Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schwärzten wurden verfolgt, die Spione mit guten Censuren und
weiteren Empfehlungen belohnt. Gegen die Grafenbank, die in
Prag natürlich noch heute besteht, war er immer überaus freund¬
lich. In seinem Gesichte lag etwas von einem Mephisto, nur daß
er nicht so fein und chcvaleresk mager war. Wenn er mit Jemand
sprach, lächelte sein Mund ewig, aber sein Ange sah bei Seite.
Dieser Mann sollte der Prager Jugend Geschmack an schöner Li¬
teratur und der holden Kunst beibringen. -- Ein schönes Gegen¬
stück zu ihm ist der stille Professor Presset. Seine Wissenschaft,
die Naturgeschichte, ist an der philologischen Facultät ein unobliga¬
ter Gegenstand. Einen unobligaten Gegenstand nennt man auf
österreichischen Universitäten einen solchen, den nur arme Studen¬
ten, die kein Schulgeld bezahlen können, hören müssen, von dem
aber die Reichen dispensirt sind. -- Ebenso ist es mit Geschichte.
Die Armen also, die ihre Zeit ohnehin auf Stundengeben verwen¬
den müssen, sind gezwungen, täglich eine Stunde mehr dem Colle-
gium zu opfern und für's Eramen mehr Zeit zu verwenden. Prof.
Presse! ist übrigens schon als unobligater Professor sehr harm¬
los. Er ist der jüngere Bruder des Professors der Zoologie an
der medicinischen Facultät, mit dem er große Reisen im südlichen
Amerika machte. Die Studenten erzählen sich, daß ein Jndianer-
stamm aus Respect vor seiner stupenden Gelehrsamkeit diesen letz¬
teren zu ihrem Häuptlinge machen wollte. Aber Prof. Presset
in-rjor hat, ein zweiter Cäsar oder Cromwell, die Pfauenfedcrkrone
mit großer Selbstverläugnung ausgeschlagen, weil die Indianer
nicht böhmisch sprechen! Dieser Professor ist nämlich die ausge-
bildetste Blüthe des enragirten Slaventhums. Spricht man ihn
beim Eramen böhmisch an, so lächelt er selig, fragt, wie viel Hörner
der Ochs habe, und lohnt die Antwort auf diese Frage mit der
glänzendsten Censur. Wehe demjenigen aber, der nur deutsch ver¬
steht und noch zum Ueberflusse einen deutschen Namen trägt; er
ist zweimal verloren. Er muß die kleinste Mücke, die nur auf
einer der Südseeinseln, und auch da nur selten zu Hause ist, so
gut beschreiben können, als gälte es, sie durch Steckbriefe zu ver¬
folgen. Es ist das gewiß nichts Anderes, als unendliches Ver¬
trauen auf deutsche Gründlichkeit! Einmal begegnete ich einem
Magyaren, der eben aus dem Carolino mit niedergeschlagenen Mie-


schwärzten wurden verfolgt, die Spione mit guten Censuren und
weiteren Empfehlungen belohnt. Gegen die Grafenbank, die in
Prag natürlich noch heute besteht, war er immer überaus freund¬
lich. In seinem Gesichte lag etwas von einem Mephisto, nur daß
er nicht so fein und chcvaleresk mager war. Wenn er mit Jemand
sprach, lächelte sein Mund ewig, aber sein Ange sah bei Seite.
Dieser Mann sollte der Prager Jugend Geschmack an schöner Li¬
teratur und der holden Kunst beibringen. — Ein schönes Gegen¬
stück zu ihm ist der stille Professor Presset. Seine Wissenschaft,
die Naturgeschichte, ist an der philologischen Facultät ein unobliga¬
ter Gegenstand. Einen unobligaten Gegenstand nennt man auf
österreichischen Universitäten einen solchen, den nur arme Studen¬
ten, die kein Schulgeld bezahlen können, hören müssen, von dem
aber die Reichen dispensirt sind. — Ebenso ist es mit Geschichte.
