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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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der Sachverständigen aber für Geschwornengerichte und die damit
zusammenhängenden Institute ist, so stellt schon dieser Umstand eine
solche Reform als unabweisbares Bedürfniß heraus.

In Bezug auf das Was und Wie ist zu bedauern, daß man
nicht selten recht laute Leute findet, die Freunde des Geschwornen-
gcrichteS sind wie jener Bär, welcher, in der freundlichen Absicht, eine
Fliege von dessen Stirn zu jagen, dem Eremiten mit einem Felsen-
block den Kopf zerschmetterte; Leute, die außerordentlich gute Absich¬
ten haben, aber der guten Sache außerordentlich vielen Schaden zu¬
fügen, -- Leute, die verlangen, daß man mit ihnen gemeinschaftliche
Sache machen soll, die nicht begreifen könne", daß man sie aus lau¬
ter Liebe dorthin wünschen muß, wo der Pfeffer wächst, und die,
wenn man ihnen das fteimülhig sagt, über Perfidie und Verrath an
der guten Sacke Zeter schrei". Ich rechne d.ihm diejenigen, welche
dem Volke weißmache", in den Schwurgerichten säße das Volk selbst
als Richter zu Gericht, welche also sich und Andere mit dem eiteln
Gedanken schmeicheln, in einem Geschwornengerichte, ohne rechtswis¬
senschaftliche Bildung nothwendig zu haben, wie sie meinen und sich
einbilden, einmal richterliche Gewalt ausübe" zu dürfen, während
doch der Geschworne me, nicht einmal in Frankreich, mit richterlicher
Gewalt bekleidet ist. Ich rechne dahin diejenigen, welche die Oef-
fentlichkeit eine Controle des Richters nennen, nicht etwa in dem
figürlichen Sinne, wie das ursprünglich gesagt worden ist, und dann
seine Nichtigkeit hat, sondern im eigentlichen Sinne des Wortes, so
daß die Oeffentlichkeit aewissermaßc" an die Stelle des Justizmini¬
steriums träte, welches jetzt die Controle über die Gerichte führt. In
der That eine drollige Controle! Als wenn der Präsident eines Assi-
senhofes seine Handlungen von einer Handvoll Leute würde contro-
liren lassen, die er, wenn sie sich nicht still und ruhig verhalten, mit
einem einzige" Worte zur Thüre des Gerichtssaals hinauswcisen las¬
sen kann. Ich rechne endlich dahin diejenigen, welche etwas recht
Empfehlcnswerthes gesagt zu haben wähnen, wenn sie behaupten, daß
die Geschwornen, was freilich ein Irrthum ist, einen Angeschuldigten
selbst dann freisprechen konnten, wenn er des Verbrechens überwiesen
sei, ja selbst, wenn er es gestanden habe und überwiesen sei. Einen
solchen Bärenfreund habe ich zu meinem großen Bedauern erst
neulich in einer Versammlung sprechen hören, wo eine Petition für


der Sachverständigen aber für Geschwornengerichte und die damit
zusammenhängenden Institute ist, so stellt schon dieser Umstand eine
solche Reform als unabweisbares Bedürfniß heraus.

