Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.Rücksitze. Der Vetturino, der aus Aversa ist, unweit Neapel, sang BrkNjbvtcn, 1L4S. IV.
Rücksitze. Der Vetturino, der aus Aversa ist, unweit Neapel, sang BrkNjbvtcn, 1L4S. IV.
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Rücksitze. Der Vetturino, der aus Aversa ist, unweit Neapel, sang
den ganzen Weg mit zwar schlechter Stimme doch ganz gu¬
ter Manier und artigen Vortrage eine Menge von Arien aus
der Sonnambula und andern Opern, indem er sich mit der Peitsche
knallend bei Essectstellen accompagnirte. Was soll man machen,
sagte er, wenn man die Guitarre nicht bei sich bat! Es ist für
die untere Volksklasse jetzt recht die Zeit der Ständchen. Bei unserm
Abschiede aus Rom um Mitternacht sahen wir hin und wieder Mi-
ncnti (Bursche vom niedern Volke) unter den Fenstern ihrer Lieb¬
schaften und hörten daS Geklimper der Serenaden und den. eigen¬
thümlich cadenzirtm Straßengesang. — Die Gegend fand ich äußerst
interessant, die Berge weithin machten den Eindruck von vulka¬
nischer Bildung, überall nichts als kegelförmige Gipfel. Welch ein
ungeheurer Feuerheerd muß dieser ganze Küstenstrich gewesen sein!
Die kahlen Kegel contrastirten prächtig mit den Thalflächen, aus
deren üppigen Weizenfeldern und Gemüseäckern sich hochragende
Ulmen erhoben, von reizenden Weinreben umrankt und guirlanden¬
artig verkettet, während auf den Vorhöhen malerische Ortschaften
gipfelwärtS kletterten. Bald schienen die Berge wiederum uns von
allen Seiten einzuschließen, vor uns am Fuße eines doppelgipfligen
starren Steinkegels sah mau Arne mit seinen grauen Häusern liegen,
und hoch darüber auf der Einsattelung des Gipfels eine andere
Ortschaft Rocca d'Arae, so kühn hinauf gelagert zur höher« Spitze
hin, als ich je eine gesehen. Der neapolitanische Grenzort heißt:
Murata d'Arae. Unser Vetturino wollte dort einen seiner Wigen,
der eben auf dem Wege nach Rom mit einer Herrschaft sein mußte,
erwarten, um uns mit diesem die Reise fortsetzen zu lassen, während
er selbst mit seinem eignen Wagen umkehrend, die ankommende Herr¬
schaft führe, denn schon hatte er wieder eine schriftliche Bestellung
erhalten, in Rem eine andere Familie zu übernehmen, die nach
Neapel wollte. Während ich beschäftigt war, Rocca d'Arae in mein
Skizzenbuch zu zeichnen, langte der erwartete Wagen an. Ich rief
Otto zu, die Umpackung und das übrige Nöthige zu besorgen, da¬
mit ich inzwischen die Skizze beendigen könnte. Aber er versäumte
es, den Doganenbeamten zur rechten Zeit das Trinkgeld zu geben;
sie dehnten in der Erwartung desselben die Untersuchung pro tora-l
ein wenig aus, und geriethen dabei unglücklicher Weise auf die
BrkNjbvtcn, 1L4S. IV.
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