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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Auch in Bezug auf die übrigen Gerichtshöfe wurde durch Bedro-
hung, Versetzung der Richter und dergleichen ein förmliches Ein¬
schüchterungssystem in Anwendung gebracht.

Inzwischen wuchs natürlich auch die Aufregung des Volks von
Tage zu Tage. Am 27. Mai wurde das bekannte Hambacher Fest
gefeiert, dem andere Volksfeste in verschiedenen Gegenden Deutsch¬
lands, auch in Churhessen folgten. Es bestanden um das Jahr 1832
bereits verschiedene geheime Verbindungen, obwohl ziemlich verein¬
zelt, in Deutschland, und mancherlei Pläne wurden im Verborgenen
geschmiedet. Jordan selbst spricht sich über diese Gesellschaften so
aus: "Es bestand seit dem Befreiungskriege eine überspannte Par¬
tei, welche in dem Wahne befangen war, daß nur eine republika¬
nische Verfassung, wie sie sich solche vorstellte, Deutschland beglücken
könne, und welche, nachdem die deutsche Bundesverfassung dieSou-
verainität der einzelnen deutschen Staaten garantirt und Deutschland
blos zu einer politischen Einheit erhoben hatte, sich berufen glaubte,
Deutschlands politisches Heil nach erträumten Idealen selbst durch
gewaltsame Einreißung des neuen positiven Staatengebäudes her¬
beizuführen. Zu diesem Zwecke bildeten sich politische Verbindungen
unter Gleichgesinnten, welche im Verborgenen die bestehenden Zu¬
stände zu untergraben und die Volker zu ihrem neuen Baue des
Heils zu bearbeiten strebten, die Wetterauische Gesellschaft (18I4),u.s.w.
die NcvolutionSpartci fand in der fortgesetzten allgemeinen Burschenschaft
und in dem "deutschet? Vaterlandsvereine zur Unterstützung der freien
Presse" (1832), der sich immer mehr ausbreitete und zuletzt als
"Preßverein" sein Ccntralcomitv nach Frankfurt a. M. verlegte, ihre
Organisation und Werkstätre, zumal seitdem beide Vereine, zu dem
Zwecke: "die Einheit und Freiheit Deutschlands auf dem Wege der
Revolution zu erstreben" in eine innigere Verbindung mit einander
traten." Der erwähnte deutsche Vaterlandsveecin zur Unterstützung
der freien Presse hatte sich in Rheinbaiern, unter Leitung der dorti¬
gen Advocaten Schüler, Savoye, Gelb und unter Mitwirkung deS
Dr. Wirth gebildet. Abgesondert von diesem Vereine hatte im Kö¬
nigreich Würtemberg der Oberstlieutenant Koscritz im Winter 1831,
32 nicht nur unter der Garnison von Ludwigsburg eine Anzahl von
Unteroffizieren, auch selbst einige Offiziere von dort und von der
Heilbronner Garnison für ein revolutionäres Unternehmen gewor-


51 *

Auch in Bezug auf die übrigen Gerichtshöfe wurde durch Bedro-
hung, Versetzung der Richter und dergleichen ein förmliches Ein¬
schüchterungssystem in Anwendung gebracht.

