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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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in blauer Ferne, das mit fast unwiderstehlicher Kraft zu sich hinzieht.
Auch das freundliche helle Lokal selbst und mehr noch die unbefangene
Jovialität de6 Wirthes, geben der Menterschweige einen besonderen
Borzug. Mit richtiger Würdigung haben die Künstler dies erkannt
und die Menterschweige ein für allemal zur Sommer-Festhalte aus¬
erkoren. Da das Kartoffel-Fest wie schon der Name verkündet, zu Ehren
dieser Frucht aller Früchte gehalten wird, so ist ihr natürlich auch eine
bedeutende Rolle bei demselben zugetheilt. Den Saal wo das Mahl
stattfindet, ziert eine schön ausgeführte Büste Franz Drakes, dieses
unsterblichen Sperbers des Kartoffelsegens, des Mannes der eher ein
Monument verdiente, als so Viele. Die Tafelaufsätze des stattlichen
Tisches sind alle aus Kartoffeln oder Rüben geschnitzt. Hier konnte
sich die Phantasie und Laune, verbunden mit der gewandtesten tech¬
nischen Geschicklichkeit der Künstler so recht in vollem Glänze zeigen.
Die leider an so vielen Orten herrschende Kartoffelkrankheit, wurde in
einer in Betracht des dazu benutzten Materials vortrefflichen plastischen
Darstellung personificirt. Eine Leidensgestalt, Spuren der Fäulniß in
den gelblichen Zügen, die obere Hälfte des Schädels halb zerfressen
und blutig roth, die nackt.n weiß ausgestreckten Füße blau unter¬
laufen, lag auf einem aus Servietten und hölzernen Tellern errich¬
teten Krankenbette. Auf der einen Seite der Arzt mit dicken rochen
Backen und einer vom reichlichen Genuß starker Getränke geröthe-
ten warzigen Nase, der schon in den letzten Zügen Liegenden gra¬
vitätisch eine ungeheure Flasche Medicin darreichend, auf der anderen
Seite ein ganz aus rothen Rüben geschnitzter Hanswurst betrübt die
Hände faltend. Das Ganze von einem unserer genialen Maler
aus dem oben erwähnten Material in kurzer Zeit zusammengestellt,
und mit rothen Rüben, Ziegelmehl und Kohle gefärbt, machte eine
ungemein drastische Wirkung. Eine aus Rüben dargestellte Scene der
kürzlich in München mit übermäßigem Enthusiasmus aufgenommenen
Kunstreitergesellschaft von Lejars, war von komischem Effect. Ueber¬
gängen darf auch nicht werden, daß der Gastgeber selbst ein Blumen-
bouquet mit seltener Geschicklichkeit und vielem Geschmack aus Kar¬
toffeln geschnitzt und täuschend mit Farben angemalt hatte.

Das reichliche Mahl, wobei die Gemüse zu den verschiedenen
Fleischgerichten durchgängig aus Kartoffeln in den verschiedensten Ge¬
stalten und Zubereitungen bestanden, wurde, wie sich das in solchen
Gesellschaften nicht anders denken läßt, in größter Heiterkeit und Laune
verzehrt. Ein Theil der frohen Gesellschaft blieb beim vollen Glase bis
spät in die Nacht am Orte des Festes. Brennende Fackeln in der
Hand, um den oft schwierigen Pfad zu beleuchten, wanderten sie end¬
lich mit lautem Jubel in die schon schweigsame Stadt zurück. Das
ganze Fest, an dem außer den Künstlern auch Personen anderer Stände,
ti" nicht schwer in die geschlossene Gesellschaft "zum Stubenwollbräu"


in blauer Ferne, das mit fast unwiderstehlicher Kraft zu sich hinzieht.
Auch das freundliche helle Lokal selbst und mehr noch die unbefangene
Jovialität de6 Wirthes, geben der Menterschweige einen besonderen
Borzug. Mit richtiger Würdigung haben die Künstler dies erkannt
und die Menterschweige ein für allemal zur Sommer-Festhalte aus¬
erkoren. Da das Kartoffel-Fest wie schon der Name verkündet, zu Ehren
dieser Frucht aller Früchte gehalten wird, so ist ihr natürlich auch eine
bedeutende Rolle bei demselben zugetheilt. Den Saal wo das Mahl
stattfindet, ziert eine schön ausgeführte Büste Franz Drakes, dieses
unsterblichen Sperbers des Kartoffelsegens, des Mannes der eher ein
Monument verdiente, als so Viele. Die Tafelaufsätze des stattlichen
Tisches sind alle aus Kartoffeln oder Rüben geschnitzt. Hier konnte
sich die Phantasie und Laune, verbunden mit der gewandtesten tech¬
nischen Geschicklichkeit der Künstler so recht in vollem Glänze zeigen.
Die leider an so vielen Orten herrschende Kartoffelkrankheit, wurde in
einer in Betracht des dazu benutzten Materials vortrefflichen plastischen
Darstellung personificirt. Eine Leidensgestalt, Spuren der Fäulniß in
den gelblichen Zügen, die obere Hälfte des Schädels halb zerfressen
und blutig roth, die nackt.n weiß ausgestreckten Füße blau unter¬
laufen, lag auf einem aus Servietten und hölzernen Tellern errich¬
teten Krankenbette. Auf der einen Seite der Arzt mit dicken rochen
Backen und einer vom reichlichen Genuß starker Getränke geröthe-
ten warzigen Nase, der schon in den letzten Zügen Liegenden gra¬
vitätisch eine ungeheure Flasche Medicin darreichend, auf der anderen
Seite ein ganz aus rothen Rüben geschnitzter Hanswurst betrübt die
Hände faltend. Das Ganze von einem unserer genialen Maler
aus dem oben erwähnten Material in kurzer Zeit zusammengestellt,
und mit rothen Rüben, Ziegelmehl und Kohle gefärbt, machte eine
ungemein drastische Wirkung. Eine aus Rüben dargestellte Scene der
kürzlich in München mit übermäßigem Enthusiasmus aufgenommenen
Kunstreitergesellschaft von Lejars, war von komischem Effect. Ueber¬
gängen darf auch nicht werden, daß der Gastgeber selbst ein Blumen-
bouquet mit seltener Geschicklichkeit und vielem Geschmack aus Kar¬
toffeln geschnitzt und täuschend mit Farben angemalt hatte.

Das reichliche Mahl, wobei die Gemüse zu den verschiedenen
Fleischgerichten durchgängig aus Kartoffeln in den verschiedensten Ge¬
stalten und Zubereitungen bestanden, wurde, wie sich das in solchen
Gesellschaften nicht anders denken läßt, in größter Heiterkeit und Laune
verzehrt. Ein Theil der frohen Gesellschaft blieb beim vollen Glase bis
spät in die Nacht am Orte des Festes. Brennende Fackeln in der
Hand, um den oft schwierigen Pfad zu beleuchten, wanderten sie end¬
lich mit lautem Jubel in die schon schweigsame Stadt zurück. Das
ganze Fest, an dem außer den Künstlern auch Personen anderer Stände,
ti« nicht schwer in die geschlossene Gesellschaft „zum Stubenwollbräu"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/476>, abgerufen am 05.02.2025.