Die Armen also, die ihre Zeit ohnehin auf Stundengeben verwen¬
den müssen, sind gezwungen, täglich eine Stunde mehr dem Colle-
gium zu opfern und für's Eramen mehr Zeit zu verwenden. Prof.
Presse! ist übrigens schon als unobligater Professor sehr harm¬
los. Er ist der jüngere Bruder des Professors der Zoologie an
der medicinischen Facultät, mit dem er große Reisen im südlichen
Amerika machte. Die Studenten erzählen sich, daß ein Jndianer-
stamm aus Respect vor seiner stupenden Gelehrsamkeit diesen letz¬
teren zu ihrem Häuptlinge machen wollte. Aber Prof. Presset
in-rjor hat, ein zweiter Cäsar oder Cromwell, die Pfauenfedcrkrone
mit großer Selbstverläugnung ausgeschlagen, weil die Indianer
nicht böhmisch sprechen! Dieser Professor ist nämlich die ausge-
bildetste Blüthe des enragirten Slaventhums. Spricht man ihn
beim Eramen böhmisch an, so lächelt er selig, fragt, wie viel Hörner
der Ochs habe, und lohnt die Antwort auf diese Frage mit der
glänzendsten Censur. Wehe demjenigen aber, der nur deutsch ver¬
steht und noch zum Ueberflusse einen deutschen Namen trägt; er
ist zweimal verloren. Er muß die kleinste Mücke, die nur auf
einer der Südseeinseln, und auch da nur selten zu Hause ist, so
gut beschreiben können, als gälte es, sie durch Steckbriefe zu ver¬
folgen. Es ist das gewiß nichts Anderes, als unendliches Ver¬
trauen auf deutsche Gründlichkeit! Einmal begegnete ich einem
Magyaren, der eben aus dem Carolino mit niedergeschlagenen Mie-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181932"/>
            <p xml:id="ID_250" prev="#ID_249" next="#ID_251"> schwärzten wurden verfolgt, die Spione mit guten Censuren und<lb/>
weiteren Empfehlungen belohnt. Gegen die Grafenbank, die in<lb/>
Prag natürlich noch heute besteht, war er immer überaus freund¬<lb/>
lich. In seinem Gesichte lag etwas von einem Mephisto, nur daß<lb/>
er nicht so fein und chcvaleresk mager war. Wenn er mit Jemand<lb/>
sprach, lächelte sein Mund ewig, aber sein Ange sah bei Seite.<lb/>
Dieser Mann sollte der Prager Jugend Geschmack an schöner Li¬<lb/>
teratur und der holden Kunst beibringen. &#x2014; Ein schönes Gegen¬<lb/>
stück zu ihm ist der stille Professor Presset. Seine Wissenschaft,<lb/>
die Naturgeschichte, ist an der philologischen Facultät ein unobliga¬<lb/>
ter Gegenstand. Einen unobligaten Gegenstand nennt man auf<lb/>
österreichischen Universitäten einen solchen, den nur arme Studen¬<lb/>
ten, die kein Schulgeld bezahlen können, hören müssen, von dem<lb/>
aber die Reichen dispensirt sind. &#x2014; Ebenso ist es mit Geschichte.<lb/>
Die Armen also, die ihre Zeit ohnehin auf Stundengeben verwen¬<lb/>
den müssen, sind gezwungen, täglich eine Stunde mehr dem Colle-<lb/>
gium zu opfern und für's Eramen mehr Zeit zu verwenden. Prof.<lb/>
Presse! ist übrigens schon als unobligater Professor sehr harm¬<lb/>
los. Er ist der jüngere Bruder des Professors der Zoologie an<lb/>
der medicinischen Facultät, mit dem er große Reisen im südlichen<lb/>
Amerika machte. Die Studenten erzählen sich, daß ein Jndianer-<lb/>
stamm aus Respect vor seiner stupenden Gelehrsamkeit diesen letz¬<lb/>
teren zu ihrem Häuptlinge machen wollte. Aber Prof. Presset<lb/>
in-rjor hat, ein zweiter Cäsar oder Cromwell, die Pfauenfedcrkrone<lb/>
mit großer Selbstverläugnung ausgeschlagen, weil die Indianer<lb/>
