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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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in diesem Genre zu kommen, will ich doch des zoologischen Gartens
erwähnen, der uns auch an schönen Wintertagen einen ganz hübschen,
unterhaltenden und vielbesuchten Spaziergang darbietet. Die Samm¬
lung des Gewildes, welche keinen erheblichen Verlust erlitten hat und
kürzlich durch einige gute neue Erwerbungen, besonders zweier Reprä¬
sentanten des höchsten Nordens, eines Waschbären und eines Eisbären,
deren stattliche Pelze zu dein Eindruck der Jahreszeit gut stimmen,
vermehrt worden ist, hat ihre Winterquartiere bezogen- zweckmäßig
angelegte, wohlerhellte und hinlänglich erwärmte Räume, in denen
uns die Beschauung dieser verschiedenartigen zwei- und vierbeinigen
Naturkinder behaglicher und durch classenmäßige Anordnung wie durch
überall an die Zellen geheftete Personalbeschreibungen nützlicher gemacht
ist, als in den gewöhnlichen Menagerien. Es läßt sich nun schon
mit einiger Zuversicht annehmen, daß unser junger >1"><Jm "Zvs plante"
die Zweifel an dem Gelingen des Unternehmens, welche anfangs von
Vielen gehegt wurden, glänzend zu Schanden machen und mit der
Zeit zu einer Anstalt heranwachsen werde, welche der Stadt wirklich
zu einer Zierde gereicht. Und da uns im vorigen Jahre von Sr.
Excellenz dem Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medi-
cinalangelegenhciten die tröstliche Zusicherung gegeben worden ist, daß,
was die Naturwissenschaften anbelangt, keine jener auf andern Gebie¬
ten der Wissenschaft nöthig erachteten Beschränkungen der Freiheit hö¬
heren Orts beliebt worden sei, so dürfen wir hoffen, daß der Auf¬
nahme von irgend welchen Exemplaren des Thierreichs, wären es auch
Himmelsziegen, Paradiesvögel, Dompfaffen, Eichhornaffen und Nebel¬
krähen, oder waren es die höchst oppositionellen Tyrannen oder Pipi-
ris (K'-iuscicttiu,, '^i-inuus), oder selbst Rüttelgeier, Brüllassen, Spott¬
vögel und Sturmvögel keine Censurbedenken entgegenstehen werden. -
Keine Censurbedenken! -- Ach die Censur! -- Ja, lassen Sie
mich auf mein erstes Thema zurückkommen; nämlich jenes Thema
von der Armseligkeit unserer Mittheilungen. Wie? Sollte denn wirk¬
lich in einer Stadt, wie diese ist, sollte mitten aus einem solchen
Haufen Leben heraus der Seufzer um Mangel an Stoss zu anregen¬
den, ernsten, Theilnahme weckenden, inhaltreichen Mittheilungen ge¬
rechtfertigt sein? Nun, es ist schon heraus, das schwere Wort, das
sich wie ein Fluch, wie eine Selbstverurtheilung, wie ein Bekenntniß
der eigenen Sünd und Schande über die Zunge wälzt. Wie viel
hätten wir zu reden! Aber können wir denn, dürfen wir denn reden?
-- Ich denke übrigens nicht an das allein, was man gemeinhin und vilr
oxevllcmes Censur nennt; die Thätigkeit der Männer, welche unsere
Regierungen in Deutschland, gleich denen im Kirchenstaat, im Czaa-
renstaat u. s. w. bestellt haben, um unsere Gedanken zu aichen, von
der Thätigkeit z. B. des Mannes, der die Macht hat, dem Gedanken,
den ich hier geflügelt in die Welt sende, die Flügel zu stutzen, zu


in diesem Genre zu kommen, will ich doch des zoologischen Gartens
erwähnen, der uns auch an schönen Wintertagen einen ganz hübschen,
unterhaltenden und vielbesuchten Spaziergang darbietet. Die Samm¬
lung des Gewildes, welche keinen erheblichen Verlust erlitten hat und
kürzlich durch einige gute neue Erwerbungen, besonders zweier Reprä¬
sentanten des höchsten Nordens, eines Waschbären und eines Eisbären,
deren stattliche Pelze zu dein Eindruck der Jahreszeit gut stimmen,
vermehrt worden ist, hat ihre Winterquartiere bezogen- zweckmäßig
angelegte, wohlerhellte und hinlänglich erwärmte Räume, in denen
uns die Beschauung dieser verschiedenartigen zwei- und vierbeinigen
Naturkinder behaglicher und durch classenmäßige Anordnung wie durch
überall an die Zellen geheftete Personalbeschreibungen nützlicher gemacht
ist, als in den gewöhnlichen Menagerien. Es läßt sich nun schon
mit einiger Zuversicht annehmen, daß unser junger >1»><Jm «Zvs plante«
die Zweifel an dem Gelingen des Unternehmens, welche anfangs von
Vielen gehegt wurden, glänzend zu Schanden machen und mit der
Zeit zu einer Anstalt heranwachsen werde, welche der Stadt wirklich
zu einer Zierde gereicht. Und da uns im vorigen Jahre von Sr.
Excellenz dem Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medi-
cinalangelegenhciten die tröstliche Zusicherung gegeben worden ist, daß,
was die Naturwissenschaften anbelangt, keine jener auf andern Gebie¬
ten der Wissenschaft nöthig erachteten Beschränkungen der Freiheit hö¬
heren Orts beliebt worden sei, so dürfen wir hoffen, daß der Auf¬
nahme von irgend welchen Exemplaren des Thierreichs, wären es auch
Himmelsziegen, Paradiesvögel, Dompfaffen, Eichhornaffen und Nebel¬
krähen, oder waren es die höchst oppositionellen Tyrannen oder Pipi-
ris (K'-iuscicttiu,, '^i-inuus), oder selbst Rüttelgeier, Brüllassen, Spott¬
vögel und Sturmvögel keine Censurbedenken entgegenstehen werden. -
Keine Censurbedenken! — Ach die Censur! — Ja, lassen Sie
mich auf mein erstes Thema zurückkommen; nämlich jenes Thema
von der Armseligkeit unserer Mittheilungen. Wie? Sollte denn wirk¬
lich in einer Stadt, wie diese ist, sollte mitten aus einem solchen
Haufen Leben heraus der Seufzer um Mangel an Stoss zu anregen¬
den, ernsten, Theilnahme weckenden, inhaltreichen Mittheilungen ge¬
rechtfertigt sein? Nun, es ist schon heraus, das schwere Wort, das
sich wie ein Fluch, wie eine Selbstverurtheilung, wie ein Bekenntniß
der eigenen Sünd und Schande über die Zunge wälzt. Wie viel
hätten wir zu reden! Aber können wir denn, dürfen wir denn reden?
— Ich denke übrigens nicht an das allein, was man gemeinhin und vilr
oxevllcmes Censur nennt; die Thätigkeit der Männer, welche unsere
Regierungen in Deutschland, gleich denen im Kirchenstaat, im Czaa-
renstaat u. s. w. bestellt haben, um unsere Gedanken zu aichen, von
der Thätigkeit z. B. des Mannes, der die Macht hat, dem Gedanken,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/600>, abgerufen am 10.02.2025.