade begnügen, welche auf dem Marcus-
platze unter dem Andrang einer unermeßlichen Volksmasse abgehalten
ward. Der greise Feldmarschall Graf Radetzky commandirte an der
Spitze eines zahlreichen Generalstabes die Revue, unter ihm der Ge¬
neralmajor Weigelsberg die Jnfanteriebrigade und der Viceadmiral
Erzherzog Friedrich die Marinetruppen, welche zu diesem Zwecke ans
Land gesetzt und auf dem rechten Flügel aufgestellt worden waren.
Der Kaiser besuchte die Hauptkirchen der Stadt, worunter auch die
griechische Se. Georgskirche, in welcher ihn die griechische Geistlichkeit
mit allen den Ehrenbezeigungen empfing, die dem Kaiser als geistli¬
chem Oberhaupte seiner Kirche gebühren. Der Schatz von Se. Mar-
cus fesselte lange seine Aufmerksamkeit, und der uralte Dogenpalast,
in dem einst der Senat der Republik seine denkwürdigsten Beschlüsse
faßte, konnte wenigstens in dem Gemüth des Czars, als er die weiten,
hallenden Gemächer durchschritt, manchen Gedanken an die Wandel¬
barkeit aller irdischen Hoheit und politischen Größe erwecken. Am
heitersten zeigte er sich im Palast der Akademie der bildenden Künste;
unter den hellen Farbenwundern der venezianischen Schule schien er
jeden Harm der Staatspolitik zu vergessen und einzig an der Lust zu
hasten, welche der Anblick der meisten Bilder jener Meister gewährt.
Gesprachig unterhielt sich der Kaiser geraume Zeit mit dem Präsi¬
denten und den Professoren der Akademie, und machte vielerlei Be¬
stellungen, so wie er durch den ihn begleitenden Kunstgelehrten eine
beträchtliche Anzahl fertiger Gemälde ankaufen ließ. Im Theater
Fenice, welches gerade eröffnet wurde, hatte der an die eisernste Eti¬
quette gewöhnte Monarch Gelegenheit, die liebenswürdige Nonchalance
des italienischen Publicums kennen zu lernen, das sich durch die Ge¬
genwart des erlauchten Gastes und des Vicekönigs den ungeschmäler¬
ten Gebrauch seines Rechtes lauter Meinungsäußerung in keiner Weise
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