nicht böhmisch sprechen! Dieser Professor ist nämlich die ausge-<lb/>
bildetste Blüthe des enragirten Slaventhums. Spricht man ihn<lb/>
beim Eramen böhmisch an, so lächelt er selig, fragt, wie viel Hörner<lb/>
der Ochs habe, und lohnt die Antwort auf diese Frage mit der<lb/>
glänzendsten Censur. Wehe demjenigen aber, der nur deutsch ver¬<lb/>
steht und noch zum Ueberflusse einen deutschen Namen trägt; er<lb/>
ist zweimal verloren. Er muß die kleinste Mücke, die nur auf<lb/>
einer der Südseeinseln, und auch da nur selten zu Hause ist, so<lb/>
gut beschreiben können, als gälte es, sie durch Steckbriefe zu ver¬<lb/>
folgen. Es ist das gewiß nichts Anderes, als unendliches Ver¬<lb/>
trauen auf deutsche Gründlichkeit! Einmal begegnete ich einem<lb/>
Magyaren, der eben aus dem Carolino mit niedergeschlagenen Mie-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0122] schwärzten wurden verfolgt, die Spione mit guten Censuren und weiteren Empfehlungen belohnt. Gegen die Grafenbank, die in Prag natürlich noch heute besteht, war er immer überaus freund¬ lich. In seinem Gesichte lag etwas von einem Mephisto, nur daß er nicht so fein und chcvaleresk mager war. Wenn er mit Jemand sprach, lächelte sein Mund ewig, aber sein Ange sah bei Seite. Dieser Mann sollte der Prager Jugend Geschmack an schöner Li¬ teratur und der holden Kunst beibringen. — Ein schönes Gegen¬ stück zu ihm ist der stille Professor Presset. Seine Wissenschaft, die Naturgeschichte, ist an der philologischen Facultät ein unobliga¬ ter Gegenstand. Einen unobligaten Gegenstand nennt man auf österreichischen Universitäten einen solchen, den nur arme Studen¬ ten, die kein Schulgeld bezahlen können, hören müssen, von dem aber die Reichen dispensirt sind. — Ebenso ist es mit Geschichte. Die Armen also, die ihre Zeit ohnehin auf Stundengeben verwen¬ den müssen, sind gezwungen, täglich eine Stunde mehr dem Colle- gium zu opfern und für's Eramen mehr Zeit zu verwenden. Prof. Presse! ist übrigens schon als unobligater Professor sehr harm¬ los. Er ist der jüngere Bruder des Professors der Zoologie an der medicinischen Facultät, mit dem er große Reisen im südlichen Amerika machte. Die Studenten erzählen sich, daß ein Jndianer- stamm aus Respect vor seiner stupenden Gelehrsamkeit diesen letz¬ teren zu ihrem Häuptlinge machen wollte. Aber Prof. Presset in-rjor hat, ein zweiter Cäsar oder Cromwell, die Pfauenfedcrkrone mit großer Selbstverläugnung ausgeschlagen, weil die Indianer nicht böhmisch sprechen! Dieser Professor ist nämlich die ausge- bildetste Blüthe des enragirten Slaventhums. Spricht man ihn beim Eramen böhmisch an, so lächelt er selig, fragt, wie viel Hörner der Ochs habe, und lohnt die Antwort auf diese Frage mit der glänzendsten Censur. Wehe demjenigen aber, der nur deutsch ver¬ steht und noch zum Ueberflusse einen deutschen Namen trägt; er ist zweimal verloren. Er muß die kleinste Mücke, die nur auf einer der Südseeinseln, und auch da nur selten zu Hause ist, so gut beschreiben können, als gälte es, sie durch Steckbriefe zu ver¬ folgen. Es ist das gewiß nichts Anderes, als unendliches Ver¬ trauen auf deutsche Gründlichkeit! Einmal begegnete ich einem Magyaren, der eben aus dem Carolino mit niedergeschlagenen Mie-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/122
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/122>, abgerufen am 01.09.2024.