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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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tisch geltend gemacht hat, so muß man die Macht einer starken öf¬
fentlichen Meinung erkennen, der auch die unbeschränkteste Gewalt
uicht widerstehen kann. Auch in verschiedenen deutschen Staaten ist
in letzterer Zeit die Associationssreiheit polizeilich beschränkt, und
Volksversammlungen auch zu nicht politischen Zwecken sind mit stren¬
ger Ausdeutung der Bundesbeschlüsse von 1832 gänzlich verboten
worden. Es steht nun zur Frage, ob in solchen Staaten die öffent¬
liche Meinung eben so stark ist, wie in Dänemark und den deutschen
Herzogthümern Schleswig und Holstein, und ob die Ständeversamm¬
lungen, die größtentheils dort nicht blos berathender, sondern selbst
gesetzgebender Art sind, eben so volksthümlich und freimüthig auftre¬
ten, wie der Zeit die nur berathenden Ständeversammlungen in
Schleswig und Holstein auftraten. Gewiß aber verdient deren Wirk¬
samkeit in dieser Beziehung näher gekannt zu werden, weshalb wir
hier auf eine ausführlichere Darstellung eingehen.

Als mit dem Jahre 1836 die schon 1831 angeordneten bera¬
thenden Provinzialstände in Schleswig-Holstein endlich zur Wirk¬
samkeit kamen, und das Land dadurch wieder in Besitz wenn auch
nicht seines wirklichen konstitutionellen Rechtes, so doch zu einer ge¬
wissen Volksvertretung gelangte, zeigte sich bald eine besondere Theil¬
nahme des Volks an öffentlichen Angelegenheiten; man hielt Volks¬
versammlungen, berathschlagte in denselben über die Entwickelung deS
öffentlichen Rechtes und sprach sich' darüber in Petitionen an die
Ständeversammlungen aus. Das schien der factisch absoluten Re¬
gierung bedenklich, und da der Zeit ein Mann als Präsident an der
Spitze der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Canzlei, welche die Ei¬
genschaften eines Justiz- und eines Polizeiministers in sich vereinigt,
stand, der von einem Volksleben keine Vorstellung hatte, so erging
von dort an die Schleswig-Holsteinsche Landesregierung die Instruc-
tion zu einem Circulair, welches unter dem 13. Decbr. 1838 von
dieser erlassen wurde und vorschrieb: 1) daß zu allen öffentlichen
Versammlungen, die nicht in der Communeverwaltung und anderen
gesetzlich angeordneten Einrichtungen, oder in polizeilich autorisirten Ge¬
sellschaftszwecken ihre Rechtfertigung fänden, die Genehmigung der Polizei¬
behörde nachzusuchen, und die Versammlung, wenn genehmigt, nur in Ge¬
genwart dieser Behörde abzuhalten sei, 2) daß solche Versammlung zur Ab-


tisch geltend gemacht hat, so muß man die Macht einer starken öf¬
fentlichen Meinung erkennen, der auch die unbeschränkteste Gewalt
uicht widerstehen kann. Auch in verschiedenen deutschen Staaten ist
in letzterer Zeit die Associationssreiheit polizeilich beschränkt, und
Volksversammlungen auch zu nicht politischen Zwecken sind mit stren¬
ger Ausdeutung der Bundesbeschlüsse von 1832 gänzlich verboten
worden. Es steht nun zur Frage, ob in solchen Staaten die öffent¬
liche Meinung eben so stark ist, wie in Dänemark und den deutschen
Herzogthümern Schleswig und Holstein, und ob die Ständeversamm¬
lungen, die größtentheils dort nicht blos berathender, sondern selbst
gesetzgebender Art sind, eben so volksthümlich und freimüthig auftre¬
ten, wie der Zeit die nur berathenden Ständeversammlungen in
Schleswig und Holstein auftraten. Gewiß aber verdient deren Wirk¬
samkeit in dieser Beziehung näher gekannt zu werden, weshalb wir
hier auf eine ausführlichere Darstellung eingehen.