Inzwischen wuchs natürlich auch die Aufregung des Volks von
Tage zu Tage. Am 27. Mai wurde das bekannte Hambacher Fest
gefeiert, dem andere Volksfeste in verschiedenen Gegenden Deutsch¬
lands, auch in Churhessen folgten. Es bestanden um das Jahr 1832
bereits verschiedene geheime Verbindungen, obwohl ziemlich verein¬
zelt, in Deutschland, und mancherlei Pläne wurden im Verborgenen
geschmiedet. Jordan selbst spricht sich über diese Gesellschaften so
aus: „Es bestand seit dem Befreiungskriege eine überspannte Par¬
tei, welche in dem Wahne befangen war, daß nur eine republika¬
nische Verfassung, wie sie sich solche vorstellte, Deutschland beglücken
könne, und welche, nachdem die deutsche Bundesverfassung dieSou-
verainität der einzelnen deutschen Staaten garantirt und Deutschland
blos zu einer politischen Einheit erhoben hatte, sich berufen glaubte,
Deutschlands politisches Heil nach erträumten Idealen selbst durch
gewaltsame Einreißung des neuen positiven Staatengebäudes her¬
beizuführen. Zu diesem Zwecke bildeten sich politische Verbindungen
unter Gleichgesinnten, welche im Verborgenen die bestehenden Zu¬
stände zu untergraben und die Volker zu ihrem neuen Baue des
Heils zu bearbeiten strebten, die Wetterauische Gesellschaft (18I4),u.s.w.
die NcvolutionSpartci fand in der fortgesetzten allgemeinen Burschenschaft
und in dem „deutschet? Vaterlandsvereine zur Unterstützung der freien
Presse" (1832), der sich immer mehr ausbreitete und zuletzt als
„Preßverein" sein Ccntralcomitv nach Frankfurt a. M. verlegte, ihre
Organisation und Werkstätre, zumal seitdem beide Vereine, zu dem
Zwecke: „die Einheit und Freiheit Deutschlands auf dem Wege der
Revolution zu erstreben" in eine innigere Verbindung mit einander
traten." Der erwähnte deutsche Vaterlandsveecin zur Unterstützung
der freien Presse hatte sich in Rheinbaiern, unter Leitung der dorti¬
gen Advocaten Schüler, Savoye, Gelb und unter Mitwirkung deS
Dr. Wirth gebildet. Abgesondert von diesem Vereine hatte im Kö¬
nigreich Würtemberg der Oberstlieutenant Koscritz im Winter 1831,
32 nicht nur unter der Garnison von Ludwigsburg eine Anzahl von
Unteroffizieren, auch selbst einige Offiziere von dort und von der
Heilbronner Garnison für ein revolutionäres Unternehmen gewor-


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[0403] Auch in Bezug auf die übrigen Gerichtshöfe wurde durch Bedro- hung, Versetzung der Richter und dergleichen ein förmliches Ein¬ schüchterungssystem in Anwendung gebracht. Inzwischen wuchs natürlich auch die Aufregung des Volks von Tage zu Tage. Am 27. Mai wurde das bekannte Hambacher Fest gefeiert, dem andere Volksfeste in verschiedenen Gegenden Deutsch¬ lands, auch in Churhessen folgten. Es bestanden um das Jahr 1832 bereits verschiedene geheime Verbindungen, obwohl ziemlich verein¬ zelt, in Deutschland, und mancherlei Pläne wurden im Verborgenen geschmiedet. Jordan selbst spricht sich über diese Gesellschaften so aus: „Es bestand seit dem Befreiungskriege eine überspannte Par¬ tei, welche in dem Wahne befangen war, daß nur eine republika¬ nische Verfassung, wie sie sich solche vorstellte, Deutschland beglücken könne, und welche, nachdem die deutsche Bundesverfassung dieSou- verainität der einzelnen deutschen Staaten garantirt und Deutschland blos zu einer politischen Einheit erhoben hatte, sich berufen glaubte, Deutschlands politisches Heil nach erträumten Idealen selbst durch gewaltsame Einreißung des neuen positiven Staatengebäudes her¬ beizuführen. Zu diesem Zwecke bildeten sich politische Verbindungen unter Gleichgesinnten, welche im Verborgenen die bestehenden Zu¬ stände zu untergraben und die Volker zu ihrem neuen Baue des Heils zu bearbeiten strebten, die Wetterauische Gesellschaft (18I4),u.s.w. die NcvolutionSpartci fand in der fortgesetzten allgemeinen Burschenschaft und in dem „deutschet? Vaterlandsvereine zur Unterstützung der freien Presse" (1832), der sich immer mehr ausbreitete und zuletzt als „Preßverein" sein Ccntralcomitv nach Frankfurt a. M. verlegte, ihre Organisation und Werkstätre, zumal seitdem beide Vereine, zu dem Zwecke: „die Einheit und Freiheit Deutschlands auf dem Wege der Revolution zu erstreben" in eine innigere Verbindung mit einander traten." Der erwähnte deutsche Vaterlandsveecin zur Unterstützung der freien Presse hatte sich in Rheinbaiern, unter Leitung der dorti¬ gen Advocaten Schüler, Savoye, Gelb und unter Mitwirkung deS Dr. Wirth gebildet. Abgesondert von diesem Vereine hatte im Kö¬ nigreich Würtemberg der Oberstlieutenant Koscritz im Winter 1831, 32 nicht nur unter der Garnison von Ludwigsburg eine Anzahl von Unteroffizieren, auch selbst einige Offiziere von dort und von der Heilbronner Garnison für ein revolutionäres Unternehmen gewor- 51 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/403>, abgerufen am 05.02.2025.