In Bezug auf das Was und Wie ist zu bedauern, daß man
nicht selten recht laute Leute findet, die Freunde des Geschwornen-
gcrichteS sind wie jener Bär, welcher, in der freundlichen Absicht, eine
Fliege von dessen Stirn zu jagen, dem Eremiten mit einem Felsen-
block den Kopf zerschmetterte; Leute, die außerordentlich gute Absich¬
ten haben, aber der guten Sache außerordentlich vielen Schaden zu¬
fügen, — Leute, die verlangen, daß man mit ihnen gemeinschaftliche
Sache machen soll, die nicht begreifen könne», daß man sie aus lau¬
ter Liebe dorthin wünschen muß, wo der Pfeffer wächst, und die,
wenn man ihnen das fteimülhig sagt, über Perfidie und Verrath an
der guten Sacke Zeter schrei». Ich rechne d.ihm diejenigen, welche
dem Volke weißmache», in den Schwurgerichten säße das Volk selbst
als Richter zu Gericht, welche also sich und Andere mit dem eiteln
Gedanken schmeicheln, in einem Geschwornengerichte, ohne rechtswis¬
senschaftliche Bildung nothwendig zu haben, wie sie meinen und sich
einbilden, einmal richterliche Gewalt ausübe» zu dürfen, während
doch der Geschworne me, nicht einmal in Frankreich, mit richterlicher
Gewalt bekleidet ist. Ich rechne dahin diejenigen, welche die Oef-
fentlichkeit eine Controle des Richters nennen, nicht etwa in dem
figürlichen Sinne, wie das ursprünglich gesagt worden ist, und dann
seine Nichtigkeit hat, sondern im eigentlichen Sinne des Wortes, so
daß die Oeffentlichkeit aewissermaßc» an die Stelle des Justizmini¬
steriums träte, welches jetzt die Controle über die Gerichte führt. In
der That eine drollige Controle! Als wenn der Präsident eines Assi-
senhofes seine Handlungen von einer Handvoll Leute würde contro-
liren lassen, die er, wenn sie sich nicht still und ruhig verhalten, mit
einem einzige» Worte zur Thüre des Gerichtssaals hinauswcisen las¬
sen kann. Ich rechne endlich dahin diejenigen, welche etwas recht
Empfehlcnswerthes gesagt zu haben wähnen, wenn sie behaupten, daß
die Geschwornen, was freilich ein Irrthum ist, einen Angeschuldigten
selbst dann freisprechen konnten, wenn er des Verbrechens überwiesen
sei, ja selbst, wenn er es gestanden habe und überwiesen sei. Einen
solchen Bärenfreund habe ich zu meinem großen Bedauern erst
neulich in einer Versammlung sprechen hören, wo eine Petition für


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[0488] der Sachverständigen aber für Geschwornengerichte und die damit zusammenhängenden Institute ist, so stellt schon dieser Umstand eine solche Reform als unabweisbares Bedürfniß heraus. In Bezug auf das Was und Wie ist zu bedauern, daß man nicht selten recht laute Leute findet, die Freunde des Geschwornen- gcrichteS sind wie jener Bär, welcher, in der freundlichen Absicht, eine Fliege von dessen Stirn zu jagen, dem Eremiten mit einem Felsen- block den Kopf zerschmetterte; Leute, die außerordentlich gute Absich¬ ten haben, aber der guten Sache außerordentlich vielen Schaden zu¬ fügen, — Leute, die verlangen, daß man mit ihnen gemeinschaftliche Sache machen soll, die nicht begreifen könne», daß man sie aus lau¬ ter Liebe dorthin wünschen muß, wo der Pfeffer wächst, und die, wenn man ihnen das fteimülhig sagt, über Perfidie und Verrath an der guten Sacke Zeter schrei». Ich rechne d.ihm diejenigen, welche dem Volke weißmache», in den Schwurgerichten säße das Volk selbst als Richter zu Gericht, welche also sich und Andere mit dem eiteln Gedanken schmeicheln, in einem Geschwornengerichte, ohne rechtswis¬ senschaftliche Bildung nothwendig zu haben, wie sie meinen und sich einbilden, einmal richterliche Gewalt ausübe» zu dürfen, während doch der Geschworne me, nicht einmal in Frankreich, mit richterlicher Gewalt bekleidet ist. Ich rechne dahin diejenigen, welche die Oef- fentlichkeit eine Controle des Richters nennen, nicht etwa in dem figürlichen Sinne, wie das ursprünglich gesagt worden ist, und dann seine Nichtigkeit hat, sondern im eigentlichen Sinne des Wortes, so daß die Oeffentlichkeit aewissermaßc» an die Stelle des Justizmini¬ steriums träte, welches jetzt die Controle über die Gerichte führt. In der That eine drollige Controle! Als wenn der Präsident eines Assi- senhofes seine Handlungen von einer Handvoll Leute würde contro- liren lassen, die er, wenn sie sich nicht still und ruhig verhalten, mit einem einzige» Worte zur Thüre des Gerichtssaals hinauswcisen las¬ sen kann. Ich rechne endlich dahin diejenigen, welche etwas recht Empfehlcnswerthes gesagt zu haben wähnen, wenn sie behaupten, daß die Geschwornen, was freilich ein Irrthum ist, einen Angeschuldigten selbst dann freisprechen konnten, wenn er des Verbrechens überwiesen sei, ja selbst, wenn er es gestanden habe und überwiesen sei. Einen solchen Bärenfreund habe ich zu meinem großen Bedauern erst neulich in einer Versammlung sprechen hören, wo eine Petition für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/488>, abgerufen am 06.02.2025.