Als mit dem Jahre 1836 die schon 1831 angeordneten bera¬
thenden Provinzialstände in Schleswig-Holstein endlich zur Wirk¬
samkeit kamen, und das Land dadurch wieder in Besitz wenn auch
nicht seines wirklichen konstitutionellen Rechtes, so doch zu einer ge¬
wissen Volksvertretung gelangte, zeigte sich bald eine besondere Theil¬
nahme des Volks an öffentlichen Angelegenheiten; man hielt Volks¬
versammlungen, berathschlagte in denselben über die Entwickelung deS
öffentlichen Rechtes und sprach sich' darüber in Petitionen an die
Ständeversammlungen aus. Das schien der factisch absoluten Re¬
gierung bedenklich, und da der Zeit ein Mann als Präsident an der
Spitze der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Canzlei, welche die Ei¬
genschaften eines Justiz- und eines Polizeiministers in sich vereinigt,
stand, der von einem Volksleben keine Vorstellung hatte, so erging
von dort an die Schleswig-Holsteinsche Landesregierung die Instruc-
tion zu einem Circulair, welches unter dem 13. Decbr. 1838 von
dieser erlassen wurde und vorschrieb: 1) daß zu allen öffentlichen
Versammlungen, die nicht in der Communeverwaltung und anderen
gesetzlich angeordneten Einrichtungen, oder in polizeilich autorisirten Ge¬
sellschaftszwecken ihre Rechtfertigung fänden, die Genehmigung der Polizei¬
behörde nachzusuchen, und die Versammlung, wenn genehmigt, nur in Ge¬
genwart dieser Behörde abzuhalten sei, 2) daß solche Versammlung zur Ab-


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[0574] tisch geltend gemacht hat, so muß man die Macht einer starken öf¬ fentlichen Meinung erkennen, der auch die unbeschränkteste Gewalt uicht widerstehen kann. Auch in verschiedenen deutschen Staaten ist in letzterer Zeit die Associationssreiheit polizeilich beschränkt, und Volksversammlungen auch zu nicht politischen Zwecken sind mit stren¬ ger Ausdeutung der Bundesbeschlüsse von 1832 gänzlich verboten worden. Es steht nun zur Frage, ob in solchen Staaten die öffent¬ liche Meinung eben so stark ist, wie in Dänemark und den deutschen Herzogthümern Schleswig und Holstein, und ob die Ständeversamm¬ lungen, die größtentheils dort nicht blos berathender, sondern selbst gesetzgebender Art sind, eben so volksthümlich und freimüthig auftre¬ ten, wie der Zeit die nur berathenden Ständeversammlungen in Schleswig und Holstein auftraten. Gewiß aber verdient deren Wirk¬ samkeit in dieser Beziehung näher gekannt zu werden, weshalb wir hier auf eine ausführlichere Darstellung eingehen. Als mit dem Jahre 1836 die schon 1831 angeordneten bera¬ thenden Provinzialstände in Schleswig-Holstein endlich zur Wirk¬ samkeit kamen, und das Land dadurch wieder in Besitz wenn auch nicht seines wirklichen konstitutionellen Rechtes, so doch zu einer ge¬ wissen Volksvertretung gelangte, zeigte sich bald eine besondere Theil¬ nahme des Volks an öffentlichen Angelegenheiten; man hielt Volks¬ versammlungen, berathschlagte in denselben über die Entwickelung deS öffentlichen Rechtes und sprach sich' darüber in Petitionen an die Ständeversammlungen aus. Das schien der factisch absoluten Re¬ gierung bedenklich, und da der Zeit ein Mann als Präsident an der Spitze der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Canzlei, welche die Ei¬ genschaften eines Justiz- und eines Polizeiministers in sich vereinigt, stand, der von einem Volksleben keine Vorstellung hatte, so erging von dort an die Schleswig-Holsteinsche Landesregierung die Instruc- tion zu einem Circulair, welches unter dem 13. Decbr. 1838 von dieser erlassen wurde und vorschrieb: 1) daß zu allen öffentlichen Versammlungen, die nicht in der Communeverwaltung und anderen gesetzlich angeordneten Einrichtungen, oder in polizeilich autorisirten Ge¬ sellschaftszwecken ihre Rechtfertigung fänden, die Genehmigung der Polizei¬ behörde nachzusuchen, und die Versammlung, wenn genehmigt, nur in Ge¬ genwart dieser Behörde abzuhalten sei, 2) daß solche Versammlung zur Ab-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/574>, abgerufen am 05.02.2025.